Der sich bei unwirksamer Kündigung des Arbeitsverhältnisses ergebende Anspruch auf eine Annahmeverzugsvergütung kann im Insolvenzfall ggf. eine Neumasseverbindlichkeit darstellen. Das hat das BAG im Fall der Kündigung durch einen Insolvenzverwalter in einer masseunzulänglichen Insolvenz entschieden. Gerade dann kann es daher ratsam sein, gegen eine Kündigung gerichtlich vorzugehen.
Sachverhalt
Es ging in diesem Fall um eine bundesweite Drogeriekette, die Insolvenz angemeldet hatte. Das Insolvenzverfahren wurde eröffnet und ein Insolvenzverwalter bestellt. Dieser zeigte am 31.08.2012 eine drohende Masseunzulänglichkeit an. Bereits vorher war das Arbeitsverhältnis mit einer Arbeitnehmerin der Drogeriekette zweimal durch den Insolvenzverwalter gekündigt worden.
Diese Kündigungen wurden jedoch durch die Arbeitsgerichte für unwirksam erklärt. Nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit hätte das Arbeitsverhältnis frühestens zum 31.12.2012 gekündigt werden können. Tatsächlich endete das Arbeitsverhältnis erst nach einer weiteren Kündigung aus dem Folgejahr durch einen arbeitsgerichtlichen Vergleich.
Nun verlangte die Arbeitnehmerin die Zahlung von Annahmeverzugslohn für die Zeit vom 01.01. bis 31.08. des Folgejahres. Sie war der Auffassung, dass der Insolvenzverwalter verpflichtet gewesen sei, das Arbeitsverhältnis nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit durch eine weitere Kündigung zum Jahresende zu beenden. Weil eine solche Kündigung nicht ausgesprochen worden war, seien die Entgeltansprüche nun Neumasseverbindlichkeiten. Damit wäre die Forderung wesentlich werthaltiger.
Wesentliche Aussagen der Entscheidung
Der § 209 Abs. 2 Nr. 2 der InsO legt den Termin fest, bis zu dem der Insolvenzverwalter das Arbeitsverhältnis spätestens beendet haben muss, um Neumasseverbindlichkeiten zu vermeiden. Dafür ist aber nicht zwingend erforderlich, dass er nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit kündigt. Er kann auch an einer bereits zuvor erklärten Kündigung festhalten, die das Arbeitsverhältnis im Falle ihrer Wirksamkeit spätestens zu dem von § 209 Abs. 2 Nr. 2 InsO vorgegebenen Termin beendet.
Der Insolvenzverwalter trägt dann jedoch das Risiko, dass sich diese Kündigung als unwirksam erweist und folglich Neumasseverbindlichkeiten begründet werden. Und das Gleiche gilt nach dem BAG auch, wenn der Insolvenzverwalter erstmals nach der Anzeige rechtzeitig kündigt und diese Kündigung unwirksam ist.
Folgerungen aus der Entscheidung
Die Arbeitnehmerin hat also Ansprüche aus Verzugslohn, da der Arbeitgeber bzw. der Insolvenzverwalter die Arbeitsleistung nicht angenommen hat. Und diese Ansprüche sind tatsächlich Neumasseverbindlichkeiten.
Praxishinweis
Betroffenen Arbeitnehmern ist zu raten, auch und gerade bei einer Insolvenz ihres Ar-beitgebers gegen jede Kündigung des Arbeitgebers oder des Insolvenzverwalters ge-richtlich vorzugehen und eine Kündigungsschutzklage einzureichen.
Letztendlich muss der Insolvenzverwalter entscheiden, wann er Kündigungen im Zusammenhang mit der Anzeige der Masseunzulänglichkeit erklärt. Entscheidend ist, dass er mit einer dieser Kündigungen das Arbeitsverhältnis zum ersten Termin been-det, zu dem er es nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit kündigen kann.
Die Masseunzulänglichkeit muss der Insolvenzverwalter anzeigen. Sind zwar die Verfahrenskosten gedeckt, die Masse aber zur Begleichung der gesamten Masseverbindlichkeiten unzureichend, liegt eine Masseunzulänglichkeit vor.
Es handelt sich dann quasi um eine neue Insolvenz nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Dann werden auch die Massegläubiger nur quotenmäßig befriedigt. Und das geht dann in dieser Reihenfolge:
- Verfahrenskosten,
- Neumasseverbindlichkeiten – also Forderungen, die Nachanzeige der Masseunzulänglichkeit begründet wurden –,
- Altmasseverbindlichkeiten.
Die Verfahrenseinstellung mangels Masse kommt dann vor, wenn nicht einmal die Verfahrenskosten gedeckt sind. Für den Insolvenzverwalter kann eine verspätete Anzeige der Masseunzulänglichkeit zu Haftungsansprüchen der Massegläubiger führen. Deren Forderungen vor der Einstellung des Insolvenzverfahrens konnten ja nicht mehr befriedigt werden.
Der Insolvenzverwalter ist nur dann von der persönlichen Haftung befreit, wenn er bei Begründung einer Masseverbindlichkeit nicht erkennen konnte, dass die Masse voraussichtlich nicht ausreichen würde. Die Haftung des Insolvenzverwalters vor Eröffnung eines Insolvenzverfahrens unterscheidet sich wie folgt:
- Ein „schwacher“ vorläufiger Verwalter nach § 22 Abs. 2 S. 2 InsO haftet nur bei Verstoß gegen die ihm vom Insolvenzgericht übertragenen Pflichten.
- Der „starke“ Verwalter haftet voll nach § 22 Abs. 1 InsO. Er hat schließlich Masseverbindlichkeiten begründet.
BAG, Urt. v. 22.02.2018 – 6 AZR 868/16
Quelle: Rechtsanwalt und FA für Arbeitsrecht Arno Schrader