Ein Sonderkündigungsschutz für langjährige Mitarbeiter kann in einer Betriebsvereinbarung unwirksam sein. Und einer Kündigung aus dringenden betrieblichen Gründen steht nicht per se entgegen, dass ein Arbeitgeber nach einem Tarifvertrag vor dem Einsatz externer Dienstleister prüfen muss, ob die Leistung nicht intern erbracht werden kann. Das hat das BAG entschieden.
Sachverhalt
Es ging in dem Fall um die Frage der Wirksamkeit einer Kündigung, die die Arbeitgeberin, eine Bank, ausgesprochen hatte. Da das KSchG Anwendung fand, benötigte die Arbeitgeberin einen Kündigungsgrund. Die Arbeitgeberin hatte die unternehmerische Entscheidung getroffen, sog. „Innere Dienste“ an einen externen Dienstleister zu vergeben. Dieser Entschluss sollte zum Wegfall des Arbeitsplatzes des Arbeitnehmers und damit zu einer Kündigung führen.
Drei Hindernisse standen der Kündigung des seit ca. 25 Jahren beschäftigten Arbeitnehmers entgegen:
- Es gab eine Betriebsvereinbarung mit folgendem Inhalt: „Mitarbeiter/-innen, die mehr als 20 Jahre ununterbrochen in der Bank tätig gewesen sind, können nur aus einem in ihrer Person liegenden wichtigen Grund gekündigt werden.“
- Der Manteltarifvertrag lautet an der entscheidenden Stelle: „Arbeitnehmer, die das 55. Lebensjahr vollendet haben und dem Betrieb mindestens 15 Jahre angehören, sind nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes und bei Betriebsänderungen im Sinne des § 111 BetrVG kündbar.“
- Nach einem Tarifvertrag zur Restrukturierung und Beschäftigungssicherung hatte die Arbeitgeberin vor jeder Entscheidung über den Einsatz externer Dienstleister zu prüfen, ob entsprechende Leistungen nicht intern erbracht werden können.
Der Arbeitnehmer wehrte sich gegen die Kündigung und legte Kündigungsschutzklage ein.
Wesentliche Aussagen der Entscheidung
Die Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers wurde abgewiesen. Die Kündigung war nach § 1 Abs. 2, Abs. 3 KSchG aus dringenden betrieblichen Gründen sozial gerechtfertigt. Mit den drei o.g. Hindernissen beschäftigte sich das BAG umfangreich und kam zu folgenden Ergebnissen:
Der Sonderkündigungsschutz aus der Betriebsvereinbarung war unwirksam. Er verstieß gegen die Regelungssperre aus § 70 Abs. 1 S. 2 LPVG NRW bzw. § 77 Abs. 3 S. 1 BetrVG. In § 77 Abs. 3 BetrVG heißt es wörtlich: „Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, können nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein.“ Daher durften Betriebsrat und Arbeitgeber einen entsprechenden Sonderkündigungsschutz für ältere Arbeitnehmer gar nicht durch eine Betriebsvereinbarung schaffen.
Die Kündigung war im Zuge einer Betriebsänderung gem. § 111 BetrVG erklärt worden. Daher wurde der Arbeitnehmer nicht durch den Manteltarifvertrag schon von seinem Wortlaut her geschützt.
Die Arbeitgeberin hatte die unternehmerische Entscheidung getroffen, die „Inneren Dienste“ an einen externen Dienstleister zu vergeben. Dieser zum Wegfall des Arbeitsplatzes des Klägers führende Entschluss stellt sich weder als rechtsmissbräuchlich dar noch war der Arbeitgeberin die Fremdvergabe nach dem Tarifvertrag verwehrt.
Die tarifliche Regelung verpflichtete sie lediglich – insbesondere für die Dauer der Maßnahmen zur Einleitung und Umsetzung der Restrukturierungen – vor jeder Entscheidung zum Einsatz externer Dienstleister zu prüfen, ob die entsprechenden Leistungen nicht von internen Mitarbeitern erbracht werden konnten.
Mehr als eine Prüfpflicht sah diese Regelung nicht vor; insbesondere bezweckte sie keine Einschränkung der unternehmerischen Freiheit, Arbeiten fremd zu vergeben. Eine Verpflichtung der Arbeitgeberin zur Offenlegung der Kriterien, anhand derer die Prüfung durchgeführt worden ist, und ihrer Beweggründe für die Übertragung der Tätigkeiten auf einen externen Dienstleister sah auch der Tarifvertrag auch nicht vor.
Folgerungen aus der Entscheidung
Tariflicher und betrieblicher Sonderkündigungsschutz greift eben nicht immer ein. Jede Kündigungsschutzklage ist anders zu beurteilen und kaum ein Fall gleicht dem anderen.
Praxishinweis
Prozessvertreter, die eine Kündigung angreifen, sollten stets sämtliche Argumente zur Unwirksamkeit der Kündigung vorbringen. Dazu gehören natürlich nicht nur Sonderkündigungsschutztatbestände wie in diesem Fall, sondern vor allem auch das Bestreiten des Vorliegens der Kündigungsgründe, einer ordnungsgemäßen Betriebsratsanhörung, einer ordnungsgemäßen Sozialauswahl im Falle einer betriebsbedingten Kündigung und – sofern einschlägig – einer vollständigen Massenentlassungsanzeige.
Bis zum Ende der mündlichen Verhandlung in der ersten Instanz sind Sachvortrag und Bestreiten grundsätzlich möglich. Auch ein Nachschieben erst in der zweiten Instanz ist im Bereich der Arbeitsgerichtsbarkeit noch möglich. Über diesen Weg konnten schon häufig Erfolge in letzter Minute errungen werden.
BAG, Urt. v. 18.05.2017 - 2 AZR 384/16
Quelle: Rechtsanwalt und FA für Arbeitsrecht Arno Schrader