Ein Grundstückseigentümer kann sich mit einer Baulast gegenüber der Baubehörde verpflichten, das Grundstück als Zuwegung für Nachbargrundstücke zur Verfügung zu stellen. Auch wenn sich daraus kein unmittelbares zivilrechtliches Nutzungsrecht ergibt, kann ein Unterlassungsanspruch des Eigentümers des Wegegrundstücks rechtsmissbräuchlich sein. Das hat das OLG Hamm entschieden.
Darum geht es
Die Parteien sind Eigentümer benachbarter Wohnungseigentumsanlagen in Haltern am See. Im hinteren Teil des Grundstücks der Beklagten sind Stellplätze angelegt, die über einen Weg angefahren werden, der im Eigentum der Kläger steht. Voreigentümer der Kläger hatten gegenüber der Stadt Haltern eine Baulast begründet, nach welcher sie das Wegegrundstück als Zufahrt für das Nachbargrundstück zur Verfügung zu stellen hatten.
Ein zwischen den Parteien des Rechtsstreits zivilrechtlich begründetes Wegerecht existiert nicht. Nachdem es zu Streitigkeiten zwischen den Klägern und einem der Beklagten mit tätlichen Auseinandersetzungen gekommen war, untersagten die Kläger allen Beklagten die Nutzung der Wegeparzelle. Im Wege der zivilrechtlichen Klage haben sie sodann von allen Beklagten verlangt, es zu unterlassen, das Wegegrundstück zum Gehen oder Fahren zu nutzen.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Die Klage ist im Wesentlichen erfolglos geblieben. Das OLG Hamm hat lediglich dem Beklagten, mit dem es die tätlichen Auseinandersetzungen gab, zur Unterlassung der infrage stehenden Grundstücksnutzung verurteilt.
Nach der Entscheidung des Senats sind die übrigen Beklagten berechtigt, das Wegegrundstück weiterhin zu benutzen, um zu den Stellplätzen ihrer Wohnungseigentumsanlage zu gelangen.
Die Kläger seien verpflichtet, das Gehen und Fahren der übrigen Beklagten über ihr Wegegrundstück zu dulden. Zwar begründe die von den Rechtsvorgängern der Kläger übernommene Baulast eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung gegenüber der Bauaufsichtsbehörde der Stadt Haltern. Sie beinhalte grundsätzlich kein zivilrechtliches Nutzungsrecht des Eigentümers des begünstigten Grundstücks.
Dieser könne allerdings einem zivilrechtlichen Unterlassungsanspruch des Eigentümers des Wegegrundstücks den Einwand rechtsmissbräuchlichen Verhaltens entgegenhalten. Wenn sich jemand gegenüber der Baubehörde verpflichte, seinem Nachbarn ein Nutzungsrecht zu gewähren, liege es nahe, dass er auch zivilrechtlich keine Handlungen vornehmen dürfe, die den Nachbarn an der Ausübung gerade dieses Rechts hindere. Dies gelte jedenfalls, solange es keine Anhaltspunkte dafür gebe, dass die Baubehörde die Baulast nicht durchsetzen oder auf sie verzichten werde.
Die Baulast habe im vorliegenden Fall sicherstellen sollen, dass die Beklagten die rückwärtigen Stellplätze ihrer Wohnungseigentumsanlage erreichen und so die bauordnungsrechtlich erforderliche Anzahl von Stellplätzen vorhalten könnten. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass die Baubehörde diese Baulast nicht durchsetzen oder auf sie verzichten wolle.
Bei dieser Sachlage verletzen die Kläger mit ihrem Unterlassungsbegehren nicht nur ihre Verpflichtung aus der Baulast gegenüber der Behörde, sondern hinderten zugleich die Beklagten an der Ausübung ihrer der Baulast entsprechenden Wegerechte. Das sei in Bezug auf die Beklagten, die mit den Klägern keine Auseinandersetzung geführt hätten, treuwidrig.
Auf dieses treuwidrige Verhalten der Kläger könne sich allerdings der Beklagte, mit dem sich die Kläger tätlich auseinandergesetzt hätten, aufgrund seines eigenen treuwidrigen Verhaltens nicht berufen. Ihm gegenüber sei daher das Unterlassungsbegehren der Kläger begründet.
OLG Hamm, Urt. v. 06.07.2017 - 5 U 152/16
Quelle: OLG Hamm, Pressemitteilung v. 15.08.2017