Das künftige Gesetz zur Bekämpfung des Missbrauchs bei der Leiharbeit betrifft sehr viele Unternehmer, weil es auch für Werkverträge umfassende Regelungen vorsieht. So sollen Schein-Werkverträge nachhaltig bekämpft werden. Daneben soll für Leiharbeitnehmer nach einer gewissen Zeit ein Anspruch auf gleiche Bezahlung im Vergleich zu Stammarbeitnehmern greifen („Equal-Pay“).
Der Inhalt des Gesetzentwurfs in groben Zügen
Leiharbeitnehmer sollen künftig nach einem neunmonatigen Einsatz in einem Kundenbetrieb einen Anspruch auf den gleichen Lohn haben wie vergleichbare Stammarbeitnehmer des Entleih-Betriebs. Dabei handelt es sich um den sogenannten „Equal-Pay-Anspruch“, also letztendlich die gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit. Abweichungen sollen durch Tarifverträge möglich sein. Hier geht es insbesondere um die Branchenzuschlagstarifverträge der Zeitarbeitsbranche. Diese sehen bei Einsätzen in bestimmten Branchen bereits jetzt in den ersten neun Monaten eine stufenweise Steigerung des Lohns vor. Leiharbeitnehmer erhalten also bereits jetzt in den ersten Einsatzmonaten mehr Geld.
Nach dem geplanten Gesetz soll die Möglichkeit geschaffen werden, vom Grundsatz der gleichen Bezahlung länger abzuweichen – wenn Branchenzuschlagstarifverträge der Zeitarbeitsbranche bestehen.
Dafür müssen jedoch zwei Voraussetzungen vorliegen:
- Die Zuschläge setzen spätestens nach sechs Wochen ein.
- Nach spätestens 15 Monaten muss ein Lohn erreicht werden, der von den Tarifvertragsparteien der Zeitarbeitsbranche als gleichwertig mit dem tarifvertraglichen Lohn der Einsatzbranche festgelegt wird.
Die Einzelheiten zur Höchstüberlassungsdauer
Nach dem neuen Gesetzentwurf soll künftig grundsätzlich eine Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten bestehen. Nach Ablauf dieses Zeitraums müssen die Leiharbeitnehmer entweder vom Einsatzbetrieb übernommen oder aus dem Entleihbetrieb abgezogen werden. Durch Tarifvertrag der einzelnen Branchen soll eine längere Überlassung erlaubt werden können. In diesem Fall sieht der Gesetzentwurf nach oben keine Grenze vor.
Neues für nicht tarifgebundene Entleiher
Unternehmen, die keinem Tarifvertrag unterliegen, jedoch die gesetzliche Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten überschreiten wollen, erhalten vom Gesetzgeber eine Option. Sie können im Rahmen der in ihrer Branche geltenden tariflichen Vorgaben die Überlassungshöchstdauer verlängern. Und das geht wiederum auf zwei Arten:
- Sie können entweder einen Tarifvertrag mit einer festgelegten Überlassungshöchstdauer 1:1 mittels Betriebsvereinbarung mit ihrem Betriebsrat vereinbaren.
- Sie nutzen eine Öffnungsklausel im Tarifvertrag für Betriebsvereinbarungen.
Voraussetzung dafür ist, dass der Tarifvertrag für die Einsatzbranche repräsentativ ist. Legt der Tarifvertrag für eine solche betriebliche Öffnungsklausel selbst keine konkrete Überlassungshöchstdauer fest, können tarifungebundene Entleiher bei Nutzung der Öffnungsklausel aber nur eine Überlassungshöchstdauer von maximal 24 Monaten vereinbaren. Legt der Tarifvertrag eine konkrete Überlassungshöchstdauer für die Öffnungsklausel fest, können auch tarifungebundene Entleiher die Öffnungsklausel in vollem Umfang nutzen, wenn sie eine Betriebsvereinbarung mit ihrem Betriebsrat abschließen.
Mehr Flexibilität gibt es also nur, wenn Schutz und Sicherheit für Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber entweder mit der Gewerkschaft oder mit seinem Betriebsrat vereinbart werden.
Letztendlich soll die Regelung dazu führen, dass vermehrt Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen abgeschlossen werden, insbesondere in den Betrieben, in denen bislang keine Tarifverträge für Leiharbeitnehmer galten.
