Familienrecht -

Unterhalt: Vorwurf mangelnder Bewerbungsbemühungen

BGH, Beschl. v. 05.12.2012 - XII ZB 670/10

Genügt der Unterhaltsberechtigte seiner aktuellen Erwerbsobliegenheit, kann ihm für die Vergangenheit nicht vorgehalten werden, er hätte konkrete Bewerbungsbemühungen entfalten müssen, um den jetzt eingetretenen ehebedingten Nachteil zu kompensieren.

Darum geht es

Mit gerichtlichem Vergleich vom 28.09.2004 verpflichtete sich der Antragsteller, nachehelichen Unterhalt zu zahlen. Anfang 2008 vereinbarten die Ehegatten außergerichtlich eine Herabsetzung ab März 2008. Der Unterhalt sollte bis zum März 2010 gezahlt werden, in dem der gemeinsame Sohn das 14. Lebensjahr vollendete. Danach sollten sich die Unterhaltsansprüche nach den gesetzlichen Vorschriften richten. Im vorliegenden Abänderungsverfahren will der Antragsteller die Befristung des Unterhaltsanspruchs durchsetzen.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Der Bundesgerichtshof bejaht die Zulässigkeit des Abänderungsantrags nach § 239 FamFG und beanstandet nicht, dass das OLG eine Präklusion des Befristungseinwands ausgeschlossen hat. Zwar wurde der ursprüngliche Vergleich von 2004 im Jahr 2008 abgeändert, also zu einem Zeitpunkt, als das neue Unterhaltsrecht bereits in Kraft war. Jedoch war Gegenstand der modifizierenden Vereinbarung von 2008 ausschließlich der Betreuungsunterhaltsanspruch. Im Übrigen haben die Beteiligten mit Auslauf dieses Anspruchs ausdrücklich auf die gesetzlichen Bestimmungen - und damit auch auf § 1578b BGB - Bezug genommen.

Der ehebedingte Nachteil besteht in der Differenz zwischen dem Einkommen, das die Ehefrau bei einer fortgesetzten vollschichtigen Erwerbstätigkeit als Sachbearbeiterin in der Versicherungswirtschaft erzielen würde (ca. 2.640 € netto) und dem von ihr tatsächlich erzielten Einkommen in ihrer ausgeübten Tätigkeit als Schulsekretärin (ca. 1.460 €).

Der Bundesgerichtshof folgt aber nicht der Auffassung des Oberlandesgerichts, dieser ehebedingte Nachteil stehe einer Befristung nicht entgegen, weil die Antragsgegnerin ihn durch entsprechende Bemühungen hätte vermeiden können.

Der Bundesgerichtshof stellt den Zusammenhang zwischen ehebedingtem Nachteil und angemessener Erwerbstätigkeit heraus. Kann man dem Unterhaltsberechtigten unterhaltsrechtlich vorwerfen, dass er nicht wieder in seinem früheren Beruf arbeitet, ist ihm fiktiv das dort erzielbare Einkommen (anhand der Steuerklasse I ohne Kinderfreibetrag) zuzurechnen. Diese Bewertung erfolgt bereits bei der Feststellung seines Unterhaltsanspruchs, denn in Höhe dieses Einkommens wäre er überhaupt nicht unterhaltsbedürftig. Ist ein solcher Vorwurf hingegen nicht gerechtfertigt, kann er durch das geringere Einkommen, das er tatsächlich erzielt, seinen aktuellen Bedarf nur teilweise decken. In Höhe des Restbetrags bleibt er unterhaltsbedürftig. Hierfür trägt der Unterhaltsberechtigte die Darlegungs- und Beweislast.

Wenn diese Frage aber bereits entschieden worden ist, kann der Unterhaltspflichtige im Rahmen des § 1578b BGB nicht mehr einwenden, der Unterhaltsberechtigte könne ein höheres Einkommen erzielen und habe daher keinen ehebedingten Nachteil erlitten (BGH, Urt. v. 27.01.2010 - XII ZR 100/08).

Dies gilt dann, wenn diese Frage in einem vorangegangenen gerichtlichen Verfahren bereits - rechtskräftig - entschieden, aber auch, wenn der frühere Unterhalt in einem Vergleich festgesetzt worden ist. Haben die Beteiligten - wie hier - eine vorbehaltlose Vereinbarung geschlossen, darf der Unterhaltsberechtigte regelmäßig darauf vertrauen, gegenwärtig seiner Erwerbsobliegenheit zu genügen.

Wegen widersprüchlicher Ausführungen verwirft der Bundesgerichtshof die Auffassung des Oberlandesgerichts, die Antragsgegnerin hätte den ehebedingten Nachteil vermeiden können. Ihr kann nicht vorgeworfen werden, dass sie nicht ihre frühere - besser bezahlte - Erwerbstätigkeit wieder aufgenommen hat, wenn ihre tatsächlich ausgeübte - schlechter bezahlte - Tätigkeit als angemessen bewertet worden ist. Zudem hat der Antragsteller diese Sachlage bei Abschluss des letzten Vergleichs akzeptiert.

Quelle: Weiterer Aufsicht führender Richter am AG Dr. Wolfram Viefhues, Oberhausen - vom 02.04.13