Arbeitsrecht -

Freiwilligkeitsvorbehalt für Sonderzahlungen

Seit der Einführung der AGB-Kontrolle für Arbeitsverträge zum 01.01.2002 bestand aufgrund unterschiedlicher Auffassungen in der Rechtsprechung der Instanzgerichte Unsicherheit darüber, ob in Formulararbeitsverträgen Vergütungsbestandteile unter einen Freiwilligkeitsvorbehalt gestellt werden können.

Nachdem das Bundesarbeitsgericht (BAG) zunächst den Freiwilligkeitsvorbehalt für laufendes Arbeitsentgelt abgelehnt hatte, hat es in seiner Entscheidung vom 30.07.2008 ausdrücklich den Freiwilligkeitsvorbehalt für Sonderzahlungen anerkannt.{DB:tt_content:2566:bodytext}

Nach der Entscheidung des BAG vom 30.07.2008 (10 AZR 606/07) kann der Arbeitgeber auch in Formulararbeitsverträgen Sonderzahlungen unter einen Freiwilligkeitsvorbehalt stellen und sich damit die Entscheidung vorbehalten, ob und in welcher Höhe er künftig Sonderzahlungen gewährt.

Der Sachverhalt

In dem entschiedenen Fall klagte eine Arbeitnehmerin gegen ihren Arbeitgeber auf Zahlung von Weihnachtsgeld für das Jahr 2004. Der Arbeitgeber hatte ihr zuvor in den Jahren 1992 bis 2003 Weihnachtsgeld in Höhe der jeweiligen Bruttomonatsvergütung gewährt. Der zuletzt im Jahre 2003 geänderte Formulararbeitsvertrag der Klägerin sah vor, dass diese ein Weihnachtsgeld in Höhe des Bruttomonatsgehalts erhält. Im Arbeitsvertrag war darüber hinaus geregelt, dass ein Rechtsanspruch auf diese Weihnachtsgratifikation nicht besteht und dass diese eine freiwillige, stets widerrufbare Leistung des Arbeitgebers darstellt, wenn sie gewährt wird.

Die Entscheidung

Anerkennung eines Freiwilligkeitsvorbehalts für Sonderzahlungen

Das BAG bestätigte, dass Freiwilligkeitsvorbehalte für Sonderzahlungen – anders als für das laufende Arbeitsentgelt - auch nach der am 01.01.2002 erfolgten Erstreckung der AGB-Kontrolle auf Arbeitsverträge zulässig bleiben. Der Freiwilligkeitsvorbehalt verhindert dabei, dass Arbeitnehmer nach dreimaliger Gewährung der Sonderzahlung aufgrund betrieblicher Übung einen Anspruch auf deren Weitergewährung in gleicher Höhe erlangen. Vielmehr bewirkt der Freiwilligkeitsvorbehalt, dass der Arbeitgeber die Gewährung der Sonderzahlung für die Zukunft jederzeit ohne Angabe von Gründen einstellen kann.

Gründe für die Anerkennung des Freiwilligkeitsvorbehalts

Die Bundesrichter begründeten die Zulässigkeit eines formularmäßig vereinbarten Freiwilligkeitsvorbehalts für Sonderzahlungen im Wesentlichen wie folgt:
Ein Freiwilligkeitsvorbehalt schließt die Entstehung eines Anspruchs für künftige Bezugszeiträume aus. Der Arbeitnehmer darf daher von vornherein nicht mit der künftigen Gewährung dieser Sonderzahlung rechnen. Der Arbeitgeber hat ein berechtigtes Interesse daran, in Zukunft möglichst flexibel entscheiden zu können, ob, unter welchen Voraussetzungen und ggf. in welcher Höhe er eine aufgrund Tarifvertrags, Betriebs-/ Dienstvereinbarung und Arbeitsvertrags nicht geschuldete Sonderzahlung künftig seinen Arbeitnehmern gewährt.

Bei einer Ablehnung des Freiwilligkeitsvorbehalts würden viele Arbeitgeber davon absehen, Arbeitnehmern überhaupt oder jedenfalls dreimalig Sonderzahlungen zu gewähren, um so eine nicht gewollte Bindung an diese freiwillige Zahlung zu verhindern.

