Führt eine Stichtagsklausel für eine Weihnachtsgratifikation zu einer längeren Bindungsdauer als die im selben Arbeitsvertrag enthaltene Rückzahlungsklausel, sind die Regelungen insgesamt intransparent und damit unwirksam. Das hat das LAG Düsseldorf entschieden. Wenn Arbeitgeber solche Klauseln und Freiwilligkeitsvorbehalte bei Sonderzahlungen vereinbaren, ist Vorsicht geboten.
Sachverhalt
Ein Arbeitnehmer hatte seinen Arbeitgeber auf Zahlung von Weihnachtsgeld verklagt. Der Anspruch ergab sich aus seinem Arbeitsvertrag. Vertraglich war Folgendes geregelt:
„3. Weihnachtsgratifikation
Die Firma zahlt mit der Novembervergütung eine Weihnachtsgratifikation ... Der Mitarbeiter erkennt an, daß die Gratifikation freiwillig gezahlt wird und hierauf auch nach wiederholter Zahlung ein Rechtsanspruch nicht erwächst. Der Anspruch auf Gratifikation ist ausgeschlossen, wenn das Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt der Auszahlung oder bis zum 31.12. von einer der Vertragsparteien gekündigt wird oder infolge eines Aufhebungsvertrages endet.
Der Mitarbeiter ist verpflichtet, die Gratifikation zurückzuzahlen, wenn er aufgrund eigener Kündigung oder aufgrund verhaltensbedingter, außerordentlicher Kündigung der Firma aus einem von ihm zu vertretenden Grund bis zum 31.03. auf die Auszahlung folgenden Geschäftsjahres ausscheidet. Die Rückzahlungsverpflichtung gilt entsprechend, wenn das Anstellungsverhältnis innerhalb des vorgenannten Zeitraums durch Aufhebungsvereinbarung beendet wird und Anlass des Aufhebungsvertrages ein Recht zur außerordentlichen oder verhaltensbedingten Kündigung der Firma oder ein Aufhebungsbegehren des Mitarbeiters ist…“
Weiterhin hatten die Parteien im Arbeitsvertrag eine beiderseitige Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Quartalsende vereinbart. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund einer Eigenkündigung des Arbeitnehmers vom 24.06.2014 fristgemäß mit dem 31.12.2016.
Unstreitig hätte die Weihnachtsgratifikation 5.625 € brutto betragen, wenn das Arbeitsverhältnis fortgeführt worden wäre. Stattdessen erhielt der Arbeitnehmer den Betrag nicht und musste ihn einklagen.
Wesentliche Aussagen der Entscheidung
Das LAG Düsseldorf entschied, dass dem Arbeitnehmer das Weihnachtsgeld zustand und die betreffenden Klauseln im Arbeitsvertrag unwirksam waren. Der Anspruch ergab sich aus dem Arbeitsvertrag und war trotz der Stichtags- und Rückzahlungsklausel zu zahlen.
Der Freiwilligkeitsvorbehalt stand im Widerspruch zu der vereinbarten Zahlungsverpflichtung und war zudem wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot aus § 307 Abs. 1 BGB unwirksam.
Die Stichtagsregelung aus dem Arbeitsvertrag war wegen ihrer unklaren Formulierung i.S.d. § 307 Abs. 1 BGB unwirksam. Sie bewirkt eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers entgegen den Geboten von Treu und Glauben.
Die Regelung war sprachlich so unklar, dass sie in keiner Hinsicht einer sinnvollen Auslegung zugänglich war. Der Anspruch auf die Gratifikation sollte ausgeschlossen sein, wenn das Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt der Auszahlung gekündigt wird. Soll dieses nun bedeuten, dass der Anspruch ausgeschlossen sein soll, wenn die Kündigung mit Beendigungswirkung zum Zeitpunkt der Auszahlung ausgesprochen worden ist, oder wenn zum Zeitpunkt der Auszahlung eine in die Zukunft gerichtete Kündigung ausgesprochen worden ist?
Beide Regelungen ergeben im Ergebnis keinen Sinn, einer Auslegung sind sie nicht zugänglich. Der Arbeitnehmer konnte nicht erkennen, welchen Inhalt die Stichtagsregelung haben sollte.
Aber auch abgesehen von der Stichtagsregelung war die Bindungsdauer des Arbeitnehmers zu weit gefasst und die Stichtagsregelung war auch deshalb unwirksam. Nach ständiger Rechtsprechung des BAG darf eine am Jahresende gezahlte Zuwendung, die über 100 €, aber unter einem Monatsbezug liegt, den Arbeitnehmer maximal bis zum 31.03. des Folgejahres binden. Eine höhere Gratifikation kann eine Bindung bis maximal zum 30.06. rechtfertigen.
Würde nun die erste Kündigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer im Dezember bestehen, wäre die Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Quartal aus dem Arbeitsvertrag einzuhalten und damit eine Kündigung frühestens zum 30.06. des Folgejahres möglich. Legt man die Klausel so aus, dass auch zum 31.12. noch ein ungekündigtes Arbeitsfeldes bestehen muss, um den Gratifikationsanspruch zu behalten, wäre eine Kündigung sogar erst noch später möglich. Das beschränke den Arbeitnehmer jedoch in seiner Berufsausübungsfreiheit aus Art. 12 Grundgesetz.
Aber auch die Rückzahlungsklausel des Arbeitsvertrags war unwirksam, da die Kombination von Stichtagsregelung und Rückzahlungsklausel gegen das Transparenzgebot verstieß. In ihrer Kombination enthalten beide Regelungen eine unzulässige Bindung des Arbeitnehmers. Die Rückzahlungsklausel beinhaltet eine Bindung bis zum 31.3. des Folgejahres, die Stichtagsklausel demgegenüber eine Bindung bis zum 30.06. bzw. sogar bis zum 30.09. des Folgejahres.
Es besteht also die Gefahr, dass ein Arbeitnehmer sein Recht zum Ausspruch einer Kündigung aufgrund der Stichtagsklausel nicht ausübt, weil aufgrund der Widersprüchlichkeit der beiden Klauseln nicht klar ist, ob, wann und zu wann eine Kündigung ausgesprochen werden kann, ohne den Anspruch auf die Gratifikation zu verlieren.
Folgerungen aus der Entscheidung
Bei der Abfassung von Freiwilligkeitsvorbehalten, Stichtagsregelungen und Rückzahlungsklausel bei Sonderzahlungen ist höchste Vorsicht geboten. Selbst wenn die Klauseln für sich gesehen wirksam sein sollten, kann eine Kombination der Vertragsbedingungen dazu führen, dass sie insgesamt unwirksam werden.
Praxishinweis
In diesem Fall war die vertragliche Regelung in Bezug auf die Rückzahlungsklausel sicherlich sorgsam recherchiert und verfasst worden. Es bleibt die Erkenntnis, dass auch die individuelle Kündigungsfrist des Arbeitnehmers mit in die Kombination aus Freiwilligkeitsvorbehalt, Stichtagsregelung und Rückzahlungsklausel einzubeziehen ist.
LAG Düsseldorf, Urt. v. 15.02.2017 - 7 Sa 397/16
Quelle: Rechtsanwalt und FA für Arbeitsrecht Arno Schrader