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I. Einleitung
Die Bundesregierung hat am 20. Januar 2021 den Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen und steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaften sowie zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe [1] beschlossen.
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1. Gesellschaftliche Organisationsfreiheit und Erweiterung der Möglichkeiten für die interprofessionelle Zusammenarbeit
2. Rechte und Pflichten der Berufsausübungsgesellschaft
3. Neuregelung des § 43a BRAO: Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen
4. Weitere Änderungen durch die BRAO Reform 2021
Mit der Neuregelung soll der langjährigen Forderung nach einer umfassenden Reform der Berufsausübung nachgekommen werden, nachdem die sog. kleine BRAO-Reform [2] im Jahr 2017 hinter den Erwartungen der Anwaltschaft zurückgeblieben ist.
Die wesentlichen Ziele der Neufassung wurden bereits in einem Eckpunktepapier durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz im Jahr 2019 [3] definiert.
Der Gesetzentwurf sieht eine umfassende Neuregelung des anwaltlichen Gesellschaftsrechts und insbesondere die Ausweitung der Möglichkeiten der interprofessionellen Zusammenarbeit in der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO), sowie in den parallelen Regelungen für Patentanwälte [4] und Steuerberater in der Patentanwaltsordnung (PAO) und im Steuerberatungsgesetz (StBerG) vor.
Ein wesentliches Ziel der Reform ist die Schaffung eines kohärenten Gesellschaftsrechts für die anwaltlichen und steuerberatenden Berufe.
Zudem soll das Verbot, widerstreitende Interessen zu vertreten, zukünftig umfassend in der BRAO und der PAO unmittelbar geregelt werden.
Außerdem werden Änderungen in den Bereichen vorgenommen, in denen die Berufsordnungen an die rechtlichen oder tatsächlichen Entwicklungen angepasst werden müssen. Dies betrifft insbesondere die Stimmverteilung in der Hauptversammlung und die Öffentlichkeit der berufsgerichtlichen Hauptverhandlung.[5]
Im Folgenden soll ein Überblick über die im Regierungsentwurf vorgesehenen wesentlichen Änderungen – auch vor dem Hintergrund der maßgeblichen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts – gegeben werden.
II. Änderung im Gesellschaftsrecht durch die BRAO Reform
Eine wesentliche Änderung sieht der Regierungsentwurf im Hinblick auf die berufliche Zusammenarbeit von Rechtsanwälten, Patentanwälten und Steuerberatern im Rahmen von Berufsausübungsgesellschaften vor.
Bei der „Berufsausübungsgesellschaft“ handelt es sich nicht um eine eigenständige (neue) Gesellschaftsform sondern um den Überbegriff für den beruflichen Zusammenschluss von Rechtsanwälten, Patentanwälten und Steuerberatern untereinander oder mit Angehörigen anderer Berufsgruppen in einer Gesellschaft.
Die Berufsausübung von Rechtsanwälten, Patentanwälten sowie Steuerberatern in einer Berufsausübungsgesellschaft gewinnt in der Praxis zunehmend an Bedeutung, ohne dass dies im Berufsrecht bislang hinreichend Berücksichtigung gefunden hat.
Die Berufsausübungsgesellschaft soll nunmehr als zentrale Organisationsform anwaltlichen, patentanwaltlichen und steuerberatenden Handelns anerkannt werden und selbst Trägerin von Berufspflichten sein können.
1. Gesellschaftliche Organisationsfreiheit und Erweiterung der Möglichkeiten für die interprofessionelle Zusammenarbeit
Gesetzgeberischer Handlungsbedarf im Bereich des anwaltlichen Gesellschaftsrechts bestand auf Grund der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Januar 2014 und 12. Januar 2016 (1 BvR 2998/11, 1 BvR 236/12 und 1 BvL 6/13), in denen die Regelungen zu dem zulässigen Gesellschafterkreis und den Mehrheitserfordernissen in interprofessionellen Berufsausübungsgesellschaften unter Beteiligung von Rechtsanwälten teilweise für verfassungswidrig erklärt wurden.
2. Rechte und Pflichten der Berufsausübungsgesellschaft
Künftig soll neben der einzelnen Berufsträgerin und dem einzelnen Berufsträger auch die Berufsausübungsgesellschaft selbst Anknüpfungspunkt für berufsrechtliche Regelungen sein. Nach § 59m BRAO sind derzeit lediglich für die nach der BRAO zulässige Rechtsanwaltsgesellschaft Berufspflichten vorgesehen, jedoch ohne die Möglichkeit einer Ahndung von Berufspflichtverletzungen.
Hier klicken und weiterlesen: Rechte und Pflichten der Berufsausübungsgesellschaft.
III. Weitere Änderungen durch die BRAO Reform 2021
Weitere Änderungen der großen BRAO Reform betreffen folgende Themen:
- Bürogemeinschaft - hier klicken und weiterlesen.
- Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen - hier klicken und weiterlesen.
- Öffentlichkeit der berufsgerichtlichen Verfahren - hier klicken und weiterlesen.
- Stimmverteilung Hauptversammlung der BRAK - hier klicken und weiterlesen.
