Arbeitsrecht -

Zweistufige Ausschlussfristen in Arbeitsverträgen

Die Erhebung der Kündigungsschutzklage unterbricht einearbeitsvertragliche Ausschlussfrist.

Ist in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Arbeitgebers geregelt, dass von der Gegenseite abgelehnte Ansprüche binnen einer Frist von drei Monaten einzuklagen sind, um deren Verfall zu verhindern, genügt die Erhebung der Kündigungsschutzklage, um das Erlöschen der vom Ausgang des Kündigungsrechtsstreits abhängigen Annahmeverzugsansprüche des Arbeitnehmers zu verhindern.{DB:tt_content:2566:bodytext}

I. Ausschlussfristen in Arbeitsverträgen

Bedeutung
Ausschlussfristen, die Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb eines Zeitraums von wenigen Monaten oder gar nur Wochen verfallen lassen, haben im Arbeitsrecht die Verjährungsfristen weitgehend verdrängt. Ausschlussfristen, auch Verwirkungs- oder Präklusivfristen genannt, sind vor allem in Tarifverträgen und in den Arbeitsverträgen anzutreffen. Sind sie im Arbeitsvertrag vereinbart, geschieht dies überwiegend durch Bezugnahme auf den einschlägigen Tarifvertrag und die darin enthaltene Ausschlussfrist („Auf das Arbeitsverhältnis findet der …-Tarifvertrag in seiner jeweils gültigen Fassung Anwendung.“), nicht selten treten sie aber auch als eigenständige Klauseln („Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis sind zwei Monate nach Fälligkeit schriftlich geltend zu machen“) auf.

Ausgestaltung
Eine wachsende Zahl dieser Ausschlussfristen ist zweistufig ausgestaltet. Hierbei hat der Gläubiger den Anspruch zunächst gegenüber der anderen Vertragspartei geltend zu machen (1. Stufe) und, sofern sich die Geltendmachung als erfolglos erweist, zu einer „gerichtlichen“ Geltendmachung (2. Stufe) überzugehen.

Derartige Ausschlussfristen sind im Falle von Kündigungsschutzverfahren, in denen neben der Wirksamkeit der Kündigung auch über die Ansprüche des Arbeitnehmers aus Annahmeverzug während des Verfahrens gestritten wird, besonders risikoreich für den Arbeitnehmer:

Nach der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung wird durch die Kündigungsschutzklage zwar die erste Stufe der Geltendmachung hinsichtlich der Entgeltansprüche, die während des Kündigungsschutzverfahrens entstehen, gewahrt (BAG, Urt. v. 26.04.2006 – 5 AZR 403/05, NZA 2006, 845; BAG, Urt. v. 28.11.2007 – 5 AZR 992/06, NZA 2008, 293). Für die zweite Stufe der Ausschlussfrist gilt dies im Regelfall jedoch nicht. Deshalb kann, wird die zweite Stufe der Ausschlussfrist nicht beachtet, der Arbeitnehmer mit der Kündigungsschutzklage erfolgreich sein, aber hinsichtlich der mittelbar verfolgten Ansprüche auf Arbeitsentgelt verlustig gehen.

Eben diese Fallkonstellation tritt in der Vertretungspraxis nicht selten auf und bildet den Hintergrund für Regressansprüche des Arbeitnehmers gegenüber seinem Prozessbevollmächtigten. Von besonderer Bedeutung ist deshalb, ob und inwieweit bereits in der Kündigungsschutzklage auch eine gerichtliche Geltendmachung der auf § 615 BGB gestützte Entgeltansprüche gesehen werden kann.

II. Bisherige Rechtsprechung

Kündigungsschutzklage genügt dem Klauselerfordernis nicht
Das BAG ist bislang in ständiger Rechtsprechung davon ausgegangen, dass die Kündigungsschutzklage dem Erfordernis der gerichtlichen Geltendmachung auf der zweiten Stufe im Regelfall nicht genügt.

