Wie kann gegenüber dem Grundbuch nachgewiesen werden, dass Pflichtteilsansprüche geltend gemacht wurden? Im Fall einer bedingten Nacherbschaft hat das OLG München entscheiden, dass im Grundbuchberichtigungsverfahren dieser Nachweis durch Vorlage der Klageschrift mit Eingangsstempel des Gerichts und des Urteils jeweils in notariell beglaubigter Abschrift erbracht werden kann.
Sachverhalt
Die Erblasserin hatte im Testament von 1986 bestimmt, dass ihre Tochter Alleinerbin und damit Eigentümerin eines Grundstücks wird. Dieser war aufgegeben, das Grundstück binnen 20 Jahren ab dem Todestag nicht zu veräußern. Handelte sie hiergegen, würden im Falle dieses Verstoßes sie selbst sowie ihre Brüder bedingte Nacherben zu gleichen Teilen und Ersatznacherben deren jeweilige Abkömmlinge.
Sollte allerdings nur einer der Söhne seinen Pflichtteil geltend machen, entfiele die bedingte Nacherbfolge für den jeweiligen geltend machenden Bruder mit der Folge, dass die Tochter und ggf. der andere Sohn Nacherben würden. Ein entsprechender Nacherbenvermerk wurde in Abteilung II des Grundbuchs eingetragen. Die Erblasserin verstarb im August 1995.
Sohn 1 hatte 1997 Klage gegen seine alleinerbende Schwester eingereicht, sie hatte die Forderung gerichtlich anerkannt, und Sohn 2 hatte sich 1998 nach Klageerhebung ebenfalls mit der Schwester mit gerichtlichem Vergleich auf seinen Pflichtteil geeinigt.
Im Februar 2017 beantragte die Tochter die Löschung des Nacherbenvermerks, da die Bedingung für den Eintritt des Nacherbfalls nicht eintreten könne, weil beide Brüder Pflichtteile geltend gemacht hatten und ohnehin die 20-Jahres-Frist abgelaufen ist. Dazu legte die Tochter die Klageschrift des einen Bruders mit Eingangsstempel des Gerichts und den gerichtlichen Vergleich mit dem anderen Bruder, beides in beglaubigter Abschrift, vor.
Das Grundbuchamt wies den Antrag zurück, weil nicht erwiesen sei, dass die Brüder den kompletten Pflichtteil geltend gemacht und auch erhalten hatten. Hiergegen richtete sich die Beschwerde. Die Tochter argumentierte, dass der Unrichtigkeitsnachweis, der zur Löschung des Nacherbenvermerks führen muss, mit den vorgelegten Unterlagen geführt ist.
Wesentliche Aussagen der Entscheidung
Das OLG München gab der Beschwerde statt. Der Unrichtigkeitsnachweis war geführt – also die Tatsache, dass der Nacherbenvermerk fälschlich im Grundbuch eingetragen war, weil die Nacherbschaft einerseits durch Zeitablauf erloschen war und andererseits durch Eintritt der Bedingung, dass beide Brüder Pflichtteile geltend gemacht hatten.
So setzt die hier beantragte Grundbuchberichtigung durch Löschung des Nacherbenvermerks (§§ 22, 46 Abs. 1 GBO) voraus, dass der Nachweis der behaupteten Unrichtigkeit in grundbuchmäßig ausreichender Form gem. § 29 GBO vorliegt. Das war hier erfolgt, indem die Tochter die Pflichtteilsklage des einen Bruders mit seinerzeitigem Eingangsstempel des Zivilgerichts vorgelegt hatte.
Zwar ist das Grundbuchamt gehalten, die in dem Testament enthaltene Verfügung von Todes wegen sowohl nach der äußeren als auch nach ihrer inhaltlichen Form wie auch die aktuelle (zum Zeitpunkt des Nacherbenvermerks-Löschungsantrages vorliegende) materielle Rechtslage zu prüfen. Zum einen darf das Grundbuchamt zwar hierzu auch die Verfügung von Todes wegen auslegen. Zum anderen steht es aber nicht in seinem Belieben, welche Beweismittel es im Verfahren anfordert.
