Wenn ein Arbeitsgeber bei der Stellenvergabe an das äußere Erscheinungsbild eines Bewerbers anknüpft, stellt das regelmäßig weder einen Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) noch eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar. Das Arbeitsgericht Darmstadt lehnte im Fall einer übergewichtigen Bewerberin auch die Annahme einer „Behinderung“ i.S.d. AGG ab.
Darum geht es
Die 1972 geborene Klägerin verlangte von den Beklagten zu 1) und 2) Entschädigung und Schmerzensgeld in Höhe von 30.000 €. Ihre Begründung lautet, sie sei als Stellenbewerberin von diesen wegen vermeintlichen Übergewichts und damit wegen einer angenommenen Behinderung im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) benachteiligt worden. Hilfsweise stützt sie die geltend gemachten Ansprüche u. a. auf eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes.
Bei dem Beklagten zu 1), einem eingetragenen Verein, handelt es sich um eine Patientenorganisation auf Bundesebene, welche ausschließlich gemeinnützige Ziele im Rahmen der Gesundheitsförderung verfolgt. Seine Mitglieder sind Selbsthilfegruppen und Einzelmitglieder sowie Förderer. Die Beklagte zu 2) war als stellvertretende Vorsitzende und kommissarische Geschäftsführerin des Beklagten zu 1) mit der beabsichtigten Einstellung der Klägerin als Geschäftsführerin befasst.{DB:tt_content:2566:bodytext}
Die Beklagte zu 2) und ein weiteres Vorstandsmitglied führten mit der Klägerin ein Vorstellungsgespräch. Sie vereinbarten mit der Klägerin ein weiteres Vorstellungsgespräch. Vor dem geplanten weiteren Vorstellungsgespräch schrieb die Beklagte zu 2) die Klägerin an und fragte sie, was dazu geführt habe, dass sie kein Normalgewicht habe. Es gehe auch darum, dass die Klägerin bei Mitgliederversammlungen anwesend sein müsse und dass vielen Mitgliedern immer wieder gesagt werden müsse, dass sie das Thema Übergewicht ausschalten müssten (…). In ihrem jetzigen Zustand wäre die Klägerin natürlich kein vorzeigbares Beispiel und würde die Empfehlungen des Vereins für Ernährung und Sport konterkarieren.
Zu dem vereinbarten zweiten Vorstellungsgespräch erschien die Klägerin nicht.
Die Klägerin behauptet, die Beklagte zu 2) habe ihrem Ehemann gegenüber deutlich gemacht, sie brauche zu dem zweiten Vorstellungsgespräch nicht zu erscheinen, wenn sie die Gründe für ihr Übergewicht nicht nennen wolle. Sie meint, als Entschädigung sei ein Jahresgehalt, mindestens aber 30.000 € zu zahlen, denn die Entschädigung müsse eine abschreckende Wirkung haben.
Die Beklagten bestreiten, dass die Klägerin wegen ihres vermeintlichen Übergewichts bzw. einer angenommenen Behinderung nicht eingestellt worden sei. Die Klägerin sei nicht eingestellt worden, weil sie ohne Angabe von Gründen zu dem zweiten Vorstellungsgespräch nicht erschienen sei.
Die Zahlung einer Entschädigung in der Höhe von 30.000 € sei für sie existenzvernichtend.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Das Arbeitsgerichts Darmstadt hat unter dem Vorsitz der Richterin am Arbeitsgericht Bley entschieden, das die geltend gemachten Ansprüche nicht bestehen.
Die geltend gemachten Ansprüche ergeben sich nicht aus § 15 Abs. 2 AGG. Es liegt keine Diskriminierung wegen einer Behinderung im nationalen/unionsrechtlichen Sinne vor. Die Klägerin ist unstreitig nicht behindert und auch tatsächlich nicht so übergewichtig, dass eine Behinderung im nationalen/unionsrechtlichen Sinn in Betracht käme. Es ist auch nicht ausreichend deutlich geworden, dass die Beklagte bei ihrer ablehnenden Entscheidung von einer Behinderung im Rechtssinne ausgegangen ist.
Der geltend gemachte Anspruch auf Schmerzensgeld ergibt sich auch nicht aus anderen Anspruchsgrundlagen wie z. B. der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts.
Es liegt kein widerrechtlicher Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin vor. Es steht nicht zur Überzeugung des Gerichtes fest, dass die Klägerin in erster Linie wegen ihres vermeintlichen Übergewichtes nicht eingestellt worden ist. Hiergegen spricht bereits der Umstand, dass die Klägerin zunächst zu einem zweiten Vorstellungsgespräch eingeladen wurde.
Sofern die Beklagten sich bei der Entscheidung, ob die Klägerin als Geschäftsführerin eingestellt wird, auch von dem äußeren Erscheinungsbild der Klägerin und ihrer mangelnden Bereitschaft, sich hierüber auszutauschen, bestimmen ließen, liegt hierin kein widerrechtlicher Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht.
Eine Rechtspflicht des Beklagten, seine Entscheidung über die Einstellung gänzlich unabhängig vom äußeren Erscheinungsbild der Klägerin zu treffen, besteht nicht. Vielmehr durfte die Beklagte in ihre Erwägungen auch einbeziehen, ob die Klägerin aufgrund ihrer Gesamtpersönlichkeit und Erscheinung bereit und in der Lage ist, die Anliegen des Vereins, namentlich dessen Empfehlungen für ein gesundheitsbewusstes Verhalten, überzeugend zu vertreten.
Ein Anspruch auf Schmerzensgeld besteht auch nicht im Hinblick auf die Äußerungen der Beklagten, welche diese (angeblich) über das äußere Erscheinungsbild der Klägerin getätigt hat. In jedem Fall ist der hierin liegende Eingriff nicht so schwerwiegend, dass er durch die Zuerkennung eines Schmerzensgeldes auszugleichen wäre.
Arbeitsgericht Darmstadt, Urt. v. 12.06.2014 - 6 CA 22/13
Quelle: Arbeitsgericht Darmstadt, Pressemitteilung v. 12.06.2014