Unterschiedlicher Streitgegenstand
Zur Begründung hat das Gericht darauf verwiesen, dass die einschlägigen Regelungen in den Verfallklauseln als Verweis auf prozessuale Grundsätze zu verstehen seien. Nach diesen Grundsätzen weisen Kündigungsschutzklage und Zahlungsklage einen unterschiedlichen Streitgegenstand auf.

Der Streitgegenstand der Kündigungsschutzklage ist auf die Wirksamkeit der Kündigung zu einem bestimmten Zeitpunkt beschränkt („punktuelle Streitgegenstandstheorie“), so dass die während eines Kündigungsschutzverfahrens anfallenden Zahlungsansprüche nur mit Hilfe einer eigenständigen Leistungsklage geltend gemacht werden können (zuletzt BAG, Urt. v. 08.08.2000 - 9 AZR 418/99 - AP Nr. 151 zu § 4 TVG Ausschlussfristen).

Kritik der Literatur
Diese streng prozessuale Sichtweise der Rechtsprechung hat lebhaften Widerspruch im Schrifttum erfahren, da sie den Arbeitnehmer zu einer prozessunökonomischen und letztlich unbilligen Verfahrensweise veranlasst: Er muss stets eine Zahlungsklage erheben, obwohl er erst durch das Urteil im Kündigungsschutzverfahren erfährt, ob diese eine reale Grundlage hat. Dennoch hat die Rechtsprechung bis in die jüngste Vergangenheit hinein an ihrer Auffassung festgehalten (BAG, Urt. v. 26.09.2001 - 5 AZR 699/00, AP Nr. 160 zu § 4 TVG Ausschlussfristen; BAG, Urt. v. 13.02.2003 - 8 AZR 236/02, AP Nr. 244 zu § 613a BGB) und dem Arbeitnehmer zur Abwendung eines Anspruchsverlusts empfohlen, eine Vereinbarung mit dem Arbeitgeber zu treffen, wonach sich dieser vor Ablauf des Kündigungsschutzverfahrens hinsichtlich der vom Ausgang des Verfahrens abhängigen Zahlungsansprüche nicht auf die Ausschlussfrist „berufen“ werde (siehe BAG, Urt. v. 22.02.1978 - 5 AZR 805/76 - BAGE 30, 135 = AP Nr. 63 zu § 4 TVG Ausschlussfristen).

III. Entscheidung des BAG vom 19.03.2008 – Rechtsprechungsänderung

Kündigungsschutzklage genügt dem Klauselerfordernis
Mit seinem Urteil vom 19.03.2008 hat das Gericht einen Paradigmenwechsel, jedenfalls für formularmäßige Verfallklauseln in Arbeitsverträgen vollzogen und der Kündigungsschutzklage grundsätzlich auch für solche Klauseln, die eine Klageerhebung auf der zweiten Stufe verlangen, eine geltendmachende Wirkung zuerkannt.

Sachverhalt
Die Parteien hatten im Arbeitsvertrag eine Klausel aufgenommen, wonach Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis zunächst binnen einer Frist von drei Monaten schriftlich geltend zu machen und im Fall der Ablehnung durch die Gegenpartei binnen einer weiteren Frist von drei Monaten „einzuklagen“ waren. Der Arbeitnehmer, dem das Arbeitsverhältnis im Oktober 2004 zum 30.06.2005 gekündigt wurde, ging mit einer Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung vor; der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses wurde in der Berufungsinstanz rechtskräftig festgestellt. Im Oktober 2005 erhob der Arbeitnehmer Klage auf Zahlung seiner Vergütung für den Zeitraum von Januar bis Juni 2005 – der Arbeitgeber hatte die Zahlung des Entgelts eingestellt – und erweiterte diese im Januar 2006 auf die Entgeltansprüche von Juli bis Dezember 2005. Der Arbeitgeber berief sich hinsichtlich dieser Ansprüche auf die arbeitsvertragliche Ausschlussfrist.

