Der BGH har zur Befugnis des Klägers zur Fortsetzung einer aktienrechtlichen Anfechtungsklage nach Wegfall der Aktionärsstellung durch Squeeze out entschieden.
Demnach ist ein Aktionär zur Fortführung einer aktienrechtlichen Anfechtungsklage analog § 265 Abs. 2 ZPO nicht nur bei freiwilliger nachträglicher Aufgabe seiner Aktionärsstellung im Wege der Veräußerung seiner Aktien, sondern gleichermaßen im Falle des „zwangsweisen“ Verlustes dieser Rechtsposition durch sog. Squeeze out (§ 327 a AktG) im Laufe des Anfechtungsprozesses befugt, sofern er – im jeweiligen konkreten Einzelfall – ein rechtliches Interesse an einer solchen Verfahrensfortsetzung hat.
Sachverhalt:
Die Kläger und deren Streithelfer waren Minderheitsaktionäre der beklagten Aktiengesellschaft. Im Mai 1997 stimmte die Hauptversammlung der Beklagten einer zuvor erfolgten Ausgliederung des zentralen Unternehmensteils auf eine neu gegründete GmbH & Co.KG mit anschließender Veräußerung der Geschäftsanteile an die Mehrheitsaktionärin der Beklagten gemäß § 179 a AktG zu. Gegen diese Hauptversammlungsbeschlüsse richten sich die Anfechtungs-, hilfsweise Nichtigkeits- und Nichtigkeitsfeststellungsklagen der Kläger; sie haben insbesondere geltend gemacht, der operative Teil des Unternehmens sei erheblich unter Wert veräußert worden, die Hauptaktionärin habe sich dabei durch Ausübung ihres Stimmrechts treuwidrig einen unzulässigen Sondervorteil zum Schaden der Gesellschaft und der Minderheitsaktionäre verschafft (§ 243 Abs. 2 AktG). Noch vor Erlass des erstinstanzlichen Urteils wurden die Kläger im Rahmen eines Squeeze-out-Verfahrens aus der beklagten Aktiengesellschaft rechtswirksam ausgeschlossen und ihre Aktien auf die Hauptaktionärin übertragen. Die damit einzig verbliebene Aktionärin beschloss sodann auf einer außerordentlichen Hauptversammlung im September 2003 die Bestätigung der angefochtenen Hauptversammlungsbeschlüsse.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die dagegen gerichtete Berufung der Kläger zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, den Klägern fehle - aufgrund des Wegfalls ihrer Gesellschafterstellung in Folge des Squeeze-out-Verfahrens - die für die Erhebung der Klage erforderliche Anfechtungsbefugnis. Hiergegen richtet sich die
vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Kläger.
Entscheidung:
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Er hat entschieden, dass ein Aktionär zur Fortführung einer aktienrechtlichen Anfechtungsklage analog § 265 Abs. 2 ZPO nicht nur bei freiwilliger nachträglicher Aufgabe seiner Aktionärsstellung im Wege der Veräußerung seiner Aktien, sondern gleichermaßen im Falle des „zwangsweisen“ Verlustes dieser Rechtsposition durch sog. Squeeze out (§ 327 a AktG) im Laufe des Anfechtungsprozesses befugt ist, sofern er – im jeweiligen konkreten Einzelfall – ein rechtliches Interesse an einer solchen Verfahrensfortsetzung hat.
Ein derartiges rechtliches Interesse der Kläger war nach Ansicht des Bundesgerichtshofs im vorliegenden Fall zu bejahen. Denn ein den Anfechtungsklagen stattgebendes, auf den gerügten Beschlussmangel des unzulässigen Sondervorteils (§ 243 Abs. 2 AktG) gestütztes Gestaltungsurteil führte zwar nicht zur Rückabwicklung des in das Handelsregister eingetragenen und damit wirksam gewordenen Zwangsausschlusses der Minderheitsaktionäre; es hätte aber die Nichtigkeit der Zustimmungsbeschlüsse der Hauptversammlung zur Übertragung des wesentlichen betriebsnotwendigen Vermögens der Beklagten auf ihre damalige Hauptaktionärin und damit die Unwirksamkeit der entsprechenden Verpflichtungsverträge zur Folge. Daraus würden nach dem Vortrag der Kläger – weil die Bereicherungsansprüche aus den nichtigen Verpflichtungsverträgen den für die Ermittlung der Abfindung im Squeeze-out-Verfahren maßgeblichen Wert erhöhen würden - rechtlich erhebliche, positive Auswirkungen auf die im Spruchverfahren zu ermittelnde, von ihnen im Zusammenhang mit ihrem Squeeze out zu beanspruchende Barabfindung resultieren.
Quelle: BGH - Pressemitteilung vom 09.10.06