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Briefkasten am Abgrund

Das Landgericht Coburg hat die Klage eines aus dem ersten Stock gestürzten Anwohners abgewiesen. Der Mann war trotz des Hinweises des Bauunternehmers, die Eingangstür nicht zu benutzen, in einen durch Bauarbeiten entstandenen Abgrund gestürzt. Der Ansicht des Klägers, der Bauunternehmer habe die Postlieferungen an einen dort angebrachten Briefkasten unterbinden müssen, folgten die Richter nicht.

Darum geht es

Der Kläger wohnt im ersten Obergeschoss eines Gebäudes. Der Zugang zur Wohnung war direkt über eine Treppe und einen brückenartigen Steg möglich. Im Rahmen von Bauarbeiten, die der Beklagte durchführte, wurde dieser Steg abgerissen. Vor einer Wohnungstür des Klägers war ein Abgrund.

Der Bauunternehmer wies den Kläger an, seine Haustür während der Bauarbeiten nicht mehr zu benutzen. Der Zugang zur Wohnung des Klägers erfolgte über das Erdgeschoss und eine Treppe im Inneren des Gebäudes. Die Baufirma verkeilte vor der Haustür des Klägers zwei Holzbretter in der Laibung. Der Kläger öffnete trotz der Anweisung die Wohnungstür und stürzte in die Tiefe. Dabei wurde er schwer verletzt und zog sich eine Vielzahl von Brüchen zu.

Der Kläger gab an, dass er die Haustür geöffnet habe, um seinen Briefkasten zu leeren. Dieser Briefkasten sei trotz der Bauarbeiten beliefert worden. Die Postlieferungen seien über ein mit Flatterband abgesperrtes Flachdach erfolgt.

Der Kläger meinte, da der Bauunternehmer die Postanlieferung nicht unterbunden und auch nicht für eine gebotene Absturzsicherung an der Wohnungstür gesorgt habe, sei er ihm zum Schadenersatz verpflichtet. Darüber hinaus wollte der Kläger ein Schmerzensgeld in einer Größenordnung von 25.000 €.

Der beklagte Bauunternehmer gab an, dass er vom Briefkasten keine Kenntnis gehabt habe. Er habe vielmehr dem Kläger geraten, während der gesamten Dauer der Bauarbeiten die Wohnungstür abzusperren und den Schlüssel wegzulegen.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Das Landgericht Coburg wies die Klage ab. Es kam zum Ergebnis, dass die Unfallverhütungsvorschriften nicht zugunsten des Klägers eingreifen würden. Die Unfallverhütungsvorschriften sollen verhindern, dass Bauarbeiter an potentiellen Absturzstellen geschädigt werden.

Der Kläger wusste aber seit Beginn der Bauarbeiten, dass er seine Haustür nicht benutzen könne und diese verschlossen werden solle. Das Gericht ging davon aus, dass der Kläger der Gefahrenstelle hätte leicht fern bleiben können, indem er die Tür einfach nicht öffnet.

Die Beweisaufnahme ergab auch nicht, dass der Bauunternehmer Kenntnis von der Postanlieferung hatte. Dieses Problem war dem Beklagten nicht bewusst. Das Gericht ging davon aus, dass es Sache des Klägers gewesen wäre zu verlangen, den Briefkasten an eine ungefährliche Stelle ummontieren zu lassen. Der Kläger hätte für den Zeitraum der Bauarbeiten auch die Briefpost bei der Poststation abholen können.

Das Gericht stellte fest, dass der Bauunternehmer die ihm auferlegten Verkehrssicherungspflichten nicht verletzt hatte. Eine Pflichtverletzung scheidet aus, wenn die Gefahrenquelle vor sich selbst warnt. Dem Kläger war bewusst, dass er den Bereich vor seiner Haustür nicht mehr betreten kann. Dieser Zustand war bereits eine Woche vor dem Unfall eingetreten.

Dem Kläger musste auch bewusst sein, welche Gefahr es für ihn bedeutet, wenn er seine Post aus dem Briefkasten nahm und dabei seinen Körper über den Abgrund neigen musste. Dass die beiden verkeilten Bretter auch keinen Schutz gegen einen Absturz bieten würden, war ebenfalls offensichtlich. Dennoch ist der Kläger diese Gefahr eingegangen.

Bei Unfällen sind auch die Verantwortungsbereiche der Beteiligten zu unterscheiden. Im vorliegenden Fall war dem beklagten Bauunternehmer kein Vorwurf zu machen, weil die von ihm geschaffene Gefahr gut erkennbar gewesen war und er den späteren Kläger auch auf die Gefahr aufmerksam gemacht hatte.
Daher trug der Kläger die Verantwortung für seinen Sturz selbst und die Klage wurde abgewiesen.

Landgericht Coburg, Urt. v. 22.07.2014 - 22 O 107/14

Quelle: Landgericht Coburg, Pressemitteilung v. 22.12.2014