Dann ist ein Freiwilligkeitsvorbehalt wirksam…

Zum einen muss sich der Freiwilligkeitsvorbehalt auf eine Sonderzahlung beziehen, die der Arbeitgeber zusätzlich zum vereinbarten laufenden Arbeitsentgelt gewährt. Als typische Sonderzahlungen, die unter Freiwilligkeitsvorbehalt gestellt werden können, kommen insbesondere Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld oder Jubiläumsgeld in Betracht.

Zum anderen muss der Freiwilligkeitsvorbehalt eindeutig formuliert sein. Für den Arbeitnehmer muss also zweifellos erkennbar sein, dass auch bei wiederholter Gewährung der Sonderzahlung ein Rechtsanspruch auf die künftige Gewährung von Sonderzahlungen ausgeschlossen sein soll.

Dann ist ein Freiwilligkeitsvorbehalt unwirksam…

Das BAG hatte bereits in der Entscheidung vom 25.04.2007 (5 AZR 627/06) angenommen, dass der Rechtsanspruch auf laufendes Arbeitsentgelt in Formulararbeitsverträgen nicht durch einen Freiwilligkeitsvorbehalt ausgeschlossen werden kann. Daran hält das BAG weiterhin fest. Monatlich als Gegenleistung für die geleistete Arbeit gewährte Vergütungsbestandteile, z.B. monatlich gezahlte Leistungszulagen oder Zuschläge, können daher in Formulararbeitsverträgen nicht zum Gegenstand eines Freiwilligkeitsvorbehalts gemacht werden.

Darüber hinaus ist ein Freiwilligkeitsvorbehalt unwirksam, wenn er nicht klar und verständlich formuliert ist oder in Widerspruch zu anderen Vereinbarungen der Arbeitsvertragsparteien steht (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB). Das BAG stellt daran strenge Anforderungen. Demnach sind Freiwilligkeitsvorbehalte hinsichtlich einer Sonderzahlung unwirksam, wenn dem Arbeitnehmer die Gewährung dieser Sonderzahlung zugesagt worden ist. Solche Zusagen von Sonderzahlungen, die mit einem Freiwilligkeitsvorbehalt unvereinbar sind, liegen beispielsweise vor,

  • wenn der Arbeitsvertrag etwa Formulierungen enthält, wonach der Arbeitnehmer eine bestimmte Sonderzahlung „erhält“, einen „Anspruch“ auf eine bestimmte Sonderzahlung „hat“, eine bestimmte Sonderzahlung an den Arbeitnehmer „gezahlt wird“, oder der Arbeitnehmer an einem bestimmten „Bonussystem teilnimmt“,
  • wenn eine Sonderzahlung hinsichtlich ihrer Höhe und ihrer Voraussetzungen präzise umschrieben wird, insbesondere wenn mit der Sonderzahlung das Verhalten des Arbeitnehmers gesteuert und seine Leistung beeinflusst werden sollen, oder
  • wenn der Freiwilligkeitsvorbehalt auf eine Sonderzahlung Bezug nimmt, die als „widerrufbar“ oder „widerruflich“ bezeichnet wird. Denn eine solche Bezeichnung erweckt den Eindruck, dass ein Rechtsanspruch auf die Sonderzahlung entstanden ist und lediglich unter bestimmten Voraussetzungen durch eine Widerrufserklärung beseitigt werden kann. In Arbeitsverträgen häufig anzutreffende Klauseln, wonach es sich bei bestimmten Sonderzahlungen um „freiwillige, jederzeit widerrufliche Leistungen des Arbeitgebers, auf die auch bei wiederholter Zahlung kein Rechtsanspruch für die Zukunft besteht“ handelt, sind daher unwirksam.

Davon hängt die Zulässigkeit eines Freiwilligkeitsvorbehalts nicht ab …

Für die Zulässigkeit eines Freiwilligkeitsvorbehalts ist der Zweck der Sonderleistung ohne Bedeutung. Eine Sonderzahlung kann auch dann unter Freiwilligkeitsvorbehalt gestellt werden, wenn sie nicht auch vergangene oder künftige Betriebstreue des Arbeitnehmers belohnen will, sondern ausschließlich der zusätzlichen Vergütung der in einem Jahr geleisteten Arbeit des Arbeitnehmers dient.

