Naturschutzbehörden sind befugt, gegenüber Betreibern bestandskräftig genehmigter Windkraftanlagen nachträgliche Beschränkungen für den Artenschutz zu erlassen, wenn sich die Sach- oder Rechtslage nachträglich wesentlich geändert hat. Das hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden. Im Streitfall ging es um eine mehrmonatige, nächtliche Abschaltung von Anlagen zum Schutz von Fledermäusen.
Darum geht es
Die Klägerin wendet sich gegen nachträgliche zeitliche Beschränkungen des Betriebs ihrer bestandskräftig genehmigten Windenergieanlagen, die die Beklagte gestützt auf die Generalklausel des § 3 Abs. 2 BNatSchG aus Gründen des Fledermausschutzes angeordnet hat.
Die im Jahr 2006 erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung enthält keine Betriebsbeschränkungen zum Schutz von Fledermäusen.
Nachdem später Totfunde verschiedener Fledermausarten im Bereich der Anlagen gemeldet und Bestandserfassungen zu Fledermäusen angestellt worden waren, verfügte die Beklagte unter näheren Maßgaben zu meteorologischen Rahmenbedingungen eine nächtliche Abschaltung der Anlagen vom 15.04. bis zum 31.08. eines Jahres.
Das Oberverwaltungsgericht hat die dagegen gerichtete Klage abgewiesen (OVG Lüneburg, Urteil v. 05.07.2022 - 12 KS 121/21).
Wesentliche Entscheidungsgründe
Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen.
Eine bestandskräftige immissionsschutzrechtliche Genehmigung steht nachträglichen artenschutzrechtlichen Anordnungen auf der Grundlage von § 3 Abs. 2 BNatSchG nicht generell entgegen. § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG begründet eine unmittelbare und dauerhafte Verhaltenspflicht, die auch bei Errichtung und Betrieb immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftiger Windenergieanlagen zu beachten ist.
Zwar ist aufgrund der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung der Anlagenbetrieb auch im Hinblick auf § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG als rechtmäßig anzusehen.
Das gilt aber nur in den Grenzen der auf den Zeitpunkt der Genehmigungserteilung bezogenen Feststellungswirkung der Genehmigung, wonach die genehmigte Anlage mit den öffentlich-rechtlichen Vorschriften vereinbar ist.
Aufgrund der Anknüpfung an den Genehmigungszeitpunkt erstreckt sich diese Feststellungswirkung nicht auf nachträgliche Änderungen der Sach- oder Rechtslage wie im vorliegenden Fall.
Die streitige Anordnung bewirkt auch keine - der immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbehörde vorbehaltene - (Teil-)Aufhebung der Genehmigung.
Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist es ferner, dass das Oberverwaltungsgericht im vorliegenden Fall einen Verstoß gegen § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG bejaht hat, weil durch den Betrieb der Windenergieanlagen das Tötungs- und Verletzungsrisiko von Exemplaren der besonders geschützten Fledermausarten signifikant erhöht sei.
BVerwG, Urt. v. 19.12.2023 - 7 C 4.22
Quelle: BVerwG, Pressemitteilung v. 19.12.2023