Zwangsvollstreckung -

Abzug von Steuern und Sozialabgaben

Ausgangspunkt für die Berechnung des pfändbaren Arbeitseinkommens, die grundsätzlich dem Arbeitgeber als Drittschuldner obliegt, ist das Nettoeinkommen des Schuldners.

Zur Feststellung des maßgebenden Nettoeinkommens sind vom Bruttoeinkommen zunächst die nach § 850a ZPO unpfändbaren Einkommensteile in Abzug zu bringen (siehe auch Teil 6/12.4.2.1–6/12.4.2.8). Gemäß § 850e Nr. 1 ZPO sind daneben solche Beträge abzuziehen, die unmittelbar aufgrund steuerlicher oder sozialrechtlicher Vorschriften zur Erfüllung gesetzlicher Verpflichtungen des Schuldners abzuführen sind.

Nicht abzuziehen sind Steueranteile, die nicht vom Arbeitgeber einzubehalten bzw. unmittelbar abgeführt werden, wozu u.a. Einkommensteuervorauszahlungen bzw. -nachzahlungen gehören (vgl. zur Einkommensteuervorauszahlung aber BAG, DB 1980, 837). Ebenso können Steuern, die vom Schuldner an einen ausländischen Fiskus abzuführen sind, nicht abgezogen werden (BAG, NJW 1986, 2208). Derartige Belastungen können im Einzelfall jedoch im Rahmen des § 850f Abs. 1 ZPO zu einer Erhöhung des unpfändbaren Betrags führen.

Zu den Abzügen aufgrund sozialrechtlicher Vorschriften gehören u.a. die Arbeitnehmeranteile an der gesetzlichen Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung. Gleichgestellt sind diesen Abgaben gem. § 850e Nr. 1 Satz 2 ZPO die Beiträge, die der Schuldner nach den Vorschriften der Sozialversicherung zur Weiterversicherung entrichtet oder an eine Ersatzkasse oder eine private Krankenversicherung leistet, soweit sie den Rahmen des Üblichen nicht übersteigen. Zur Bestimmung der insoweit „üblichen“ Beträge können die Versicherungsbeitragssätze zur gesetzlichen Krankenversicherung herangezogen werden (vgl. LG Berlin, Rpfleger 1994, 426). Altersvorsorgebeiträge, soweit sie nach § 82 EStG gefördert werden, sind nach § 97 EStG nicht übertragbar, damit nicht pfändbar und deshalb bei der Berechnung des pfändbaren Einkommens abzusetzen.

Zu den Abzügen aufgrund steuerlicher Vorschriften gehört insbesondere die vom Arbeitgeber einzubehaltende und an das Finanzamt abzuführende Lohnsteuer. Nachdem insoweit die anzuwendende Steuerklasse für die Höhe der Abzüge von Bedeutung ist, kann insbesondere der verheiratete Schuldner durch die Wahl der Steuerklasse maßgeblichen Einfluss auf die Höhe der Abzüge nehmen.

Wählt der Schuldner die Steuerklasse V mit der Folge, dass das Einkommen seines Ehegatten nach der Steuerklasse III zu versteuern ist, und erfolgte diese Wahl in der Absicht, die Gläubiger zu benachteiligen, so ist in entsprechender Anwendung des § 850h ZPO der Arbeitgeber gehalten, bei der Berechnung des pfändbaren Teils des Arbeitsentgelts das sich unter Berücksichtigung der günstigeren Steuerklasse, also der Steuerklasse IV, ergebende Nettoeinkommen zugrunde zu legen. Für die Beurteilung der Gläubigerbenachteiligungsabsicht des Schuldners sind alle maßgeblichen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, also insbesondere die Höhe der Einkommen beider Ehegatten, Kenntnis des Schuldners von der Höhe seiner Verschuldung und einer drohenden Zwangsvollstreckung, Abgabe der eidesstattlichen Versicherung etc. Wesentlich ist vor allem auch, wann erstmals die ungünstige Steuerklasse gewählt worden ist und ob dies im Zusammenhang mit der Verschuldung und Zwangsvollstreckung geschehen ist. Gibt ein Schuldner keine Auskunft über diesen Zeitpunkt, kann auch dies ein Indiz zu seinen Lasten sein.

Liegt eine Gläubigerbenachteiligungsabsicht in diesem Sinne vor, so ist der Schuldner bei der Berechnung des pfändungsfreien Betrags auch schon im Jahr der Pfändung so zu behandeln, als sei sein Arbeitseinkommen gemäß der günstigeren Steuerklasse zu versteuern (BGH v. 04.10.2005 – VII ZB 26/05).

