Erbrecht, Familienrecht -

Immobilienerbe: Prüfungspflicht des Grundbuchamts bei Dienstbarkeit

Das OLG München hat im Fall einer beantragten Löschung einer Dienstbarkeit entschieden, dass das Grundbuchamt prüfen muss, ob durch die Bindungswirkung einer früheren gemeinschaftlichen Verfügung von Todes wegen eine spätere notarielle Verfügung von Todes wegen unwirksam wird. Das Grundbuchamt hatte die Erbfolge zunächst für unklar gehalten und die Löschung verweigert.

Sachverhalt

Die im Grundbuchverfahren beteiligte zweite Ehefrau hat von ihrem Ehemann ein Grundstück („Familienheim“) übertragen bekommen. Dabei wurde zugunsten des berechtigten Ehemannes eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit mit folgendem Inhalt im Grundbuch eingetragen:

„Der Berechtigte ist befugt, neben dem Eigentümer sämtliche Räume des Anwesens ... zu bewohnen und alle in diesem Gebäude vorhandenen Anlagen und Einrichtungen, die dem gemeinschaftlichen Gebrauch der Hausbewohner dienen, zu nutzen, ebenso den Garten. Die Kosten für den Verbrauch von Strom, Wasser und Heizung bezüglich der der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit unterliegenden Räumlichkeiten tragen der Eigentümer und der Berechtigte gemeinsam. Die Kosten der Instandhaltung und Instandsetzung der von der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit betroffenen Räume und die Kosten der Schönheitsreparaturen haben der Eigentümer und der Berechtigte ebenfalls gemeinsam zu tragen. (...) Das Recht erlischt mit dem Ableben des Berechtigten.“

Zudem wurde im Grundbuch „eine Vormerkung zur Sicherung des gleichfalls vereinbarten, auflösend durch die Vorlage einer Sterbeurkunde nach dem Berechtigten bedingten Rückübertragungsanspruchs“ eingetragen.

Nach dem Tod des Ehemannes hat die Ehefrau unter Vorlage der Sterbeurkunde die Löschung der Dienstbarkeit und der Rückübertragungsvormerkung beantragt. Das Grundbuchamt war jedoch der Ansicht, dass dies wegen möglicher Rückstände frühestens ein Jahr nach dem Tod möglich sei. Daraufhin hat die ausweislich des samt Eröffnungsniederschrift vorgelegten notariellen Erbvertrages allein erbende Ehefrau die Löschung der Dienstbarkeit notariell bewilligt. Dem Grundbuchamt reichte auch dies nicht aus; es forderte nach der Beiziehung der Nachlassakte einen Erbschein.

Nach Ansicht des Grundbuchamtes sei die Erbfolge wegen eines weiteren vorliegenden gemeinschaftlichen Testaments mit der vorverstorbenen ersten Ehefrau des Erblassers nicht eindeutig. Aufgrund der Bindungswirkung gemeinschaftlicher Testamente ergäben sich begründete Zweifel an der Wirksamkeit des Erbvertrages. Das Grundbuchamt erlies daher eine dementsprechende Zwischenverfügung. Der hiergegen eingelegten Beschwerde half das Grundbuchamt nicht ab.

Wesentliche Aussagen der Entscheidung

Die Beschwerde gegen die Zwischenverfügung des Grundbuchamtes hat Erfolg. Nach Ansicht des OLG München ist die Dienstbarkeit löschungsfähig.

Grundsätzlich darf ein Recht, das auf die Lebenszeit des Berechtigten beschränkt ist und bei dem nach dessen Tod Rückstände von Leistungen nicht ausgeschlossen sind, nur mit Bewilligung des Rechtsnachfolgers gelöscht werden, wenn die Löschung vor dem Ablauf eines Jahres nach dem Tod des Berechtigten erfolgen soll (§ 23 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. GBO). Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn ein Löschungserleichterungsvermerk im Grundbuch eingetragen ist (§ 23 Abs. 2 GBO).

Da vorliegend kein Löschungserleichterungsvermerk eingetragen wurde, kommt es allein darauf an, ob der Ehefrau der Nachweis dafür gelungen ist, dass sie als Alleinerbin alleinige Rechtsnachfolger ihres Ehemannes wurde und daher die Löschungsbewilligung greift. Nach Ansicht des OLG München ist dies der Ehefrau gelungen. Das Grundbuchamt wäre gehalten gewesen, die vorliegenden Verfügungen von Todes wegen rechtlich zu würdigen und auszulegen.

Auf diesem Wege hätte es aus dem Vorbringen der Beteiligten und dem Wortlaut der Verfügungen von Todes wegen zu dem Schluss kommen müssen, dass durch das gemeinschaftliche Testament mit der ersten Ehefrau keine Bindungswirkung eingetreten ist und sich die Erbfolge damit allein nach dem Erbvertrag richtet. Damit hätte das Grundbuchamt aufgrund der Bewilligungserklärung der Ehefrau die Dienstbarkeit löschen müssen.

Folgerungen aus der Entscheidung

Nach der Regelung des § 35 Abs. 1 GBO kann der Nachweis der Erbfolge zwar grundsätzlich nur durch einen Erbschein geführt werden. Beruht jedoch die Erbfolge auf einer in einer öffentlichen - notariellen - Urkunde enthaltenen Verfügung von Todes wegen, genügt es, wenn anstelle des Erbscheins die Verfügung samt der Niederschrift über ihre Eröffnung vorgelegt wird.

Werden neben der notariellen Verfügung weitere Verfügung von Todes wegen zur Eröffnung gebracht, ist das Grundbuchamt i.d.R. gehalten, die vorliegenden Verfügungen von Todes wegen rechtlich zu würdigen und auszulegen. Nur wenn umfangreiche eigene Ermittlungen notwendig wären, entfiele diese Pflicht. Nur dann kann das Grundbuchamt einen Erbschein fordern.

Praxishinweis

Häufig verlangen Grundbuchämter auch nach Vorlage einer eröffneten notariellen Verfügung von Todes wegen bei auf den ersten Blick unklaren testamentarischen Anordnungen die Vorlage eines Erbscheins. Sie wollen so eine rechtliche Würdigung und Auslegung vermeiden. Hiergegen sollte jedoch interveniert werden – notfalls auch mit Rechtsmitteln. Denn insbesondere bei großen Nachlässen können die Kosten für einen zusätzlichen Erbschein deutlich ins Gewicht fallen.

OLG München, Beschl. v. 30.11.2016 - 34 Wx 363/16

Quelle: Rechtsanwalt Ralf Mangold