Unterlässt der Auftraggeber die Einzahlung eines von ihm vorgenommenen Sicherheitseinbehalts auf ein Sperrkonto und kann er den Restwerklohn infolge eigener Insolvenz nicht mehr auszahlen, so kann dies jedenfalls bei Geltung der VOB/B Untreue nach dem Treuebruchtatbestand sein.
Die Verpflichtung des Auftraggebers, den zur Absicherung eventueller Gewährleistungsansprüche einbehaltenen Restwerklohn auf ein Sperrkonto einzuzahlen, stellt jedenfalls bei Vereinbarung der VOB/B eine qualifizierte Vermögensbetreuungspflicht gegenüber dem Werkunternehmer dar.
Nach der Auffassung des OLG München ergibt sich aus dem Werkvertrag zunächst eine rein schuldrechtliche Verpflichtung auf Auszahlung des Sicherheitseinbehalts, da dieser als Teil der Werklohnforderung der gewöhnlichen Zahlungspflicht und den gesetzlichen Fälligkeitsregelungen unterliegt.
Wegen der Regelung des § 17 Nr. 6 Abs. 1 Satz 2 VOB/B ist der Auftraggeber allerdings trotz Fälligkeit zum Einbehalt des Sicherheitseinbehalts berechtigt und dadurch insoweit vor dem Insolvenzrisiko seines Auftragnehmers geschützt. Umgekehrt schützt die Verpflichtung zur Einzahlung des Sicherheitseinbehalts binnen 18 Werktagen auf ein Sperrkonto den Unternehmer vor einer Auftraggeberinsolvenz. Insgesamt wird damit zwischen den Vertragsparteien ein fairer Interessensausgleich angesichts des wechselseitigen Insolvenzrisikos sichergestellt.
Die Verpflichtung des Auftraggebers zur Einzahlung des Sicherheitseinbehalts binnen 18 Werktagen auf ein Sperrkonto sei dahingehend zu verstehen, dass der Auftraggeber nicht berechtigt ist, das einbehaltene Geld weiterhin als zu seinem eigenen Vermögen gehörend zu betrachten und damit zu arbeiten. Vielmehr gelte dieser Betrag ab dem Tag der Sicherheitsleistung als Fremdgeld. Der Fremdgeldcharakter ergebe sich insbesondere daraus, dass nach der Regelung des § 17 Nr. 6 VOB/B der Auftraggeber den jeweiligen Betrag auch ohne gesonderte Aufforderung binnen 18 Werktagen auf ein vereinbartes Sperrkonto einzuzahlen hat. Die Regelung diene darüber hinaus ausschließlich dem Schutz des Unternehmers vor dem Insolvenzrisiko seines Auftraggebers, so dass die Verpflichtung zur Einzahlung auf ein Sperrkonto als Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 Satz 2, 2. Alternative StGB zu verstehen sei.
Inwieweit strafrechtlich ein Untreuetatbestand tatsächlich vorliegt, hängt im weiteren von den subjektiven Umständen – Vorliegen oder Fehlen von Vorsatz – ab.
Quelle: OLG München - Beschluss vom 23.02.06