Zwangsvollstreckung -

Doppelte Einlagepflicht bei "Vorrats-GmbH"?

Es entsteht keine Verdoppelung der Einlagepflicht der Gesellschafter einer „auf Vorrat“ gegründeten GmbH, wenn der Einlagebetrag sogleich an den Gesellschafter zurückgezahlt wird.

Der Bundesgerichtshof hat damit über die von Instanzgerichten unterschiedlich behandelte Frage zu entscheiden, wie im Rahmen der Kapitalaufbringung einer neu gegründeten GmbH der Vorgang rechtlich zu beurteilen ist, dass der Gesellschafter den geschuldeten Einlagebetrag an die Gesellschaft zahlt, ihn aber in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang zurückerhält (sog. „Hin- und Herzahlen“).

Nach den das deutsche Kapitalschutzsystem prägenden, auf einen Mindestschutz der Gläubiger bedachten Regeln muss der Gesellschafter einer GmbH die geschuldete Einlage ordnungsgemäß und endgültig zur freien Verfügung der Geschäftsführung der Gesellschaft einzahlen (Kapitalaufbringung) und darf diese für die Dauer des Bestehens der Gesellschaft nicht wieder entnehmen (Kapitalerhaltung): Gegen diese Regeln wird in der Praxis öfter verstoßen. Im Rahmen der Kapitalaufbringung geschieht es immer wieder, dass sich die Gesellschafter nicht endgültig der geschuldeten Einlage entäußern. Die Folgen eines solchen Verhaltens waren in dem nun entschiedenen Fall zu beurteilen.


Sachverhalt:

Der Kläger ist seit 2003 Insolvenzverwalter über das Vermögen einer GmbH. Diese war im April 1997 von der Beklagten als sog. „Vorratsgesellschaft“ gegründet worden. Nach der Gründung zahlte die Beklagte zunächst die Stammeinlage ein. Die Zahlung floss allerdings unmittelbar darauf an sie zurück. Dabei lag der Rückzahlung angeblich eine Treuhandabrede zugrunde, wonach der Gesellschafter das Geld zugunsten der Vorratsgesellschaft anlegen sollte. Zwei Monate später übertrug die Beklagte ihre Geschäftsanteile an der Schuldnerin auf einen Dritten. Im Zuge dessen zahlte die Beklagte einen Betrag in Höhe der Stammeinlage an die Schuldnerin. Der Kläger hat diese Zahlung mit Rücksicht darauf, dass die Beklagte selbst aufgrund der Treuhandabrede hat leisten wollen, nicht als Einlageleistung gelten lassen wollen und von der Beklagten die nochmalige Zahlung der Stammeinlage verlangt.

In den Vorinstanzen hat der Kläger im Wesentlichen Recht bekommen. Zur Begründung hat das Berufungsgericht ausgeführt, durch das ursprüngliche Hin- und Herzahlen habe die Beklagte ihre Einlageschuld nicht erfüllen können; die Einzahlung der 50.000 DM im Zuge der Veräußerung der Geschäftsanteile habe deswegen keine Tilgungswirkung gehabt, weil die Beklagte nicht auf die Einlageschuld, sondern zur Erfüllung der Pflichten aus der Treuhandabrede HABE zahlen wollen. Im Ergebnis muss die Beklagte danach den Betrag von 50.000 DM zwei mal leisten.


Entscheidung:

Auf die von dem Berufungsgericht zugelassene Revision hat der II. Zivilsenat die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Auffassung des Berufungsgerichts, dass die Beklagte durch den Vorgang des Hin- und Herzahlens ihre Einlageschuld nicht hat tilgen können, billigt er, sie steht im Einklang mit der seit vielen Jahren gefestigten und auch im Schrifttum mehrheitlich vertretenen höchstrichterlichen Rechtsprechung.

Verworfen hat er dagegen – insofern anknüpfend an das Urt. v. 21. November 2005 (aaO) und eine Entscheidung vom 17. September 2001 (II ZR 275/99, ZIP 2001, 1997) – die Vorstellung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe auch durch die spätere Zahlung von 50.000 DM ihre Einlageschuld nicht erfüllen können. Da das Hin- und Herzahlen wirtschaftlich als ein einheitlicher, sich selbst neutralisierender Vorgang anzusehen ist, hat die beklagte Gesellschafterin nichts geleistet und die Gesellschaft nichts erhalten; eine in diesem Zusammenhang für das „Herzahlen“ getroffene „Treuhand-„ oder „Darlehensabrede“ ist rechtlich unwirksam. Da der Sachverhalt so anzusehen ist, als habe der Gesellschafter den Einlagebetrag in seinem Vermögen behalten, ist auf keiner Seite eine Bereicherung eingetreten. Offen ist ausschließlich die Einlageschuld, die durch die spätere Einzahlung getilgt worden ist; dass sie mit einer rechtlich falschen Tilgungsbestimmung versehen worden ist, ändert daran nichts und führt vor allem nicht dazu, dass der Gesellschafter – gerade in der Insolvenz verwirklicht sich diese Gefahr – zweimal zahlen muss, nämlich auf die unwirksame „Treuhandabrede“ oder das unwirksame „Darlehen“ und außerdem auf die Einlageschuld.

Das Berufungsgericht setzt sich mit der von ihm favorisierten Lösung bewusst, weil es den Kapitalschutzvorschriften in diesem Zusammenhang unangemessen formstrenge Bedeutung beimisst, darüber hinweg, dass dem Sinn der Kapitalaufbringungsregeln zuwider derjenige Gesellschafter besser gestellt ist, der den Fehler bei der Einlagezahlung nicht alsbald behebt, sondern zuwartet, bis er von dem Insolvenzverwalter zwangsweise zur Einlagezahlung veranlasst wird: Er muss nur einmal leisten, während der gesetzestreu vorgehende Gesellschafter „der Dumme“ ist und – ohne Aufrechnungsmöglichkeit – ein zweites Mal an den Insolvenzverwalter zahlen muss.

Quelle: BGH - Pressemitteilung vom 09.01.06