Das Europäische Parlament hat die Einführung eines "Europäischen Erbscheins" vorgeschlagen.
Um es Erben zu erleichtern, den Nachlass eines im EU-Ausland Verstorbenen anzutreten, empfiehlt das es die Harmonisierung der Normen für die gerichtliche Zuständigkeit. Ausländische Gerichtsentscheidungen sollten dann auch in jedem anderen Mitgliedsstaat anerkannt und vollstreckt werden können. Die EU-Kommission wurde aufgefordert, 2007 einen entsprechenden Gesetzesvorschlag vorzulegen.
Nach einer Studie, die das Deutsche Notarinstitut 2002 im Auftrag der Europäischen Kommission durchgeführt hatte, fallen jedes Jahr zwischen 50.000 und 100.000 Erbschaften mit Auslandsbezug innerhalb der EU an. Da es "enorme Unterschiede" zwischen den Systemen des internationalen Privatrechts und des materiellen Erb- und Testamentrechts der einzelnen Mitgliedstaaten gibt, können den Erbberechtigten Schwierigkeiten und Kosten entstehen, bis sie ihre Erbschaft antreten können.
"Ort des gewöhnlichen Aufenthalts" als Kriterium
Ein Rechtsakt in diesem Bereich müsse einerseits die Normen für die gerichtliche Zuständigkeit harmonisieren und andererseits zur Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Gerichtsentscheidungen führen, so die Abgeordneten. Sie empfehlen, den "Ort des gewöhnlichen Aufenthalts" als Kriterium für die Festlegung sowohl der gerichtlichen Zuständigkeit als auch des Anknüpfungspunkts heranzuziehen, wobei "Ort des gewöhnlichen Aufenthalts" bedeutet:
- Ort des gewöhnlichen Aufenthalts des Verstorbenen zum Zeitpunkt seines Todes, vorausgesetzt, dass dieser Ort für einen Zeitraum von mindestens zwei Jahren vor dem Tod des Erblassers der Ort des gewöhnlichen Aufenthalts war, oder, wenn dies nicht zutrifft,
- Ort, an dem der Verstorbene seinen Lebensmittelpunkt zum Zeitpunkt seines Todes hatte.
Dennoch sollte es "ein gewisses Maß an Wahlfreiheit" geben, so dass die betreffenden Parteien unter bestimmten Voraussetzungen das zuständige Gericht selbst auswählen. Der Erblasser sollte eine Erklärung in Form einer testamentarischen Verfügung abgeben können, in welchem Land sein Testament vollstreckt werden soll. Er sollte sich dabei zwischen dem Recht des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, und dem Recht am Ort des gewöhnlichen Aufenthalts entscheiden können.
"Europäischer Erbschein"
Um die Verfahren, über die die Erben in den Besitz des Nachlasses gelangen, zu erleichtern, schlagen die Parlamentarier einen "Europäischen Erbschein" vor. Dieser legt verbindlich und bis zum Beweis des Gegenteils das für den Erbfall geltende Recht, die Erbbegünstigten, die Nachlassverwalter und deren diesbezügliche Befugnisse sowie die zum Nachlass gehörenden Nachlassgegenstände fest.
Der Erbschein wird von einer Behörde ausgestellt, die nach dem einschlägigen innerstaatlichen Recht ermächtigt ist, Urkunden auszustellen oder diese amtlich zu beglaubigen. Nach Meinung der Abgeordneten müsse man dafür zu sorgen, dass öffentliche Urkunden in Erbsachen gleiche Wirkungen haben und in allen Mitgliedstaaten anerkannt werden, was die Beweiskraft von Bescheinigungen über Sachverhalte und Erklärungen betrifft, wenn die Beweise nach dem Recht des Herkunftsmitgliedstaats zulässig sind.
Das EP empfiehlt zudem ein europäisches Netz der nationalen Testamentsregister einzuführen, in dem man die einzelstaatlichen Register miteinander vernetzt. Dadurch könne die Ermittlung und Feststellung des letzten Willens eines Verstorbenen erleichtert werden.
Quelle: Europäisches Parlament - Pressemitteilung vom 15.11.06