Der BGH hat über den Fall einer Familie entschieden, die als gutgläubige Erwerber nach einer fehlerhaften Zwangsversteigerung Ansprüchen des Grundstückseigentümers auf Räumung, Abriss und Nutzungsersatz ausgesetzt sind. Der BGH hat seine Rechtsprechng geändert und folgt nun einem weiten Verwendungsbegriff. Die Erwerber können daher Hausbaukosten als Gegenansprüche einwenden.
Darum geht es
Der Kläger war seit 1993 als Eigentümer eines Grundstücks im Grundbuch eingetragen. Ab dem Jahr 2008 wurde die Zwangsversteigerung in das Grundstück betrieben.
Im Jahr 2010 erhielt die Beklagte zu 1 den Zuschlag für das Grundstück und wurde als Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen. Zusammen mit dem Beklagten zu 2, ihrem Ehemann, ließ sie ein auf dem Grundstück befindliches Wochenendhaus abreißen und ein neues Wohnhaus errichten, das die Beklagten seit 2012 bewohnen.
Zur Sicherung der für den Hausbau aufgenommenen Kredite wurde das Grundstück mit einer Grundschuld über 280.000 € nebst Zinsen belastet.
Der Zuschlagsbeschluss wurde 2014 auf Betreiben des Klägers, der erst nach dem Zuschlag Kenntnis von der Zwangsversteigerung erlangt hatte, rechtskräftig aufgehoben.
Mit der Klage nimmt der Kläger die Beklagte zu 1 auf Grundbuchberichtigung und beide Beklagten auf Räumung und Herausgabe des Grundstücks, Beseitigung des Hauses, Zahlung von Nutzungsersatz und Löschung der Grundschuld in Anspruch.
Die Beklagten beantragen die Abweisung der Klage und machen hilfsweise ein Zurückbehaltungsrecht wegen der von ihnen getätigten Aufwendungen für den Hausbau geltend, die sie auf mindestens 500.000 € beziffern.
Nachdem die Klage vor dem Landgericht Potsdam nur teilweise Erfolg hatte (Urt. v. 05.06.2020 - 1 O 330/14, hat das OLG Brandenburg ihr auf die Berufung des Klägers weitgehend stattgegeben (Urt. v. 29.06.2023 - 5 U 81/20).
Das OLG Brandenburg hat die Beklagte zu 1 zur Grundbuchberichtigung und beide Beklagten zur Räumung und Herausgabe des Grundstücks, Beseitigung des Wohnhauses, Zahlung einer Nutzungsentschädigung von 6.041,67 € und zur Löschung der Grundschuld verurteilt.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Der BGH hat der Revision der Beklagten stattgegeben und die Sache insgesamt zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Im Ausgangspunkt trifft nach dem BGH die Annahme des Oberlandesgerichts zu, dass dem Kläger ein Anspruch auf Berichtigung des Grundbuchs (§ 894 BGB) sowie auf Räumung (§ 1004 Abs. 1 BGB) und Herausgabe des Grundstücks (§ 985 BGB) zusteht.
Der Kläger hat sein Eigentum durch den im Zwangsversteigerungsverfahren erteilten Zuschlag nicht verloren. Zwar führt der Zuschlag gemäß § 90 Abs. 1 ZVG zu einem originären Eigentumserwerb des Erstehers, hier der Beklagten zu 1.
Wird der Zuschlagsbeschluss aber im Beschwerdewege rechtskräftig aufgehoben, verliert der Ersteher das Eigentum rückwirkend zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Zuschlagsbeschlusses wieder an den Schuldner, hier den Kläger - dessen Eigentum lebt wieder auf.
Da ein Beschluss, mit dem ein Zuschlag aufgehoben wird, ebenso wie ein Urteil der materiellen Rechtskraft fähig ist, kommt es auf dessen Rechtmäßigkeit nicht an. Entsprechende Einwendungen können nur im Zusammenhang mit insoweit eröffneten Rechtsmitteln bzw. Rechtsbehelfen gegen den Aufhebungsbeschluss geltend gemacht werden, nicht jedoch in einem späteren Verfahren, in dem - wie hier - die rechtskräftige Entscheidung Vorfrage ist.
Beanstandet hat der BGH aber, dass ein Zurückbehaltungsrecht der Beklagten wegen der behaupteten Verwendungen für den Hausbau verneint worden ist. Ein solches Zurückbehaltungsrecht hat zur Folge, dass die Grundbuchberichtigung sowie die Räumung und Herausgabe des Grundstücks nur Zug um Zug gegen Zahlung von Verwendungsersatz erfolgen müssen.
Als rechtsfehlerhaft hat der BGH auch die Verurteilung der Beklagten zum Abriss des Hauses und zur Löschung der Grundschuld angesehen. Den Beklagten kann, anders als das OLG gemeint hat, ein Zurückbehaltungsrecht wegen eines Verwendungsersatzanspruchs aus § 996 BGB zustehen.
Nach dieser Vorschrift kann der Besitzer für andere als notwendige Verwendungen Ersatz nur insoweit verlangen, als sie vor dem Eintritt der Rechtshängigkeit und vor dem Beginn der in § 990 BGB bestimmten Haftung gemacht werden und der Wert der Sache durch sie noch zu der Zeit erhöht ist, zu welcher der Eigentümer die Sache wiedererlangt.
Nach der bisherigen und in der Rechtsliteratur seit vielen Jahren kritisierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs waren Verwendungen nur solche Vermögensaufwendungen, die der Sache zugutekommen sollen, ohne sie grundlegend zu verändern (sog. enger Verwendungsbegriff).
