Auch ein ironisiert übertrieben positives Arbeitszeugnis kann unzulässig sein – insbesondere dann, wenn vereinbart wurde, dass vom Entwurf des Mitarbeiters nur ausnahmsweise abgewichen werden soll. Hat der Arbeitgeber die Formulierungshoheit durch einen gerichtlichen Vergleich auf den Arbeitnehmer übertragen, ist der Zeugnisanspruch vollstreckbar. Das hat das LAG Hamm entschieden.
Sachverhalt
Im Rahmen einer gerichtlichen Auseinandersetzung haben die Arbeitsvertragsparteien einen gerichtlichen Vergleich geschlossen, der hinsichtlich des Arbeitszeugnisses folgende Regelung enthält: „Die Beklagte erteilt dem Kläger ein wohlwollendes, qualifiziertes Arbeitszeugnis. Dem Kläger bleibt nachgelassen, der Beklagten einen Zeugnisentwurf vorzulegen. Diese darf hiervon nur aus wichtigem Grund abweichen.“
Der Arbeitgeber erteilte ein Zeugnis, das von dem übermittelten Entwurf u.a. wie folgt abwich:
Entwurf des Gläubigers | Zeugnis der Schuldnerin |
seiner sehr guten Auffassungsgabe | seiner extrem guten Auffassungsgabe |
Aufgaben mit beispielhaftem Engagement | Aufgaben mit äußerst beispielhaftem Engagement |
auf ausgeprägte wirtschaftliche Kenntnisse | auf sehr ausgeprägte wirtschaftliche Kenntnisse |
seine sehr gut entwickelte Fähigkeit | seine extrem gut entwickelte Fähigkeit |
haben sich erfreulich entwickelt | haben sich äußerst erfreulich entwickelt |
Herr F stets ein kompetenter | Herr F zu jeder Zeit ein äußerst kompetenter |
bei wechselnden Anforderungen immer ausgezeichnet | bei wechselnden Anforderungen immer hervorragend |
Wir bewerten ihn mit „sehr gut“. | Wenn es bessere Note als „sehr gut“ geben würde, würden wir ihn damit beurteilen. |
Wegen seines freundlichen | Wegen seines extrem freundlichen |
für die stets sehr gute Zusammenarbeit | für die stets hervorragende Zusammenarbeit |
Herr F verlässt unser Unternehmen zum 31.07.2015 auf eigenen Wunsch, was wir sehr bedauern. | Herr F verlässt unser Unternehmen zum 31.07.2015 auf eigenen Wunsch, was wir zur Kenntnis nehmen. |
Daraufhin beantragt der Arbeitnehmer beim ArbG die Festsetzung eines Zwangsgeldes, weil er der Auffassung war, der Arbeitgeber habe seiner Pflicht zur Erstellung eines Zeugnisses nicht genügt.
Das ArbG Hamm hat mit Beschluss vom 04.08.2016 (3 Ca 1338/15) ein Zwangsgeld i.H.v.1.000 € festgesetzt, das im Falle der Uneinbringlichkeit für je 250 € durch einen Tag Zwangshaft an dem Geschäftsführer zu vollstrecken ist. Gegen den Beschluss hat der Arbeitgeber am 15.08.2016 sofortige Beschwerde eingelegt. Das LAG Hamm hat die sofortige Beschwerde mit Beschluss vom 14.11.2016 (1 Ta 475/16) zurückgewiesen.
Wesentliche Aussagen der Entscheidung
Der Arbeitgeber ist seiner Verpflichtung zur Zeugniserteilung aus dem Vergleich nicht nachgekommen, sodass das ArbG zu Recht ein Zwangsgeld und ersatzweise Zwangshaft gem. § 888 ZPO festgesetzt hat. Gemäß § 109 GewO hat der Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses einen Anspruch auf ein klar und verständlich formuliertes schriftliches Zeugnis, das sich nach seinem Verlangen auf Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis erstreckt.
Grundsätzlich ist es Sache des Arbeitgebers, das Zeugnis zu formulieren. Mit dem Vorbehalt der Abweichung nur aus wichtigem Grund haben die Parteien zulässigerweise den Spielraum des Arbeitgebers eingeschränkt und die Formulierungshoheit dem Arbeitnehmer übertragen. Ihre Grenze findet die Formulierungshoheit des Arbeitnehmers im Grundsatz der Zeugniswahrheit. Der Arbeitgeber kann auch im Wege der Zwangsvollstreckung nicht angehalten werden, ein Zeugnis zu erteilen, das gegen die Zeugniswahrheit verstößt.
Allerdings sind die Arbeitsgerichte berufen, im Rahmen der Zwangsvollstreckung zu klären, ob das erteilte Zeugnis dem eingereichten Entwurf entspricht. Deswegen kann der Arbeitgeber im Zwangsvollstreckungsverfahren nach § 888 ZPO angehalten werden, ein Zeugnis zu erteilen, das dem Entwurf des ehemaligen Mitarbeiters entspricht.
Der Arbeitgeber hat die titulierte Verpflichtung zur Zeugniserteilung nicht erfüllt. Bis auf die „Bedauernsformel“ befassen sich die Änderungen und Abweichungen vom Entwurf des Arbeitnehmers mit Wertungen, nicht aber mit Tatsachen. Es handelt sich um Formulierungen, die den Zweck haben, eine andere als aus dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den ehemaligen Mitarbeiter zu treffen (vgl. § 109 Abs. 2 S. 2 GewO). Durch die abschließende Leistungsbeurteilung wird der ironisierende Charakter des Gesamtzeugnisses deutlich. Dem Arbeitgeber ist es auch nicht gelungen, einen „wichtigen Grund“ darzulegen.
Folgerungen aus der Entscheidung
Hat der Arbeitgeber die Formulierungshoheit im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs auf den Arbeitnehmer übertragen, ist der Zeugnisanspruch grundsätzlich vollstreckbar. Gerichtlich überprüft wird nur die Frage, ob das erteilte Zeugnis dem eingereichten Entwurf entspricht. Etwas anderes gilt nach Auffassung des LAG Hamm nur dann, wenn streitig ist, ob das begehrte Zeugnis dem Grundsatz der Zeugniswahrheit entspricht. Diese Frage kann im Vollstreckungsverfahren nicht geklärt werden. Die Vollstreckbarkeit eines solchen gerichtlichen Vergleichs hängt also vom Vortrag des Schuldners ab.
Praxishinweis
Wenn der Arbeitgeber sich durch den Grundsatz der Zeugniswahrheit gehindert sieht, von einem Zeugnisentwurf des Arbeitnehmers abzuweichen, muss er sich die Mühe machen, dazu Tatsachen vorzutragen. Gelingt ihm ein nachvollziehbarer Vortrag, ist der Zwangsgeldantrag zurückzuweisen. Im Vollstreckungsverfahren kann nicht geklärt werden, ob das begehrte Zeugnis dem Grundsatz der Zeugniswahrheit entspricht (BAG, Beschl. v. 09.09.2011 - 3 AZB 35/11). Der Arbeitnehmer wird dann sowohl mit den Kosten des Zwangsvollstreckungsverfahrens als auch mit den erstinstanzlichen Kosten des dann notwendigen neuen Erkenntnisverfahrens belastet, mit dem das erteilte Zeugnis berichtigt werden soll.
LAG Hamm, Beschl. v. 14.11.2016 - 1 Ta 475/16
Quelle: Rechtsanwalt und FA für Arbeitsrecht Dr. Martin Kolmhuber