Bei der Auslegung von AGB im Zusammenhang mit der Überführung einer Versorgungsanwartschaft werden keine Umstände berücksichtigt, die allein den konkreten Vertragspartnern bekannt sind. Das hat das BAG entschieden. Im Urteilsfall stritt eine Arbeitnehmerin mit ihrer Arbeitgeberin - einer Landesbank - über einen Anspruch auf Abschluss eines Versorgungsvertrags.
Sachverhalt
Die Bayerische Landesbank sagte ihren Arbeitnehmern eine Versorgung über eine Unterstützungskasse („Versorgungskasse“) zu. Unter bestimmten Voraussetzungen vereinbarte sie Versorgungsverträge, mit denen sie sich verpflichtete, (weitergehende) Versorgungsleistungen nach beamtenrechtlichen Grundsätzen zu gewähren.
Im Rahmen der Finanzmarktkrise 2007/2008 geriet die Landesbank in erhebliche wirtschaftliche Schwierigkeiten. Am 21.07.2009 beschloss die Landesbank, künftig keine Versorgungsverträge mehr abzuschließen und die Altersversorgung neu zu gestalten. Hierzu schloss sie die Durchführungsverordnung „Vereinbarung zur Umstellung der betrieblichen Altersversorgung“ ( DV). Diese trat zum 01.01.2010 in Kraft.
Danach widerrief die Landesbank die Richtlinien über die Versorgungskasse mit Wirkung zum 31.12.2009. Von 01.01.2010 an gewährte sie eine Versorgung über den BVV Versicherungsverein des Bankgewerbes a.G. (VO 2010). Vor dem 01.01.2002 eingetretene Arbeitnehmer hatten die Möglichkeit, ihre Anwartschaften gegenüber der Versorgungskasse in die VO 2010 zu überführen. Hierzu bedurfte es einer zusätzlichen Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien.
Optierten die Arbeitnehmer nicht für die Überführung ihrer Versorgungsanwartschaften in die VO 2010, blieb ausschließlich die bis zum 31.12.2009 erworbene unverfallbare Anwartschaft bestehen. Für künftige Dienstzeiten entrichtete die Landesbank dann keine Beiträge an die Unterstützungskasse des BVV. Die Landesbank informierte die Arbeitnehmer umfassend über die Umstellung der betrieblichen Altersversorgung und stellte Formulare für entsprechende Erklärungen zur Vefügung.
Eine Arbeitnehmerin unterzeichnete am 17.02.2010 die „Zustimmung zur Überführung“ ihrer Versorgungsanwartschaften. Im Jahr 2013 machte sie dann gerichtlich geltend, die Bank müsse auch mit ihr einen Versorgungsvertrag vereinbaren, der Versorgungsleistungen nach beamtenrechtlichen Grundsätzen zusagt.
Das ArbG München hat die Klage mit Urteil vom 04.03.2015 (37 Ca 14822/13) abgewiesen, das LAG München hat die dagegen gerichtete Berufung der Beschäftigten mit Urteil vom 24.09.2015 (4 Sa 485/15) zurückgewiesen. Das BAG hat die Revision der der Beschäftigten zurückgewiesen.
Wesentliche Aussagen der Entscheidung
Die Arbeitnehmerin hat keinen Anspruch auf Abschluss eines Versorgungsvertrags. Ein etwaiger Anspruch aus betrieblicher Übung ist durch den Abschluss der Änderungsvereinbarung erloschen. Dies ergibt die Auslegung.
Die „Zustimmung zur Überführung“ enthält Allgemeine Geschäftsbedingungen. Die Landesbank hat deren Inhalt für eine Vielzahl von Änderungsverträgen vorformuliert und als Verwenderin gestellt. Bei der Auslegung von AGB dürfen Umstände, die allein den konkreten Vertragspartnern bekannt sind, nicht herangezogen werden. Dies ergibt sich auch aus § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB. Maßgebend sind nur solche Umstände, die typischerweise den Abschluss vergleichbarer Abreden begleiten.
Bei der Auslegung der Änderungsvereinbarung sind deshalb nicht nur die der Anlage beigefügten Schreiben, sondern auch die sonstigen im Unternehmen der Landesbank allgemein bekannten und für die betroffenen Arbeitnehmer erkennbaren Umstände zu berücksichtigen. Die Auslegung führt zu dem Ergebnis, dass die Parteien frühere Ansprüche aufgehoben haben.
Die Bestimmung ist nicht überraschend i.S.d. § 305c Abs. 1 BGB.
Die Arbeitnehmerin wird durch die Bestimmung über das Versorgungsrecht auch nicht gem. § 307 Abs. 1 BGB unangemessen benachteiligt. Die DV 2009 steht einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB nicht entgegen. Sie gibt nur vor, wie sich die Leistungen der Arbeitnehmer nach der VO 2010 berechnen. Die Überführung von Versorgungsanwartschaftenin die VO 2010 bedarf der Zustimmung der Arbeitnehmer.
Die in der Änderungsvereinbarung enthaltene Bestimmung zum Versorgungsrecht ist hinreichend transparent i.S.d. § 307 Abs. 1 S. 2 BGB und benachteiligt die Arbeitnehmerin nicht entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen i.S.d. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB.
Bei Verbraucherverträgen sind bei der Beurteilung der unangemessenen Benachteiligung nach § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB auch die den Vertragsschluss begleitenden Umstände zu berücksichtigen. Die Berücksichtigung dieser Umstände kann sowohl zur Unwirksamkeit einer nach generell-abstrakter Betrachtung wirksamen Klausel als auch zur Wirksamkeit einer nach typisierter Inhaltskontrolle unwirksamen Klausel führen. Danach liegt keine unangemessene Benachteiligung der Arbeitnehmerin vor.
Folgerungen aus der Entscheidung
Das BAG bestätigt und vertieft seine Rechtsprechung zur Auslegung von AGB im Arbeitsrecht insbesondere zur Frage der Berücksichtigung von Umständen, die den besonderen Einzelfall kennzeichnen (vgl. BAG, Urt. v. 15.11.2016, 3 AZR 582/15; BAG, Urt. v. 21.04.2016, 8 AZR 474/14).
Praxishinweis
Die Entscheidung verdeutlicht die enorme Bedeutung, die die AGB-Kontrolle nach §§ 305 ff. BGB für das Betriebsrentenrecht hat. Individuell ausgehandelte Versorgungszusagen sind der Einzelfall, die Schaffung von „Versorgungswerken“, die für eine Vielzahl von Fällen gelten, ist die Regel. Im vorliegenden Fall ist das BAG der Argumentation der Klägerin nicht gefolgt. Unabhängig davon stellt die Nichtbeachtung der AGB-Kontrolle ein wesentliches (Prozess)-Risiko für die Arbeitgeberseite dar. Die vorliegende Entscheidung kann insbesondere als Leitlinie für die AGB-Kontrolle in Fällen der vertraglich vereinbarten Verschlechterung von Versorgungszusagen herangezogen werden.
BAG, Urt. v. 20.06.2017 - 3 AZR 179/16
Quelle: Rechtsanwalt und FA für Arbeitsrecht Dr. Martin Kolmhuber