Fehlt es an einem Nachweis der Gläubigerbenachteiligungsabsicht, so hat der Gläubiger bezüglich des laufenden Kalenderjahres die vor der Pfändung getroffene Wahl der Steuerklasse hinzunehmen. Wählt der Schuldner hingegen nachträglich, also nach Wirksamwerden der Pfändung, eine ungünstigere Steuerklasse oder behält er diese für das folgende Kalenderjahr bei, so kann dies schon dann nicht zu Lasten des Gläubigers gehen, wenn für diese Wahl (oder Beibehaltung) der Steuerklasse objektiv kein sachlich rechtfertigender Grund gegeben ist (vgl. OLG Köln v. 03.01.2000 – 2 W 164/99, JurBüro 2000, 217; LG Münster v. 29.01.2003 – 5 T 1191/02, Rpfleger 2003, 254). Für den Folgezeitraum kann dann eine Anordnung entsprechend § 850h ZPO auch ohne Nachweis einer Gläubigerbenachteiligungsabsicht ergehen. Ein sachlich rechtfertigender Grund für die Wahl der Steuerklassen III/V ist dann gegeben, wenn der Ehegatte ein deutlich höheres Einkommen hat als der Schuldner.

Zuständig für eine entsprechende Anordnung ist das Vollstreckungsgericht, das auf Antrag des Gläubigers tätig wird. Der Schuldner ist zu dem Antrag zu hören. Ist in der o.g. Weise eine Gläubigerbenachteiligungsabsicht gegeben, entfaltet die gerichtliche Anordnung ihre Wirkung bereits für das zum Zeitpunkt der Pfändung laufende Jahr, nicht dagegen auf bereits abgeschlossene Abrechnungsjahre. Ansonsten hat die Anordnung nur für die zukünftig auszustellenden Lohnsteuerkarten Bedeutung. Die Eintragung von Freibeträgen gem. § 39a EStG kann auf diese Weise aber wohl nicht erreicht werden (vgl. LG Detmold, Rpfleger 2002, 630).

Sonderzahlungen wie Urlaubs- oder Weihnachtsgeld werden gem. § 850a ZPO mit den Bruttobeträgen in Abzug gebracht. Darüber hinaus wird die gesamte Abgabenlast bei der Bestimmung der für die Berechnung des pfändbaren Einkommens maßgebenden Nettoeinkünfte berücksichtigt. Auf die Sonderzahlung entfallende Steuern und Abgaben werden damit doppelt in Abzug gebracht. Dies führt aufgrund der Steuerprogression oftmals dazu, dass in Monaten, in denen der Schuldner Sonderzahlungen erhält, sich deutlich weniger pfändbare Einkommensteile ergeben als in sonstigen Monaten.

Der Schuldner (verheiratet) erhält im Juli zusätzlich zum Regelbruttoverdienst i.H.v. 2.000 € Urlaubsgeld i.H.v. 1.000 € (brutto). Es fallen 800 € Steuern und weitere Abgaben an. Der für die Berechnung des pfändbaren Einkommens maßgebende Nettolohn beträgt 1.200 € (3.000 – 1.000 – 800). Es ergibt sich kein pfändbarer Anteil. In den sonstigen Monaten, in denen der Schuldner 2.000 € brutto verdient und 500 € an Abgaben zu leisten sind, ergibt sich ein pfändbarer Betrag von 110 €.

Diese Situation wird von der wohl h.M. als dem Wortlaut der einschlägigen gesetzlichen Vorgaben entsprechende Vorgehensweise angesehen (LAG Berlin v. 14.01.2000 – 19 Sa 2154/99 m.w.N.).

Nach anderer Ansicht (vgl. ArbG Aachen v. 21.02.2006 – 4 Ca 4544/05 m.w.N.) ist der ausgezahlte Nettobetrag entsprechend den Bruttolohnanteilen von Regellohn und Sonderzahlung ins Verhältnis zu setzen. Der pfändbare Einkommensteil ist dem auf diese Weise ermittelten Arbeitslohn zu entnehmen. Im obigen Beispiel ergibt dies folgende Berechnung:

Gesamter Bruttobetrag: 3.000 €, davon macht das Urlaubsgeld 1.000 €, also ein Drittel aus. Vom gesamten Nettobetrag i.H.v. 2.200 € entfallen somit zwei Drittel auf das Arbeitseinkommen, also 1.466,67 €. Aus diesem Betrag errechnet sich das pfändbare Einkommen mit 95 €.

Im Ergebnis darf also auch bei der alternativen Ansicht die Sonderzahlung in Form des Urlaubsgeldes nicht einfach ignoriert werden, weil sie nach dem Willen des Gesetzgebers dem Schuldner ungekürzt zufließen soll. Unter Berücksichtigung dieser Vorgabe erscheint die Mindermeinung als diejenige. die den praktischen Bedürfnissen näher kommt und auch die Interessen des Gläubigers im notwendigen Umfang berücksichtigt.

Quelle: Ernst Riedel - Beitrag vom 14.12.07