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Arbeitsrecht, Sozialrecht -

Sachgrundlose Befristung: Ist das Vorbeschäftigungsverbot zeitlich beschränkt?

Das LAG Mecklenburg-Vorpommern hat entschieden, dass das Vorbeschäftigungsverbot bei einer sachgrundlosen Befristung nicht auf drei Jahre beschränkt ist. Dieser Ansicht war zuletzt  das BAG, obwohl der Wortlaut des § 14 Absatz 2 TzBfG eine solche Beschränkung nicht enthält. Arbeitgeber sollte sich aber nicht darauf verlassen, dass die BAG-Rechtsprechung hierzu dauerhaft Bestand hat.

Sachverhalt

Ein Diplom-Physiker war von September 1995 bis August 1998 als Doktorand und nach einer Unterbrechung von einem Jahr für die Dauer von viereinhalb Jahren bis zum Februar 2004 als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei seinem Arbeitgeber beschäftigt. Nach einer zehnjährigen Unterbrechung schlossen die Parteien am 03./14.07.2014 einen befristeten Arbeitsvertrag für den Zeitraum vom 21.07.2014 bis zum 20.07.2016.

Der Arbeitgeber entschied sich für eine sachgrundlose Befristung, da die maximale Befristungsdauer nach dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz von zwölf Jahren aufgrund der anzurechnenden Beschäftigungszeiten in etwa ausgeschöpft war.

Der Physiker hat die Befristung gerichtlich angegriffen und beantragt festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Befristungsabrede mit Ablauf des 20.07.2016 geendet hat. Das ArbG Stralsund hat der Klage mit Urteil vom 30.11.2016 ( 3 Ca 276/16) stattgegeben. Das LAG Mecklenburg-Vorpommern hat die dagegen gerichtete Berufung mit Urteil vom 17.10.2017 (5 Sa 256/16) zurückgewiesen.

Wesentliche Aussagen der Entscheidung

Die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrags ohne sachlichen Grund ist bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig – es sei denn, mit demselben Arbeitgeber hat bereits zuvor ein Arbeitsverhältnis bestanden. Die Auslegung ergibt, dass dieses Vorbeschäftigungsverbot des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG zeitlich nicht begrenzt ist.

Der Wortlaut enthält keine zeitliche Begrenzung. Der Begriff „zuvor“ erfasst sprachlich alles, was zeitlich vorher gewesen ist. Um den davor liegenden Zeitraum zu beschränken, ist ein entsprechender Zusatz erforderlich, der die Zeitspanne begrenzt. Die Gesetzesgeschichte spricht dafür, dass das Vorbeschäftigungsverbot zeitlich unbeschränkt zu verstehen ist.

Sinn und Zweck der Regelung gebieten nicht, die Vorschrift in zeitlicher Hinsicht einzuschränken. Die §§ 14 ff. TzBfG beruhen auf der RL 1999/70/EG. Die unionsrechtlichen Vorschriften wie auch das TzBfG gehen davon aus, dass der Normalfall einer Beschäftigung das unbefristete Arbeitsverhältnis ist.

Der Gesetzgeber hat im Interesse der sachgrundlos befristet Beschäftigten und aus arbeitsmarktpolitischen Gründen bewusst auf eine Differenzierung des Vorbeschäftigungsverbots nach der Art des vorherigen Arbeitsverhältnisses, dessen Dauer, der Dauer der Unterbrechung usw. verzichtet.

Das Berufungsgericht ist nicht aus Gründen des Vertrauensschutzes an die (geänderte) Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gebunden. Die Voraussetzungen für den Vertrauensschutz in eine gefestigte und langjährige Rechtsprechung liegen nicht vor. Einige Landesarbeitsgerichte sind der neueren Rechtsprechung des BAG gefolgt, andere haben sich ihr ausdrücklich entgegengestellt. Die Revision ist nach § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG zuzulassen.

Folgerungen aus der Entscheidung

Das BAG hat der Praxis deutlich gemacht, wie beliebig die Auslegung des Gesetzes ist. Ein und dieselbe Vorschrift wird innerhalb von zwei Jahren mit unterschiedlichem Ergebnis ausgelegt (BAG, Beschl. v. 29.07.2009 – 7 AZN 368/09 einerseits, BAG, Urt. v. 21.09.2011 – 7 AZR 375/10 andererseits). Das Einzige, was sich geändert hatte, waren die personelle Zusammensetzung und der Vorsitz des Spruchkörpers.

In der neuen Zusammensetzung erkennt der 7. Senat zwar ausdrücklich an, dass die Gesetzesgeschichte für ein zeitlich unbeschränktes Vorbeschäftigungsverbot spricht (vgl. BAG, Urt. v. 06.04.2011 – 7 AZR 716/09), geriert sich aber mit fragwürdiger verfassungsrechtlicher Argumentation als Korrekturgesetzgeber.

Mit dem LAG Mecklenburg-Vorpommern widerspricht ein weiteres LAG diesem Gebaren des BAG. Es ist zu begrüßen, dass vor dem BVerfG  (1 BvL 7/14) ein Normenkontrollverfahren nach Art. 100 GG (vgl. ArbG Braunschweig, Beschl. v. 03.04.2014 – 5 Ca 463/13) anhängig ist. Gegenstand des Verfahrens ist die Frage zum einen, ob das Vorbeschäftigungsverbot des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG mit Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 12 GG vereinbar ist, und zum anderen ob die einschränkende Auslegung des Vorbeschäftigungsverbots mit einer Beschränkung seiner zeitlichen Geltung auf die Dauer von drei Jahren die Grenze der richterlichen Rechtsfortbildung überschreitet.

Mit demselben Gegenstand ist außerdem eine Verfassungsbeschwerde (1 BvR 1375/14) anhängig. Das BVerfG hat die Gelegenheit, dem Willen des Gesetzgebers Geltung zu verschaffen. Es ist zu hoffen, dass es diese auch nutzt und dem BAG deutlich macht, dass nach Art. 20 Abs. 3 GG auch die Arbeitsgerichte an Recht und Gesetz gebunden sind und es nicht nach eigenen sozial- oder arbeitsmarktpolitischen Vorstellungen gestalten dürfen.

Praxishinweis

Die zeitliche Beschränkung des Vorbeschäftigungsverbots ist auf sandigem Grund gebaut. Die Praxis kann nicht darauf vertrauen, dass dieser dauerhaft ist. Die Berufung auf Vertrauensschutz in höchstrichterliche Rechtsprechung scheidet mangels gefestigter und langjähriger Rechtsprechung zu dieser Rechtsfrage aus. Sachgrundlose Befristungen, die gegen das zeitlich nicht beschränkte Vorbeschäftigungsverbot verstoßen, sollten deshalb konsequent gerichtlich angegriffen werden.

Es ist nicht damit zu rechnen, dass das BAG bereits anhängige und zukünftige Revisionen vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts verhandelt. Diese Entscheidung hatte das BVerfG ausweislich seiner Jahresvorschau bereits für das Jahr 2017 angestrebt. Jede weitere Verzögerung steigert das Risiko des Arbeitgebers u.a. unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs.

LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. 17.10.2017 - 5 Sa 256/16

Quelle: Rechtsanwalt und FA für Arbeitsrecht Dr. Martin Kolmhuber