AGB-Kontrolle zweistufiger Ausschlussfristen
Der Senat stellt zunächst fest, dass es sich bei den Vertragsklauseln des Arbeitsvertrags um Allgemeine Geschäftsbedingungen i. S. d. § 305 Abs. 1 BGB handele. Diese seien nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn so auszulegen, wie sie von verständigen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der üblicherweise beteiligten Verkehrskreise verstanden würden. Maßgebend sind danach die Verständnismöglichkeiten des typischerweise bei Verträgen der geregelten Art zu erwartenden nicht rechtskundigen Vertragspartners.

Der Verwender ist deshalb verpflichtet, die Rechte und Pflichten des Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen; sie müssen so gestaltet sein, dass der nicht rechtskundige Durchschnittsarbeitnehmer die benachteiligende Wirkung ohne Einholung von Rechtsrat erkennen kann.

Die im Arbeitsvertrag enthaltene Formulierung, wonach Ansprüche „einzuklagen“ seien, könne von einem nicht rechtskundigen Durchschnittsarbeitnehmer so verstanden werden, dass jede prozessuale Auseinandersetzung über den Anspruch seine Obliegenheit erfüllt. Die zweite Stufe verdeutliche dem Arbeitnehmer nach allgemeinem Sprachgebrauch nur, dass ein Anspruch vor einem Gericht vorgebracht werden müsse und eine außergerichtliche Geltendmachung nicht genüge. Dem werde durch die Erhebung einer Kündigungsschutzklage Rechnung getragen. Diese Kündigungsschutzklage sei i.d.R. nicht auf den Erhalt des Arbeitsplatzes beschränkt, sondern zugleich und gerade auch auf die Sicherung der Ansprüche gerichtet, die durch den Verlust der Arbeitsstelle möglicherweise verlorengehen. Von einem nicht rechtskundigen Arbeitnehmer könne insbesondere nicht erwartet werden, dass er den prozessualen Begriff des Streitgegenstands und dessen Bedeutung kenne.

Wolle der Arbeitgeber als Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen erreichen, dass der Arbeitnehmer bereits vor dem rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens - in Unkenntnis von dessen Ergebnis und unter Inkaufnahme eines unnötigen Kostenrisikos - eine bezifferte Leistungsklage binnen bestimmter Frist jeweils nach Fälligkeit der Annahmeverzugsansprüche und etwaiger anderer Ansprüche erhebt, so müsse er dies nach Maßgabe des Transparenzgebots des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB klar und deutlich zum Ausdruck bringen. Da dies im Streitfall nicht gegeben war, folge aus der Auslegung, dass die Kündigungsschutzklage auch die zweite Stufe der Ausschlussfrist erfüllt habe.

Ob eine zweistufige Verfallklausel, die dem Arbeitnehmer die Pflicht auferlegt, vor dem rechtskräftigen Abschluss eines Kündigungsschutzprozesses die davon abhängigen Annahmeverzugsansprüche jeweils binnen einer mit Fälligkeit beginnenden Frist mittels einer bezifferten Leistungsklage geltend zu machen, letztlich einer inhaltlichen Kontrolle im Hinblick auf eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB standält, hat der Senat ausdrücklich offen gelassen.

IV. Anmerkung

Grundsätze
Mit der Entscheidung ist klargestellt, dass bei einer zweistufigen Ausschlussfrist im Formulararbeitsvertrag mit der Kündigungsschutzklage regelmäßig auch die während des Kündigungsschutzverfahrens entstehenden Zahlungsansprüche geltend gemacht werden.

Nur wenn der Arbeitgeber die Ausschlussfrist eindeutig und unmissverständlich dahin gehend formuliert, dass der Arbeitnehmer seine Ansprüche im Rahmen einer bezifferten Zahlungsklage vor dem Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens geltend machen muss, genügt die Kündigungsschutzklage nicht, um den Verfall der Ansprüche auszuschließen. Die vorsorgliche Erhebung einer Zahlungsklage parallel zum Kündigungsschutzprozess ist damit für einen erheblichen Teil der Verfahren entbehrlich geworden. Auch wenn die Verfallklausel in der zweiten Stufe statt von dem Einklagen des Anspruchs von der „gerichtlichen“ oder der „klageweisen“ Geltendmachung spricht, rechtfertigt dies kein anderes Auslegungsergebnis.

