Es ist da: Das viel erwartete Thesenpapier der Arbeitsgruppe „Sorge- und Umgangsrecht, insbesondere bei gemeinsamer Betreuung nach Trennung und Scheidung“.
Auf insgesamt 10 Seiten haben die Experten aus der juristischen Wissenschaft und Praxis die Punkte erarbeitet, die mit der Reform im Sorge- und Umgangsrecht (neu) geregelt werden sollen.
Hier die wichtigsten Thesen in der Zusammenfassung:
A. Reformbedarf im Sorgerecht, Umgangsrecht und Kindesunterhaltsrecht
Zunächst einmal hat die Arbeitsgruppe einen grundsätzlichen Reformbedarf im Kindschaftsrecht festgestellt. Die Normen sollen der Vielfalt heutiger Familienverhältnisse Rechnung tragen und insbesondere individuelle Lösungen für getrenntlebende Eltern mit ihren Kindern ermöglichen.
Dazu gehört die gemeinsame Ausübung der elterlichen Sorge in einem paritätischen Wechselmodell ebenso wie die alleinige Sorgeausübung durch einen Elternteil.
B. Leitsätze einer Reform - Elternverantwortung
Die Arbeitsgruppe schlägt under anderem folgende Leitsätze vor:
- Kein bestimmtes Betreuungsmodell als gesetzliches Leitbild
- Kindeswohl steht über allem
- Berücksichtigung des Kindeswillens als Programmsatz
- In der Regel ist davon auszugehen, dass die Beziehung des Kindes zu beiden Eltern am ehesten dessen Wohl entspricht (ohne eine Aussage über den Umfang der Betreuung zu machen)
C. Gemeinsame elterliche Sorge
Regelmäßig soll die elterliche Sorge den Eltern gemeinsam zustehen – auch dann, wenn die Eltern bei Geburt des Kindes nicht verheiratet sind.
Dabei soll zwischen dem Status der elterlichen Sorge und deren Ausübung differenziert werden. Die Inhaberschafte der elterlichen Sorge soll dann nicht mehr entzogen werden können (Status). Die Ausübung kann jedoch individuell im Konfliktfall geregelt werden.
Folgende These wurde von der Arbeitsgruppe mehrheitlich abgelehnt: „Eine vollständige Übertragung der Ausübung der Personensorge auf einen Elternteil soll nur möglich sein, wenn die Fortführung der Ausübung der gemeinsamen Sorge dem Kindeswohl widerspricht.“ Dies würde bedeuten: So lange das Kindeswohl nicht gefährdet ist, ist eine Übertragung nicht möglich – selbst wenn die Alleinsorge dem Kindeswohl besser entspricht. Gegen diese Regelung votierte jedoch die Mehrheit der Experten.
Mit 6:2 stimmte die Arbeitsgruppe allerdings für folgende Aussage: „Wenn sich gemeinsam sorgeberechtigte Eltern bei der Ausübung nicht einigen können, sollen sie eine Entscheidung des Familiengerichts beantragen können, unabhängig davon, ob sie zusammen oder getrennt leben.“
D. und E. Betreuung des Kindes durch die gemeinsam sorgeberechtigten Eltern bzw. Umgang
Betreuung soll Teil der Ausübung der elterlichen Sorge sein. Der Begriff des Umgangs soll künftig nur noch zur Regelung des Kontakts des Kindes mit Dritten gelten (Großeltern, Geschwister, andere enge Bezugspersonen). Dem betreuenden Elternteil steht dabei jeweils die Alltagsentscheidungsbefugnis zu. Eltern werden somit nicht nur auf ein bloßes Umgangsrecht verwiesen.
F. Elterliche Einigung/ Beratung/ Mediation
Eltern sollen sich zwar stark darum bemühen, eine einvernehmliche Lösung zu finden, jedoch soll es nach Meinung der Expertengruppe keine Pflicht zur Mediation geben. Darüber hinaus soll der Gesetzgeber dafür sorgen, Beratungsangebote für Eltern auszubauen.
G. Kindeswille
Grundsätzlich soll bei allen gerichtlichen Entscheidungen entsprechend dem Alter und der persönlichen Reife des Kindes der Kindeswille zu berücksichtigen sein. Strittig ist jedoch das Alter, in dem bei einem Kind in der Regel die entsprechende Reife vermutet wird. Tendenziell stimmt die Gruppe hier mit 4:3 Stimmen für „ab der Vollendung des 14. Lebensjahres.“
Ab Vollendung des 14. Lebensjahres soll ein Kind in jedem Fall ein Antragsrecht haben sowie verfahrensfähig sein.
H. und I. Sonstige Änderungen bzw. Verfahrensrecht
Hier ist zu erwähnen, dass auch die Beratungsangebote und Anlaufstellen für Kinder erhöht werden sollen.
Strittig ist der Punkt Mediationskostenhilfe: Für die Einführung einer solchen stimmten drei Experten, ein Experte stimmte dagegen bei vier Enthaltungen.
Nun ist die Regierung am Zug: Der Referentenentwurf wird erwartet
Nachdem die Arbeitsgruppe nun Ihre Ergebnisse präsentiert hat, bleibt abzuwarten, was die Regierung daraus macht. Welche Punkte werden sich im Referentenentwurf wiederfinden? Und welche zusätzlichen Neuerungen wird die Regierung erarbeiten?
Im nächsten Schritt werden die verschiedenen Verbände (z.B. aus der Sozialarbeit, Jugendamt, Elternberatung etc.) und Interessengruppen angehört. Erst danach ist mit einem Gesetzentwurf zu rechnen. Wir halten Sie hier auf Deubner-Recht.de auf dem Laufenden!