Eine irrtümlich zu niedrige Stromrechnung hindert den Energielieferanten nicht, nach gut zwei Jahren Zahlung in zutreffender Höhe zu verlangen. Das hat das Amtsgericht München entschieden. Eine irrtümlich zu niedrige Rechnung stellt demnach eine Wissenserklärung ohne rechtsgeschäftlichen Erklärungswert dar. Auch eine Verwirkung vor Ablauf der Verjährungsfrist lehnte das Gericht ab.
Darum geht es
Das klagende Energielieferungsunternehmen lieferte an den Beklagten in Gräfelfing seit 27.10.2008 Strom. Der Beklagte leistete eine monatliche Abschlagszahlung. Der Beklagte kündigte das Vertragsverhältnis zum 30.11.2013. Mit Schreiben vom 07.01.2014 erhielt der Beklagte von der Klägerin eine Schlussrechnung ohne Vorbehalt, die eine nach Abzug geleisteter Abschlagszahlungen fällige Schlusszahlung in Höhe von 12,85 € auswies. Der Verbrauch wurde zwischen 28.10.2012 und 30.06.2013 mit 849 kWh zu einem Nettopreis von 217,72€ angegeben. Den Saldo in Höhe von 12,85 € bezahlte der Beklagte.
Mit Schreiben vom 08.03.2016 forderte die Klägerin weitere 868,50 € von dem Beklagten. In diesem als Rechnungskorrektur bezeichneten Schreiben wurde ein korrigierter Endzählerstand von 29.824 für den 30.11.2013 sowie ein Stromverbrauch von 3.695 kWh für den Zeitraum von 28.10.2012 bis 30.06.2013 zum Preis von netto 947,55 € ausgewiesen. Dieser Zählerstand war von dem Beklagten selbst am 17.10.2013 ermittelt und der Klägerin mitgeteilt worden. Die Klägerin forderte in der Rechnung vom 08.03.2016 den Beklagten zur Zahlung des Differenzbetrages der beiden Rechnungen auf, mithin brutto 868,50 €.
Der Beklagte ist der Auffassung, für eine Änderung der Schlussrechnung sei eine Anfechtung der ursprünglichen Rechnung vom 07.01.2014 erforderlich gewesen. Zudem stehe der Vertrauensschutz bzw. Verwirkung der Geltendmachung des Anspruchs entgegen.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Der zuständige Richter am Amtsgericht München gab der Klägerin Recht und verurteilte den Beklagten zur Zahlung.
Nach der Begründung des Richters handele es sich bei der irrtümlich zu niedrigen Rechnung „um eine Wissenserklärung ohne rechtsgeschäftlichen Erklärungswert.“ Die Rechnung kann somit nicht dahingehend ausgelegt werden, dass für den betreffenden Abrechnungszeitraum eine endgültige Abrechnung erstellt werden sollte, die auch dann gelten soll, wenn sich nachträglich herausstellt, dass diese fehlerhaft war.
Schließlich ist der Anspruch auch nicht gemäß § 242 BGB verwirkt. Die Verwirkung setzt sowohl ein Zeit- als auch einen Umstandsmoment voraus, so dass der Anspruchsgegner die berechtigte Erwartung hegen durfte, ein Recht werde nicht mehr geltend gemacht. Vorliegend konnte der Beklagte keine solche Erwartung hegen.
Zwischen der ersten Rechnung und der Rechnungskorrektur liegt ein Zeitraum von zwei Jahren und zwei Monaten.“ Diese Zeitspanne liege noch unterhalb der dreijährigen Verjährungsfrist, innerhalb derer jeder Schuldner damit rechnen müsse, noch in Anspruch genommen zu werden.
Das Urteil ist nach Rücknahme der Berufung rechtskräftig.
Amtsgericht München, Urt. v. 14.07.2017 - 264 C 3597/17
Quelle: Amtsgericht München, Pressemitteilung v. 01.12.2017