Gespaltene Rechtslage?
Allerdings ist mit dieser Entscheidung der Wirkungsumfang der Kündigungsschutzklage hinsichtlich der zweiten Stufe einer Ausschlussfrist von der Grundlage der Verfallklausel abhängig:


Während für Klauseln in Formulararbeitsverträgen die Kündigungsschutzklage dem Klageerfordernis auch hinsichtlich der Entgeltansprüche genügt, besteht für die tariflichen Verfallklauseln die Lehre vom unterschiedlichen Streitgegenstand fort, so dass es bei einer zweistufigen Verfallklausel einer gesonderten Klageerhebung hinsichtlich der Zahlungsansprüche bedarf.

Auch für die im Arbeitsvertrag in Bezug genommenen Tarifklauseln bleibt es bei der bisherigen Rechtslage. Denn bei der Inbezugnahme des Tarifvertrags ist aufgrund des Kontrollprivilegs des § 310 Abs. 4 Satz 4 BGB eine Anwendung der §§ 305 ff. BGB auf die (tariflichen) Ausschlussfristen ausgeschlossen (BAG, Urt. v. 27.07.2005 - 7 AZR 486/04, BAGE 115, 274 = AP Nr. 6 zu § 307 BGB). Die Bezugnahme kann auch durch einen Formularvertrag geschehen (BAG, Urt. v. 17.06.1997 - 9 AZR 801/95 - AP Nr. 2 zu § 74b HGB). Der Tarifvertrag muss allerdings insgesamt in den Einzelarbeitsvertrag aufgenommen werden („Auf das Arbeitsverhältnis findet der Tarifvertrag für [...] in seiner jeweils geltend Fassung Anwendung“) und es muss sich dabei um den im Betrieb, der Branche oder der Region einschlägigen Tarifvertrag handeln.

Das BAG hat auf diese Situation bereits reagiert und in einer jüngst ergangenen Entscheidung (BAG, Urt. v. 09.07.2008 – 5 AZR 518/07), die eine tarifliche Verfallklausel zum Gegenstand hatte, auf die Änderung seiner Rechtsprechung in der hier erläuterten Entscheidung aufmerksam gemacht. Die Frage, ob der Kündigungsschutzklage künftig nicht stets eine geltungserhaltende Wirkung zukommt, hat das Gericht jedoch offengelassen. Es konnte dies tun, weil der Anspruchsinhaber die prozessualen Voraussetzungen für eine gesonderte Zahlungsklage gewahrt hatte.

V. Praxishinweise

Mit der Entscheidung wird die Rechtsposition der Arbeitnehmer in Kündigungsschutzverfahren, die von einer zweistufigen Ausschlussfrist im Formularbeitsvertrag „begleitet“ werden, gestärkt. Will sich der Arbeitgeber den prozesstaktischen Vorteil einer derartigen Ausschlussfrist erhalten, ist er gezwungen, eine Anpassung im Wortlaut der Verfallklausel vorzunehmen, die den Anforderungen an eine Inhaltskontrolle nach den §§ 305 ff. BGB Rechnung trägt.

Geltendmachung durch Kündigungsschutzklage
Für die Arbeitsverhältnisse, in denen Ausschlussfristen in den Formulararbeitsverträgen zu finden sind, können Arbeitnehmer und ihre Prozessvertreter jetzt davon ausgehen, dass bereits mit der Kündigungsschutzklage dem Erfordernis der Geltendmachung auch hinsichtlich der Zahlungsansprüche genügt wird; die in der Praxis anzutreffenden Verfallklauseln belassen es fast ausnahmslos bei den oben erörterten Formulierungen.

