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Arbeitsrecht, Sozialrecht -

Arbeitsverträge: Rücktritt vom Wettbewerbsverbot und Entschädigung

Bei nachvertraglichen Wettbewerbsverboten muss regelmäßig als Gegenleistung eine sog. Karenzentschädigung gezahlt werden. Kommt der Arbeitgeber dem nicht nach, ist auch ein Rücktritt des Arbeitnehmers vom Wettbewerbsverbot möglich. Der Rücktritt wirkt erst nach dem Zugang der Erklärung - ab diesem Zeitpunkt besteht dann kein Anspruch auf Entschädigung mehr. Das hat das BAG entschieden.

Sachverhalt

Ein Angestellter nahm die Funktion als „Beauftragter technische Leitung“ wahr. Sein Bruttomonatsverdienst belief sich auf 6.747,20 €. Bestandteil des Arbeitsvertrags war ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot mit einer Dauer von drei Monaten. Die vereinbarte Karenzentschädigung belief sich auf 50 % der zuletzt bezogenen durchschnittlichen Bruttomonatsbezüge.

Der Angestellte kündigte das Arbeitsverhältnis wirksam zum Ablauf des 31.01.2016. Nachdem sein ehemaliger Arbeitgeber die Karenzentschädigung für den Monat Februar nicht geleistet hatte, forderte er ihn mit E-Mail vom 01.03.2016 unter Fristsetzung bis zum 04.03.2016 vergeblich zur Zahlung der Karenzentschädigung für den Monat Februar 2016 auf. Mit E-Mail vom 08.03.2016 erklärte der Angestellte gegenüber seinem ehemaligen Arbeitgeber, dass er sich „ab sofort nicht mehr an das Wettbewerbsverbot gebunden fühle“.

Mit seiner Klage macht der Kläger die Zahlung einer Karenzentschädigung i.H.v. 10.120,80 € brutto nebst Zinsen für drei Monate geltend. Er vertritt die Auffassung, sich nicht einseitig vom Wettbewerbsverbot losgesagt zu haben. Die Erklärung in der E-Mail vom 08.03.2016 sei lediglich eine Trotzreaktion gewesen. Die Beklagte meint, durch die E-Mail vom 08.03.2016 habe der Kläger wirksam seinen Rücktritt erklärt.

Das ArbG Würzburg hat der Klage mit Urteil vom 31.10.2016 (6 Ca 498/16) stattgegeben. Das Nürnberg hat auf die Berufung der Beklagten mit Urteil vom 24.05.2017 (4 Sa 564/16) das Urteil teilweise abgeändert und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 4.244,20 € brutto zu zahlen. Die dagegen gerichtete – zugelassene – Revision hat das BAG zurückgewiesen.

Wesentliche Aussagen der Entscheidung

Die Regeln über Leistungsstörungen im gegenseitigen Vertrag der §§ 320 ff. BGB finden auf nachvertragliche Wettbewerbsverbote grundsätzlich Anwendung. Die Karenzentschädigung ist Gegenleistung für die Unterlassung von Konkurrenztätigkeit. Der Rücktritt gem. § 323 Abs. 1 BGB ist für den Fall möglich, dass sich der Arbeitgeber mit seiner Hauptleistung, der Zahlung der Karenzentschädigung, aus dem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot in Verzug befindet. Dem Charakter des Wettbewerbsverbots als Dauerschuldverhältnis wird Rechnung getragen, indem der Rücktritt seine Wirkung nur „ex nunc“ entfaltet.

Der Kläger hat der Beklagten mit der E-Mail vom 04.03.2016 eine Frist gesetzt. Die Beklagte hat nicht fristgemäß geleistet und hat als früherer Arbeitgeber die Leistung der vereinbarten Karenzentschädigung verweigert. Mit der Erklärung in der E-Mail vom 08.03.2016, sich nicht mehr an das Wettbewerbsverbot gebunden zu fühlen, hat der Kläger eine rechtsgeschäftliche Rücktrittserklärung gem. § 323 Abs. 1 BGB abgegeben. Diese Erklärung ist unabhängig davon wirksam, dass er sie unbedacht abgegeben hat.

Infolgedessen sind das nachvertragliche Wettbewerbsverbot und gleichzeitig der Anspruch des Klägers auf Zahlung einer Karenzentschädigung vom Zeitpunkt des Zugangs der wirksamen Rücktrittserklärung an weggefallen.

Folgerungen aus der Entscheidung

Die Anwendbarkeit der Vorschriften der §§ 320 ff. BGB auf das nachvertragliche Wettbewerbsverbot ist nicht neu. Dies hat das BAG bereits mit Urteil vom 05.10.1982 (3 AZR 451/80) festgestellt. Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot ist ein Rechtsverhältnis, das neben dem Arbeitsverhältnis besteht.

Das BAG ist an die Feststellungen des Berufungsgerichts gebunden. Dem Berufungsurteil lässt sich entnehmen, dass die Beklagte sich endgültig geweigert hat, dem Zahlungsverlangen des Klägers nachzukommen. Danach liegt wohl ein Fall des § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB vor, nämlich die ernsthafte und endgültige Leistungsverweigerung durch den Arbeitgeber, also der Beklagten. Dann kann der Schuldner, also der Arbeitnehmer, den Rücktritt erklären.

Begrüßenswert ist die Einstellung des BAG, dass auch ein Arbeitnehmer sich an seinen Erklärungen festhalten lassen muss (vgl. auch BAG, Urt. v. 04.12.1997 – 2 AZR 799/96). Wenn es beliebt, versagen die Arbeitsgerichte einem Arbeitgeber ja gern das Vertrauen in die Wirksamkeit von Erklärungen ihrer Arbeitnehmer, die „in einem Zustand unverkennbarer emotionaler Erregung“ abgegeben werden (vgl. z.B. LAG Köln, Urt. v. 09.02.2000 – 3 Sa 1296/99).

Praxishinweis

Ein schönes Beispiel für den Grundsatz: Erst denken, dann reden (oder schreiben)! Auch Trotzköpfchen, die am Rechtsverkehr teilnehmen, sind an ihre Erklärungen gebunden. Der Kläger hätte also der Behauptung der Beklagten, sie habe die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert, wirksam entgegentreten müssen. Dann wäre die Frage zu beantworten gewesen, ob die Fristsetzung von drei Tagen (01.03.–04.03.2016) ausreichend lang gewesen wäre.

Unabhängig davon bietet die Rechtsprechung Arbeitnehmern möglicherweise einen Ausweg aus einem nachteiligen Wettbewerbsverbot, wenn die Karenzentschädigung nicht oder nicht vollständig gezahlt wird. Gerade in größeren Unternehmen ist der Zahlungslauf automatisiert und Zahlungen „außer der Reihe“ sind mit erhöhtem Aufwand verbunden und damit fehleranfällig. Ein etwaiger Zahlungsverzug kann dann als Anlass zum Rücktritt vom Wettbewerbsverbot genommen werden.

BAG, Urt. v. 31.01.2018 –10 AZR 392/17

Quelle: Rechtsanwalt und FA für Arbeitsrecht Dr. Martin Kolmhuber