Lässt ein Grundstückseigentümer ein Gebäude abreißen und wird dadurch eine gemeinsame Grenzwand zum Grundstücksnachbar der Witterung ausgesetzt, muss diese Grenzwand vor eindringender Feuchtigkeit geschützt werden. Versäumt dies der vom Eigentümer beauftragte Bauunternehmer, kann der Eigentümer dem Nachbarn zum Schadensersatz verpflichtet sein. Das hat das OLG Hamm entschieden.
Darum geht es
Die Parteien sind Grundstücksnachbarn in Recklinghausen. Ursprünglich waren ihre Grundstücke mit aneinander grenzenden Doppelhaushälften bebaut, die durch eine gemeinsame Giebelwand voneinander getrennt waren. Nach Erwerb Ihres Grundstücks ließen die Beklagten ihre Doppelhaushälfte im Sommer 2011 durch einen Bauunternehmer abreißen und neu errichten. Im Zuge der Baumaßnahme wurde die gemeinsame Grenzwand freigelegt und war Witterungseinflüssen, u.a. Schlagregen, ausgesetzt.
Infolge eindringender Feuchtigkeit kam es - so festgestellt von einem Sachverständigen im Rahmen eines selbständigen Beweisverfahrens - zur Schimmelbildung im Haus des Klägers, der seinen hierdurch erlittenen Schaden auf insgesamt ca. 10.500 Euro beziffert und von den Beklagten ersetzt verlangt. Die Beklagten haben den Kläger an den beauftragten Bauunternehmer verwiesen, von dem der Kläger aufgrund zwischenzeitlich eingetretener Insolvenz allerdings keinen Schadensersatz erlangen konnte.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und dabei unter anderem angenommen, dass auf das nachbarschaftliche Gemeinschaftsverhältnis der Parteien die Vorschriften des Schuldrechts nicht anzuwenden seien, so dass die Beklagten für ein Verschulden des Bauunternehmers nicht einzustehen hätten. Nach deliktsrechtlichen Vorschriften hafteten sie ebenfalls nicht, weil sie selbst nicht schuldhaft gehandelt hätten und der Bauunternehmer nicht ihr Verrichtungsgehilfe gewesen sei.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Die gegen das erstinstanzliche Urteil eingelegte Berufung des Klägers war erfolgreich. Das OLG Hamm hat dem Kläger den geltend gemachten Schadensersatzanspruch zugesprochen.
Anders als das Landgericht hat der Senat entschieden, dass die Beklagten für die vom Bauunternehmer pflichtwidrig unterlassenen Abdichtungsmaßnahmen einzustehen haben. Das folge aus den im vorliegenden Fall anzuwendenden schuldrechtlichen Vorschriften einer Erfüllungsgehilfenhaftung.
Zwar fehle im Verhältnis von Grundstücksnachbarn regelmäßig das für ein gesetzliches Schuldverhältnis typische Geflecht wechselseitiger Duldungs-, Mitwirkungs- und Leistungspflichten. Die zwischen Grundstücksnachbarn geltenden nachbarrechtlichen Vorschriften konkretisierten im Wesentlichen die Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme. Sie seien aber grundsätzlich keine Grundlage für die ein Schuldverhältnis kennzeichnenden Rechte und Pflichten.
Anders liege der Fall aber dann, so der Senat, wenn sich eine Pflichtverletzung auf eine gemeinschaftliche Grenzeinrichtung beziehe. Eine solche Grenzeinrichtung stelle im vorliegenden Fall die gemeinsame Giebelwand dar. Sie sei dazu bestimmt, von jedem der beiden Nachbarn in Richtung auf sein eigenes Grundstück benutzt zu werden.
Das durch sie zwischen den Nachbarn begründete Rechtsverhältnis sei gesetzlich besonders geregelt. Eine derartige Wand steht je zur Hälfte im Miteigentum der beiden Nachbarn. Deswegen liege jedenfalls in Bezug auf die gemeinschaftliche Grenzeinrichtung ein gesetzliches Schuldverhältnis zwischen den Nachbarn vor, auf welches die schuldrechtlichen Vorschriften der Erfüllungsgehilfenhaftung anzuwenden seien.
Daraus folge, dass ein Geschädigter auch von seinem Grundstücksnachbar wegen eines schuldhaften Verhaltens des vom Nachbarn beauftragten Unternehmers Schadensersatz verlangen könne. Das Verhalten des Unternehmers sei dem Grundstücksnachbar zuzurechnen. Der Nachbar könne den Geschädigten nicht auf die Schadloshaltung bei der Hilfsperson verweisen. Der den Bauunternehmer beauftragende Grundstücksnachbar und nicht der Geschädigte trage deswegen ein Insolvenzrisiko des Bauunternehmers.
Der Senat habe die Revision zum BGH zugelassen. Die Frage, ob die schuldrechtlichen Vorschriften auf nachbarliche Beziehungen in Bezug auf eine gemeinschaftliche Grenzeinrichtung anzuwenden seien, sei höchstrichterlich noch nicht geklärt und habe grundsätzliche Bedeutung.
OLG Hamm, Urt. v. 03.07.2017 - 5 U 104/16
Quelle: OLG Hamm, Pressemitteilung v. 12.10.2017