IV. Inkrafttreten und Ausblick
In seiner Sitzung am 5. März 2021 hat der Bundesrat im 1. Durchgang die Empfehlungen seines Rechtsausschusses [6] aufgegriffen, der auf der Linie der Bundesrechtsanwaltskammer empfohlen hat, eine Ausweitung der Sozietätsfähigkeit nur auf die Angehörigen der (Freien) Berufe vorzunehmen, die sich aus dortiger Sicht in der Zusammenarbeit mit Rechtsanwälten bewährt haben oder im Übrigen der Berufsaufsicht einer (eigenen) Kammer unterliegen.
Zudem sollen alle zugelassenen Berufsausübungsgesellschaften verpflichtet sein, ein beA als Gesellschaftspostfach einzurichten. Auch soll das Gesellschaftspostfach als sicherer Übermittlungsweg i.S.v. § 130a ZPO gelten.
Die neue Stimmgewichtung in der Hauptversammlung soll gestrichen werden und stattdessen an dem bisherigen Abstimmungsprinzip – eine Stimme für jede Rechtsanwaltskammer – festgehalten werden.
Zu dem mit dem Gesetzentwurf hinsichtlich der beabsichtigten Öffnung der Personenhandelsgesellschaften u.a. für Rechtsanwälte verbundenen Gesetzentwurf zum Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz (MoPeG) hat der Bundesrat in seiner Sitzung am 5. März 2021 ebenfalls Stellung genommen: [7]
Zu der in § 107 Abs. 1 S. 2 HGB-E vorgesehenen Regelung [8] bittet der Bundesrat im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob ein Rangverhältnis zwischen Handelsregistereintragung und berufsrechtlicher Zulassung geregelt werden soll. Nach der Begründung sei unklar, wie sich das Rangverhältnis zwischen Handelsregistereintragung einerseits und berufsrechtlicher Zulassung anderseits gestaltet. Nach der Einzelbegründung diene der berufsrechtliche Vorbehalt dazu, dass damit „auch die Prüfung der berufsrechtlichen Voraussetzungen den für die Berufsaufsicht zuständigen Stellen vorbehalten bleiben“ und „nicht im Einzelnen von den für die Führung der Handelsregister zuständigen Gerichten geleistet zu werden“ braucht. Dem könnte zu entnehmen sein, dass die Eintragung im Handelsregister dem berufsrechtlichen Zulassungsverfahren – etwa bei den Rechtsanwaltskammern – zeitlich nachgelagert ist. Da auch der vorliegende Gesetzentwurf hierzu keine Regelung enthalte, bedürfe es einer Klärung. [9]
Der vorliegende Regierungsentwurf sieht ein Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen und steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaften sowie zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe zum ersten Tag des 13. Kalendermonats nach Verkündung vor. Diese Vorlaufzeit sei sowohl für die Rechtsanwaltskammern als auch die Berufsausübungsgesellschaften erforderlich, um insbesondere die Aufnahme der Berufsausübungsgesellschaften in die Verzeichnisse der Kammern vorzubereiten
Das Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz (MoPeG), durch das Rechtsanwälten, Patentanwälten und Steuerberater ermöglicht werden soll, ihren Beruf künftig auch in einer Personenhandelsgesellschaft auszuüben, soll hingegen an einem festen Zeitpunkt, dem 01.01.2023 bzw. nach Auffassung des Bundesrats [10] am 01.01.2026, in Kraft treten. Durch die unterschiedlichen Zeitpunkte des Inkrafttretens werden die berufsrechtlichen Regelungen und die Regelungen im Gesellschaftsrecht für den dazwischenliegenden Zeitraum auseinanderlaufen.
Abschließend kann festgehalten werden, dass die von Seiten der Anwaltschaft bereits seit langem erwartete große BRAO-Reform kommt. Es bleibt jedoch abzuwarten, wie die Bundesregierung mit ihrer Gegenäußerung auf die Stellungnahme des Bundesrats, die in großen Teilen die Kritik der Berufskammern aufgreift, reagiert, welche Entwicklung das Reformvorhaben im laufenden Gesetzgebungsverfahren noch nimmt und in welchem Umfang die Reform letzten Endes tatsächlich in Kraft treten wird.
[1] BR-Drucks. 55/1/21.
[2] Gesetz zur Umsetzung der Berufsanerkennungsrichtlinie und zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtberatenden Berufe vom 12.05.2017 (BGBl. I S. 1121).
[3] Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz: „Eckpunkte für eine Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaft“ (Stand 27.08.2019).
[4] Die bei Personenbezeichnungen verwendete männliche Form dient ausschließlich der besseren Lesbarkeit. Die personenbezogenen Begriffe schließen alle Geschlechter gleichberechtigt ein und enthalten keine inhaltliche Wertung.
[5] BR-Drucks. 55/21, S. 148 f.
[6] BR-Drucks. 55/1/21.
[7] BR-Drucks. 59/21(B).
[8] „Dies gilt auch für eine Gesellschaft, deren Zweck die gemeinsame Ausübung Freier Berufe durch ihre Gesellschafter ist, soweit das anwendbare Berufsrecht die Eintragung zulässt.“
[9] BR-Drucks. 59/21(B), S. 8.
[10] BR-Drucks. 59/21(B), S. 10.
Diana Pflüger, Dipl.-Rechtspflegerin (FH), Düsseldorf