Zwar kann auf tarifliche Ausschlussfristen und die durch Bezugnahmeklauseln im Arbeitsvertrag aufgenommenen Verfallklauseln diese Rechtsprechung nicht ohne Weiteres übertragen werden. Der Prozessvertreter eines Arbeitnehmers, der sich mit dem Einwand der Verfristung eines von einer tariflichen Ausschlussfrist erfassten Entgeltanspruchs konfrontiert sieht, sollte aber unter Verweis auf die Entscheidung vom 19.03.2008 die geltendmachende Wirkung der Kündigungsschutzklage in Anspruch nehmen. Im Übrigen empfiehlt es sich, bis zu einer die tariflichen Regelungen betreffenden Rechtsprechungsänderung in allen Fällen, in denen eine tarifliche Ausschlussfrist auf das Arbeitsverhältnis einwirkt oder eine solche Frist durch einen Verweis im Arbeitsvertrag in Bezug genommen wird, die während des Verfahrens entstehenden Zahlungsansprüche vorsorglich auch weiterhin durch eine separate Leistungsklage geltend zu machen.

Ausgestaltung der Verfallklausel
Soll das Erfordernis der klageweise Geltendmachung neben der Kündigungsschutzklage aufrechterhalten werden, ist für die ganz überwiegende Zahl der Formulararbeitsverträge eine Änderung der einschlägigen Verfallklausel unumgänglich. Dazu ist es erforderlich, dass in der textlichen Gestaltung der Ausschlussfrist in der zweiten Stufe eine Leistungsklage bzw. eine über die Kündigungsschutzklage hinausgehende Klageerhebung ausdrücklich verlangt wird.
Es bietet sich dazu folgende Formulierung der Verfallklausel an:

Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich geltend gemacht werden.

Lehnt die Gegenpartei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von zwei Wochen nach der Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von drei Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird. Die gilt auch für Ansprüche, die während eines Kündigungsschutzverfahrens entstehen. Diese müssen unabhängig von einer Kündigungsschutzklage innerhalb der Frist des Satzes 1 gerichtlich geltend gemacht werden.

Inhaltskontrolle zweistufiger Ausschlussfristen
Noch nicht entschieden ist damit, dass Klauseln, die dem Arbeitnehmer die Pflicht auferlegen, vor dem rechtskräftigen Abschluss eines Kündigungsschutzprozesses die Annahmeverzugsansprüche jeweils binnen einer bestimmten Frist mittels einer Leistungsklage geltend zu machen, einer inhaltlichen Kontrolle standhalten. Es muss zur Vorsicht gemahnen, dass der Senat diese Frage ausdrücklich offen lässt.

Im Zentrum der Inhaltskontrolle steht § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Danach berücksichtigt die Rechtsprechung zunehmend, ob durch eine Ausschlussfrist ein berechtigtes Klarstellungsinteresse verfolgt oder aber das berechtigte Anliegen des Vertragspartners, vor Klageerhebung die Sach- und Rechtslage abschließend zu prüfen und nicht zu voreiligen Klageerhebungen gezwungen zu sein, unvertretbar eingeschränkt wird. So hat das Gericht in jüngster Zeit im Falle einer einstufigen Verfallklausel eine Frist zur Geltendmachung von Ansprüchen von weniger als drei Monaten als zu kurz verworfen (BAG, Urt. v. 28.09.2005 - 5 AZR 52/05, AP Nr. 7 zu § 307 BGB). Ein zweistufige Ausschlussfrist hat es als solche – zahlreichen Einwänden im Schrifttum zum Trotz – noch zugelassen, für die zweite Stufe aber ebenfalls eine Mindestfrist von drei Monaten gefordert (BAG, Urt. v. 25.05.2005 - 5 AZR 572/04, AP Nr. 1 zu § 310 BGB). Ob die mit der zweistufigen Ausschlussfrist verbundene Verpflichtung zur Erhebung einer Zahlungsklage vor der abschließenden Entscheidung über eine Kündigungsschutzklage dieser Inhaltskontrolle standhält, ist im Hinblick auf den von der Klausel ausgehenden Druck auf den Arbeitnehmer, ins „Ungewisse“ klagen zu müssen, zweifelhaft. Vor einer abschließenden Entscheidung aber hat die Arbeitsvertragspraxis in jedem Fall dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB Rechnung zu tragen.

Quelle: Prof. Dr. Joachim Weyand - Beitrag vom 10.12.08