Ebenfalls kommt es nicht auf die Höhe der Sonderleistung an. Es gibt also – anders als beim Widerrufsvorbehalt – keine Höchstgrenze für Sonderzahlungen, bis zu der ein Freiwilligkeitsvorbehalt wirksam erklärt werden kann.

Darüber hinaus braucht der Arbeitgeber den Freiwilligkeitsvorbehalt nicht gesondert bei jeder einzelnen Sonderzahlung zu erklären, um den Rechtsanspruch des Arbeitnehmers auf künftige Gewährung von solchen Sonderzahlungen auszuschließen. Es reicht vielmehr aus, wenn der Arbeitgeber einmalig im Arbeitsvertrag von vornherein einen solchen Freiwilligkeitsvorbehalt vereinbart.

Das sollte Arbeitnehmern geraten werden...

Arbeitnehmer sollten sich bei Arbeitsvertragsverhandlungen möglichst eine hohe monatliche Bruttovergütung oder ein möglichst hohes Bruttojahresentgelt – schriftlich oder jedenfalls unter Zeugen - zusagen lassen. Dann haben sie die Gewissheit, dass sie auf das vereinbarte Entgelt dauerhaft vertrauen können und der Arbeitgeber die Zahlung bestimmter Vergütungsbestandteile nicht unter Berufung auf Freiwilligkeitsvorbehalte jederzeit grundlos einstellen kann.

Stellt ein Arbeitgeber die Gewährung einer Sonderzahlung unter Berufung auf die angebliche Freiwilligkeit dieser Sonderzahlung ein, sollte der Arbeitnehmer dies anwaltlich überprüfen lassen. Hierbei ist häufig Eile geboten. Denn in Tarifverträgen und Arbeitsverträgen sind Ausschlussklauseln weit verbreitet, die bei nicht rechtzeitiger schriftlicher Geltendmachung eines Anspruchs und/oder bei nicht rechtzeitiger Klageerhebung den endgültigen Anspruchsverlust vorsehen.

Das sollte Arbeitgebern geraten werden...

Arbeitgeber sollten zur Sicherung einer größtmöglichen Flexibilität in Arbeitsverträgen stets einen klar und eindeutig formulierten Freiwilligkeitsvorbehalt in Bezug auf Sonderzahlungen aufnehmen. In Bezug auf Vergütungsbestandteile, die zum laufenden Arbeitsentgelt zählen, sollte ein Widerrufsvorbehalt vorgesehen werden.

Für Arbeitgeber, die keiner Tarifbindung unterworfen sind, bietet es sich an, einen Teil der für einen Arbeitnehmer vorgesehenen Jahresvergütung (unter entsprechender Absenkung der monatlichen Vergütung) in Form eines unter einen Freiwilligkeitsvorbehalt gestellten 13. Monatsgehalts und ggf. weiterer Sonderzahlungen zu gewähren. Je größer der Anteil der Vergütung ist, die als zusätzlich zum monatlichen Entgelt gewährte Sonderzahlung gezahlt wird, desto größere Flexibilität bezüglich des Arbeitsentgelts kann der Arbeitgeber über die Vereinbarung entsprechender Freiwilligkeitsvorbehalte erreichen.

Arbeitgeber sollten ihre in der Vergangenheit geschlossenen Formulararbeitsverträge regelmäßig auf den Prüfstand stellen. Angesichts der Fülle von höchstrichterlichen Entscheidungen, die etwa zu Freiwilligkeitsvorbehalten, Widerrufsvorbehalten, Bezugnahmeklauseln, Vertragsstrafen, Ausschlussklauseln, Schriftformklauseln, u.v.m. ergangen sind und immer wieder neu ergehen, ist zur Vermeidung von Rechtsnachteilen eine regelmäßige Anpassung der verwendeten Vertragsformulare erforderlich.

Die Autoren

Rechtsanwältin Agnes Freise,
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Hans-Hubert Wensing,
Sozietät Harnischmacher • Löer • Wensing, Münster

Quelle: RAin Agnes Freise und RA Hans-Hubert Wensing - Urteilsbesprechung vom 05.01.09