Eine Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Kita, die faktisch eine Kündigungsfrist von mehr als drei Monaten festlegt, ist unwirksam. Das hat das Amtsgericht München entschieden. Im Streitfall war in dem Kindergartenvertrag zwar eine dreimonatige Kündigungsfrist vorgesehen - die Kündigung konnte allerdings nur zu bestimmten Beendigungsterminen ausgesprochen werden.
Darum geht es
Die Klägerin betreibt bilinguale Kindertagesstätten, unter anderen auch in Esslingen. Die beklagte Mutter schloss am 19.05.2014 dort einen Kindergartenvertrag über die Betreuung, Bildung und Erziehung ihrer damals zweieinhalbjährigen Tochter mit Beginn 01.10.2014 ab. Es war eine Betreuungszeit von 6-7 Stunden werktags für monatlich 585 € vereinbart zuzüglich Essensgeld in Höhe von monatlich 140 €.
Am 31.10.2014 teilte die Mutter der Kindertagesstätte mit, dass sie den Vertrag wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage für nichtig halte. Gleichzeitig kündigte sie und schickte ihr Kind nicht mehr in den Kindergarten. Ab Februar 2015 zahlte sie keine Gebühren mehr. Der Kinderbetreuungsvertrag enthält folgende Kündigungsklausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen:
„§ 7 Kündigung
(1) Der Vertrag kann ordentlich mit einer Frist von 3 Monaten gekündigt werden, und zwar jeweils zum 31. März, 31. August, 31. Oktober und 31. Dezember. Die ordentliche Kündigung vor Vollzug des Betreuungsverhältnisses ist für beide Parteien ausgeschlossen; das Rechts zur außerordentlichen Kündigung bleibt unberührt.“
Die Betreiberin der Kindertagesstätte verlangte von der Mutter die Zahlung der Gebühren für Februar und März 2015 in Höhe von 1450 € sowie entgangener Fördergelder für diese Monate in Höhe von 1413 €. Das Betreuungsverhältnis habe erst zum 31.03.2015 geendet. Wegen des Fernbleibens der Tochter seien für sie keine Fördergelder bezahlt worden.
Die Mutter weigerte sich zu zahlen. Sie trägt vor, dass ihre Tochter die Einrichtung nur viermal besucht habe, da die Zustände dort zwanghaft und inkompetent gewesen seien. Mangels qualifizierten Personals sei keine bilinguale Erziehung möglich gewesen. Bei dem eingesetzten Personal habe es sich nicht um ausgebildete Erzieherinnen oder Personen mit vergleichbarer Qualifikation gehandelt. Essensgeld sei mangels Besuch der Einrichtung nicht geschuldet.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Der zuständige Richter wies die Klage in vollem Umfang ab. Der Kindertagesstätte stehen keine Ansprüche gegen die Mutter zu.
Die Einrichtung hat keinen Anspruch auf Erstattung entgangener Fördergelder. Nach den allgemeinen Geschäftsbedingungen in dem Kindergartenvertrag ist Voraussetzung für einen Erstattungsanspruch u.a., dass das Kind neben der Nichtinanspruchnahme des Platzes in der klägerischen Einrichtung gleichzeitig einen Platz in einer anderen Betreuungseinrichtung belegt. Hierzu hat die Klägerin trotz Hinweis des Gerichts nichts vorgetragen.?
Die Mutter habe im Übrigen den Kindergartenplatz wirksam zum 30.11.2014 gekündigt. Die Kündigungsfrist in der Klausel nach § 7 des Vertrags sei unwirksam. In Allgemeinen Geschäftsbedingungen dürfe wegen § 309 Nr. 9c BGB keine längere Kündigungsfrist als drei Monate festgesetzt werden.
Der Klägerin sei es verwehrt ?durch Bestimmung willkürlicher Kündigungstermine die Kündigungsfristen faktisch über die in dieser Vorschrift bestimmte Dauer hinaus zu verlängern? urteilte das Gericht. So würde sich zum Beispiel bei ?einer Kündigungserklärung am 01.01. eines Jahres (..) sich eine faktische Kündigungsfrist von nahezu acht Monaten ergeben. Genau diese überlange Bindung will die Vorschrift des § 309 Nr. 9c BGB jedoch verhindern, so das Gericht weiter.
Darüber hinaus benachteilige die Regelung die Kunden unangemessen. ?Ein sachlich nachvollziehbarer Grund für die unregelmäßigen Kündigungszeitpunkte, die zum Teil zu einer unangemessen langen Bindung des Kunden führen, ist nicht erkennbar. Eine Planungssicherheit für die Klägerin wäre auch unter Berücksichtigung einer ?einfachen? drei-monatigen Kündigungsfrist gegeben.
Insoweit ist der Sachverhalt bei einem Kindergarten anders zu beurteilen als bei einer Schule, die aufgrund der vorgegebenen Schulhalbjahre, starrer Lehrpläne und auch aus pädagogischen Gründen ggf. ein nachvollziehbares Interesse an der Festlegung von Kündigungszeitpunkten haben kann?, so das Gericht.
Wegen der Unwirksamkeit der Kündigungsklausel bestimmt sich die Kündigungsfrist nach den gesetzlichen Vorschriften, so dass die Mutter spätestens am 15. des Monats zum Schluss des Kalendermonats kündigen konnte.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Amtsgericht München, Urt. v. 09.07.2015 - 213 C 13499/15
Quelle: Amtsgericht München, Pressemitteilung v. 29.07.2016