Eine nicht ersatzfähige grundlegende Veränderung sollte bei der Errichtung eines Gebäudes auf einem fremden Grundstück vorliegen, sofern das Grundstück fortan für einen anderen Zweck genutzt wurde.
Diese Rechtsprechung hat der BGH nun geändert, weil aus heutiger Sicht deutlich überwiegende Gründe für einen sog. weiten Verwendungsbegriff sprechen. Seiner Entscheidung zufolge stellen Vermögensaufwendungen des Besitzers, die der Sache zugutekommen, auch dann Verwendungen dar, wenn sie die Sache grundlegend verändern.
Für die Rechtsprechungsänderung zugunsten eines weiten Verwendungsbegriffs spricht insbesondere der mit den §§ 994 ff. BGB verfolgte Zweck, einen gerechten Ausgleich der widerstreitenden Interessen von Eigentümer und gutgläubigem Besitzer herbeizuführen.
Der Eigentümer wird nicht in seinem Vermögen beeinträchtigt, sondern nur in seiner Dispositionsbefugnis, weil die Ersatzpflicht im Falle des § 996 BGB nur bei einer Verkehrswerterhöhung eintritt. Zudem ist sie auf die tatsächlich aufgewendeten Kosten des Besitzers beschränkt.
Demgegenüber verbliebe dem gutgläubigen und unverklagten Besitzer nach dem engen Verwendungsbegriff nur das wegen der Höhe der Abrisskosten regelmäßig wirtschaftlich wertlose Wegnahmerecht aus § 997 BGB, was eine unangemessene Härte zur Folge hätte.
Unabhängig davon führt der enge Verwendungsbegriff zu erheblichen Abgrenzungsschwierigkeiten und damit zu Rechtsunsicherheit. Denn es fehlen geeignete Kriterien dafür, wann noch eine erhaltende oder verbessernde und wann bereits eine grundlegend verändernde Aufwendung vorliegt.
Zudem überzeugt es nicht, die umfassende Sanierung eines bestehenden Hauses (Verwendung) anders zu behandeln als den Abriss und Neubau (keine Verwendung).
Geklärt hat der BGH weiter, dass die Nützlichkeit der Verwendung im Sinne von § 996 BGB nicht deshalb verneint werden kann, weil der Kläger als der Eigentümer kein Interesse an dem Haus hat.
Für die Nützlichkeit einer Verwendung ist, wie sich aus Wortlaut und Systematik des Gesetzes ergibt, allein die objektive Verkehrswerterhöhung der Sache maßgeblich. Auf den subjektiven Wert für den Eigentümer kommt es nicht an.
Der Kläger kann von den Beklagten auch nicht den Abriss des Wohnhauses verlangen. Ein Anspruch des Eigentümers aus § 1004 Abs. 1 BGB auf Beseitigung des Resultats der Verwendungen gegen einen redlichen Besitzer wie die Beklagten ist nämlich ausgeschlossen.
Das Verhältnis von Beseitigungs- und Verwendungsersatzanspruch ist zwar gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt. § 993 Abs. 1 Halbs. 2 BGB lässt sich aber im Zusammenspiel mit § 989 BGB entnehmen, dass der gutgläubige und nicht verklagte Besitzer als besonders schutzwürdig angesehen wird, weil er nicht zur Leistung von Schadensersatz verpflichtet und ein Rückgriff auf die allgemeinen Vorschriften ausgeschlossen ist.
Diese Wertung muss hier beachtet werden. Auch wenn § 1004 Abs. 1 BGB kein Schadensersatzanspruch ist, ist er im wirtschaftlichen Ergebnis hiermit vergleichbar.
Im Übrigen wäre es ein Wertungswiderspruch, wenn der redliche und unverklagte Besitzer zwar keinen Ersatz für den Abriss eines auf dem Grundstück befindlichen Gebäudes (hier: Wochenendhaus) leisten müsste, aber ein von ihm selbst errichtetes Gebäude auf eigene Kosten abreißen müsste.
Auf Rechtsfehlern beruht auch die Verurteilung beider Beklagten zur Löschung der Grundschuld. Zwar hat die Beklagte zu 1 als Nichtberechtigte dem Kläger gegenüber wirksam über das Grundstück verfügt, da die Bank der Beklagten die Grundschuld gutgläubig erworben hat.
Ein hierauf gestützter Bereicherungsanspruch nach § 816 Abs. 1 Satz 1 BGB scheidet aber aus, weil die Beklagte zu 1 „durch die Verfügung“ im Sinne dieser Vorschrift nicht die Grundschuld erlangt hat, sondern nur die Sicherung ihres Darlehens. Ein Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 989 f. BGB scheidet bereits deswegen aus, weil die Beklagten zum Zeitpunkt der Bestellung und Eintragung der Grundschuld im Jahr 2011 noch gutgläubig und unverklagt waren.
Der BGH hat das Urteil insgesamt aufgehoben, so dass nun das OLG weitere Feststellungen u.a. zu den Verwendungen der Beklagten treffen muss.
Zwar ist es nicht zu beanstanden, dass das OLG die Beklagten zur Leistung von Nutzungsersatz verurteilt hat, so dass diese Verurteilung der Beklagten an sich bestehen bleiben könnte; umgekehrt sind die Beklagten zu Unrecht zur Beseitigung des Wohnhauses und zur Löschung der Grundschuld verurteilt worden, so dass diese Anträge an sich abgewiesen werden könnten.
Eine abschließende Entscheidung durch den BGH muss aber auch im Hinblick auf diese Teile des Rechtsstreits unterbleiben, um eine insgesamt widerspruchsfreie Endentscheidung zu gewährleisten.
BGH, Urt. v. 14.03.2025 - V ZR 153/23
Quelle: BGH, Pressemitteilung v. 14.03.2025