Familienrecht -

Verpflichtung von Pflegeeltern zur Tragung von Gerichtskosten

OLG Stuttgart, Beschl. v. 03.04.2012 - 17 UF 395/11

Pflegeeltern sind nur dann zur Tragung von Gerichtskosten im Rahmen des § 1632 Abs. 4 BGB verpflichtet, wenn sie die Aussichtslosigkeit des Verfahrens von vornherein erkannt oder das Verfahren durch grob schuldhaftes Verhalten veranlasst haben.

Darum geht es

Aufgrund erheblicher psychischer Belastungen der leiblichen Mutter lebte das im Oktober 2003 geborene Kind seit Oktober 2007 bei den Beschwerdeführern, seinen Pflegeeltern. Anfang 2011 äußerte die Mutter den Wunsch nach Rückführung ihres Kindes in ihren Haushalt. Erhebliche Spannungen zwischen der Mutter und den Pflegeeltern veranlassten das Jugendamt im September 2011, beim Familiengericht einen Verbleibensantrag zu stellen, um einen Wechsel des Kindes zu seiner leiblichen Mutter behutsam vorbereiten zu können.

In dem Verhandlungstermin vom Oktober 2011 gelangte das Familiengericht zu der Ansicht, dass das Kind zurückzuführen sei. Allerdings müsse das Jugendamt die weitere Vorgehensweise abklären. Nachdem die Mutter erklärt hatte, das Kind noch am gleichen Tag aus der Pflegefamilie herauszunehmen, erfolgte dessen Inobhutnahme durch das Jugendamt. Unter der Bedingung, an seiner Rückführung in den Haushalt der Mutter mitzuwirken, blieb das Kind vorläufig bei den Pflegeeltern.

Im November 2011 begehrten die Pflegeeltern den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel des Verbleibens des Kindes - auch auf dessen Wunsch - und regten die Einholung eines kinderpsychologischen Gutachtens an. Das Familiengericht lehnte den Verbleibensantrag im November 2011 ab, da die Erziehungsgeeignetheit der Mutter nicht infrage stehe. Dagegen hätten es die Pflegeeltern versäumt, das Kind hinreichend auf die Rückführung vorzubereiten. Aufgrund ihres vollumfänglichen Unterliegens wurden die Pflegeeltern zur Kostentragung verpflichtet. Gegen die Auferlegung der Kosten richtet sich die erfolgreiche Beschwerde der Pflegeeltern.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Gerichtskosten werden nicht erhoben und außergerichtliche Kosten nicht erstattet. Von der Erhebung von Gerichtskosten kann nach § 81 Abs. 1 FamFG abgesehen werden, wenn die Belastung der Beteiligten mit diesen Kosten nach dem Verlauf oder Ausgang des Verfahrens unbillig erscheint. Nach Ansicht des OLG sind Pflegeeltern bei einer Verbleibensanordnung nach § 1632 Abs. 4 BGB nur dann zur Kostentragung verpflichtet, wenn sie die Aussichtslosigkeit des Verfahrens von vornherein erkannt oder das Verfahren durch grob schuldhaftes Verhalten veranlasst haben. Dies ergibt sich aus einer am Kindeswohl orientierten Betrachtungsweise und der Stellung der Pflegeeltern.

Pflegeeltern stellen den Verbleibensantrag i.d.R. in Wahrnehmung der Interessen des ihnen anvertrauten Kindes, um eine Gefährdung des Kindeswohls abzuwenden. Daneben sind auch ihre finanziellen Interessen angemessen zu berücksichtigen. Denn die Pflegeeltern erhalten lediglich die notwendigen Kosten für die Pflege und die Erziehung nach § 39 Abs. 1 SGB VIII. Die für einen Verbleibensantrag anfallenden Kosten müssen sie ohne die Möglichkeit eines Rückgriffs auf den Staat selbstständig finanzieren, obwohl sie sich im vermeintlichen Interesse des Kindes für das Stellen eines Antrags nach § 1632 Abs. 4 BGB berechtigt halten konnten.

Daher ist das Kostenrisiko der Pflegeeltern vor dem Hintergrund einer im Allgemeinwohl gebotenen freiwilligen Übernahme angemessen zu begrenzen. Die Beantragung einer gerichtlichen Verbleibensanordnung im Rahmen einer einstweiligen Anordnung war weder erkennbar aussichtslos noch grob schuldhaft veranlasst. Bei Einleitung des Verfahrens konnten die Pflegeeltern unter Beachtung des Kindeswohls noch davon ausgehen, dass das Kind - wenigstens noch für eine gewisse Zeit - bei ihnen verbleiben müsste.

Die bisherigen Bindungen des Kindes zu den Pflegeeltern und seine Äußerungen, bei ihnen verbleiben zu wollen, berechtigten die Pflegeeltern zu der Annahme, dass eine unmittelbar bevorstehende Herausnahme des Kindes kindeswohlschädlich sein könnte. Überdies hatte ihnen das Familiengericht noch im Verhandlungstermin mitgeteilt, dass eine eindeutige Entscheidung bislang nicht getroffen werden könne. Auch eine Bindung des Kindes zuzulassen, war kein so schuldhaftes Handeln, dass die Auferlegung von Gerichtskosten ausnahmsweise rechtfertigt wäre.

Quelle: RA Nicole Seier - vom 06.08.12