Hier hatte das Grundbuchamt Zweifel angedeutet, ob das Pflichtteilsrecht von jedem Bruder tatsächlich geltend gemacht und erfüllt wurde. Das Kriterium der Geltendmachung muss dabei nachgewiesen werden. Das Kriterium der Erfüllung des Pflichtteilsanspruches ist aber nicht zu verlangen, weil sich dies schon aus dem Wortlaut des Testaments („den Pflichtteil geltend machen“) nicht ableiten lässt. Hier waren also der Auslegung durch das Grundbuchamt Grenzen gesetzt.
Es ging sodann nur noch um den Nachweis der Geltendmachung der Ansprüche. Dieser lässt sich i.d.R. nicht in der Form des § 29 Abs. 1 GBO, also öffentliche Urkunde (Urkunde einer öffentlichen Behörde, also Gericht, Notar, Gerichtsvollzieher, sonstige Amtsperson) oder öffentlich beglaubigte Urkunde (Urkunde, die durch die vorgenannten Personen jedenfalls beglaubigt wurde), führen. Denn Ansprüche werden regelmäßig durch einfache, meist schriftliche Willenserklärungen geltend gemacht.
Hier haben aber die mit Eingangsstempel versehene Klageschrift und auch der gerichtlich protokollierte Vergleich die Qualität einer öffentlichen Urkunde nach § 29 Abs. 1 GBO. Zur Frage, ob das gerichtliche Vergleichsprotokoll des gerichtlichen Vergleichs zu diesem Zwecke ausreicht, hatte sich das OLG München aber nicht geäußert: Der betreffende Bruder hatte im Verfahren der Löschung des Nacherbenvermerks zugestimmt, eine Entscheidung musste insoweit nicht mehr ergehen.
Folgerungen aus der Entscheidung
Das OLG München bestätigt in seiner Entscheidung einerseits die Macht des Grundbuchamtes, selbst aus eigener Verantwortung noch einmal die erbrechtliche Rechtslage zu beleuchten und zu hinterfragen, wenn dies für grundbuchrechtliche Fragen relevant ist. Es setzt diesem andererseits aber auch Grenzen die Auslegungsfähigkeit von Verfügungen von Todes wegen betreffend, wenn deren Wortlaut eindeutig ist.
Zudem gibt es den Grundbuchämtern vor, dass diese zwar grundsätzlich auf die Vorlage von Urkunden i.S.d. § 29 Abs. 1 GBO bestehen dürfen, definiert aber, dass auch jedenfalls eine Klageschrift mit gerichtlichem Eingangsstempel eine solche Urkundeneigenschaft aufweist und damit eine jedenfalls öffentlich beglaubigte (also mit dem gerichtlichen Eingangsstempel als hoheitlich bestätigte) Urkunde ist.
Praxishinweis
Die Entscheidung verdeutlicht zweierlei:
- Einerseits bestätigt sie die Rechtsbefugnisse eines Grundbuchamts in grundbuchrechtlichen Fragen, die auch die erbrechtliche Rechtslage betreffen können. Das Grundbuchamt darf diese also nachprüfen, infrage stellen etc.
- Andererseits fasst sie eine Klageschrift mit gerichtlichem Eingangsstempel als öffentlich beglaubigte Urkunde im Rahmen des § 29 Abs. 1 GBO auf.
Praktisch dürfte sich die Frage stellen, wie man an eine derartige Klageschrift mit gerichtlichem Eingangsstempel gelangt. Das geschieht durch Akteneinsichtsantrag bei Gericht, der bei Verfahren mit Anwaltszwang durch einen Rechtsanwalt beantragt werden muss. Ist der Einsichtnehmende nicht selber Prozesspartei (gewesen), muss jedenfalls begründet werden, warum die Akteneinsicht erforderlich ist. Problematisch kann es dann werden, wenn das Klageverfahren weit in der Vergangenheit liegt – hier können Aufbewahrungsfristen ggf. bereits abgelaufen sein.
OLG München, Beschl. v. 23.05.2018 - 34 Wx 385/17
Quelle: Rechtsanwalt und FA für Erbrecht Miles B. Bäßler