„Und was passiert mit den Kindern?“ Dies ist eine der dringendsten Fragen von Paaren, die vor einer Trennung oder Scheidung stehen. Die Antwort fällt heute tendeziell anders aus als noch vor einigen Jahren. Zunehmend möchten beide Eltern auch nach der Trennung wesentlich an der Erziehung beteiligt sein. Immer häufiger praktiziert wird das so genannte Wechselmodell, bei dem beide Eltern sich ungefähr im gleich Umfang um die Kinder kümmern.
Die rechtlichen Normen hinken dieser veränderten Lebenswirklichkeit hinterher, und auch der Gesetzgeber hat den Reformbedarf erkannt. Auf der To-Do-Liste der großen Koalition stand deshalb schon länger eine Reform im Kindschaftsrecht mit Änderungen rund um die Themen elterliche Sorge, Umgang, Betreuung oder auch Kindesunterhalt – allerdings scheiterten die Vorhaben an der Umsetzung.
Nun hat die Ampelkoalition die Reform im Umgangs- und Sorgerecht im Koalitionsvertrag angekündigt.
Reform bei Sorgerecht, Umgang und Kindesunterhalt: Wie ist der aktuelle Stand 2022?
Noch gibt es keinen Gesetzentwurf, dafür einen konkreten inhaltlichen Ausblick im Koalitionsvertrag der sogenannten Ampelparteien:
Die geplante Reform im Sorgerecht sieht demnach vor, das Sorgerecht auf das „kleine Sorgerecht“ für soziale Eltern auszuweiten. Dieses kann im Einvernehmen mit den rechtlichen Eltern auf bis zu zwei weitere Erwachsene übertragen werden, sofern es zu einem eigenen Rechtsinstitut weiterentwickelt wird.
Unverheirateten Vätern soll es, sofern die Eltern den gleichen Wohnsitz haben, ermöglicht werden, das gemeinsame Sorgerecht durch eine einseitige Erklärung zu erlangen. Die Zustimmung der Mutter ist nicht mehr nötig. Diese kann jedoch widersprechen.
Liegt ein Widerspruch der Mutter vor, muss das Familiengericht über die gemeinsame Sorge entscheiden. Dabei soll der Fokus immer auf dem Kindeswohl liegen, wie die Ampelkoalition im Koalitionsvertrag betont.
Die Modernisierung soll zukünftig außerdem mit Studien begleitet werden.
Grundlegend plant die Ampelkoalition, Vereinbarungen zu rechtlicher Elternschaft, elterlicher Sorge, Umgangsrecht und Unterhalt schon vor der Empfängnis zu ermöglichen. Bisher können nur werdende Eltern Regelungen zu diesen Themen treffen. Durch die Reform soll Paaren mit Kinderwunsch die Möglichkeit gegeben werden, vor der Schwangerschaft Vereinbarungen zu treffen.
Updatre: Das Gesetzgebungsverfahren zur Sorgerechtsreform ist mittlerweile in Gang gebracht worden. Weitere Informationen hier auf unserer Themenseite zur Kindschaftsrechtsreform 2024.
Umgangsrecht und Unterhaltsrecht
Im Falle einer Trennung der Eltern will die Ampelkoalition dafür sorgen, dass die Kinder ausreichend gefördert werden. Dies soll erreicht werden, indem die umgangs- und betreuungsbedingten Mehrbelastungen im Sozial- und Steuerrecht besser berücksichtigt werden.
Der Koalitionsvertrag setzt allgemein das Ziel fest, eine am Kindeswohl orientierte partnerschaftliche Betreuung minderjähriger Kinder für alle Familien zu ermöglichen. Dabei wollen die Ampelparteien dafür sorgen, dass alle erforderlichen Bedingungen geschaffen werden.
In Zusammenarbeit mit den Ländern wollen SPD, FDP und die Grünen die Erziehungs-, Trennungs- und Konfliktberatung verbessern. Gesetzt wird hierbei vor allem auf das Wechselmodell.
Die Parteien formulieren hier ein klares Ziel: Sie wollen Kindern ein eigenes Recht auf Umgang mit den Geschwistern und Großeltern geben.
Ohne das Existenzminimum eines Kindes zu gefährden, sollen nun im Unterhaltsrecht die Betreuungsanteile vor und nach der Scheidung der Eltern mehr berücksichtigt werden.
Was hat die große Koalition zuvor bei der Sorgerechtsreform umgesetzt?
Eigentlich konnte man optimistisch sein, dass schon die alte Regierung die Reform im Kindschaftsrecht rechtzeitig auf den Weg bringt. Seit 2018 besteht eine Expertengruppe, die Vorarbeiten zu dieser Reform leisten sollte – die Arbeitsgruppe „Sorge- und Umgangsrecht, insbesondere bei gemeinsamer Betreuung nach Trennung und Scheidung“. Ende 2019 erschien ein Thesenpapier dieser Arbeitsgruppe.
» Klicken Sie hier und öffnen Sie das Thesenpapier zur Kindschaftsrechtsreform 2020.
Ebenso stellte die Bundesregierung als Antwort auf eine Kleine Anfrage u.a. der FDP-Fraktion in Aussicht, auf Basis der Thesen einen Reformvorschlag zu erarbeiten, der Regelungen sowohl zum Sorge- und Umgangsrecht als auch zum Kindesunterhaltsrecht beinhaltet.
„Ziel ist eine Reform, die auch moderne Betreuungsmodelle besser als bisher abbildet, einvernehmliche Lösungen erleichtert sowie die elterliche Verantwortung unter Berücksichtigung von Kindeswohl und Kindeswillen stärkt.“ (BMVJ, 2019)
Am Ende wurde aber doch nichts daraus – so dass nun der neuen Regierung die Aufgabe zukommt, das Kindschaftsrecht zu modernisieren. Wir halten Sie hier auf dem Laufenden!