Einsatz als Streikbrecher verboten
Besonders ärgerlich für die Gewerkschaften war es bislang, wenn streikende Arbeitnehmer durch Leiharbeiter ersetzt wurden. Damit hielten sich die Auswirkungen des Arbeitskampfes für den Arbeitgeber häufig in Grenzen. Nach dem Gesetzentwurf sollen entliehene Arbeitnehmer nun nicht mehr als Streikbrecher eingesetzt werden dürfen. Es muss sichergestellt sein, dass sie in einem von einem Arbeitskampf betroffenen Betrieb nur dort eingesetzt werden, wo keine Tätigkeiten der Streikenden übernommen werden.
Personalgestellung im öffentlichen Dienst und bei den Kirchen
Die auf Dauer angelegte Beschäftigung bei einem Dritten unter Fortsetzung des bestehenden Arbeitsverhältnisses wird im öffentlichen Dienst und bei den Kirchen als Personalgestellung bezeichnet. Solche Personalgestellungen sollen bei Aufgabenverlagerungen zum Bestandsschutz der Arbeitnehmer sowie bei Abordnungen innerhalb der öffentlichen Verwaltung möglich bleiben.
Das geht alle an: Bekämpfung von Schein-Werkverträgen
Bislang wurden viele Probleme der Arbeitnehmerüberlassung in den Bereich der Werkverträge verlagert. Solche Umgehungen der Leiharbeit waren bislang quasi ohne Risiko möglich, wenn die Werkvertragsunternehmen auch die Erlaubnis zur Leiharbeit hatten.
Nun soll diese sogenannte Vorratsverleiherlaubnis abgeschafft werden. Es soll eine Pflicht zur Offenlegung der Arbeitnehmerüberlassung geben. Arbeitgebern, die vermeintliche Werkverträge zur Umgehung arbeitsrechtlicher Schutzvorschriften eingesetzt haben, wird damit die Möglichkeit entzogen, ihr Verhalten nachträglich als Leiharbeit umzudeuten und damit zu legalisieren.
Neue Definition des Arbeitnehmer-Begriffs
Auch die Umgehung von Arbeitnehmerschutzvorschriften durch Scheinselbstständige soll eingeschränkt werden. Deshalb wird im Gesetzentwurf ein neuer § 611a BGB eingeführt, der eine Definition des Arbeitnehmerbegriffs enthält. Die Formulierung ist zwar neu, die Abgrenzung richtet sich jedoch nach den bisher bekannten Vorgaben der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu diesem Abgrenzungsproblem.
Mitbestimmung des Betriebsrats
Die Schaffung von Transparenz ist ein Schritt für bessere Kontrolle und zur Wahrnehmung der Beteiligungsrechte des Betriebsrats. Die Informationsrechte des Betriebsrats werden klargestellt und gestärkt. Anders als bislang wird für jeden mit einem Blick in das Gesetz klar, dass Betriebsräte das Recht haben, über Art und Umfang der vergebenen Aufgaben und die vertragliche Ausgestaltung der eingesetzten Werkvertragsarbeitnehmer informiert zu werden.
Die Neuregelung soll zum 1.1.2017 in Kraft treten.
Praxishinweis
Durch den neuen Equal-Pay-Anspruch werden nicht nur die Kosten, sondern insbesondere der Verwaltungsaufwand bei Arbeitgebern erheblich steigen. Arbeitnehmerüberlassungsunternehmen, die das entsprechende Gehalt nicht zahlen oder nicht richtig berechnen, werden u.U. ihre Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung verlieren. Trotzdem wird der dauerhafte Einsatz von Zeitarbeitnehmern möglich bleiben. Denn die Höchstüberlassungsdauer kann durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung aufgeweicht werden.
Ob durch diese Regelung tatsächlich Arbeitnehmer geschützt werden oder nicht einfach dann ein anderer Zeitarbeitnehmer auf demselben Arbeitsplatz eingesetzt wird, bleibt abzuwarten. Jedenfalls kann ein und derselbe Arbeitsplatz dauerhaft mit Leiharbeitnehmern besetzt werden. Auch der Abschluss von Werkverträgen wird für Unternehmen deutlich riskanter.
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze
Quelle: Rechtsanwalt und FA für Arbeitsrecht Arno Schrader