Das LAG Niedersachsen befragt den EuGH, ob das deutsche Zivilprozessrecht bei der Verwertung rechtswidrig erlangter Daten den Vorgaben der DSGVO genügt. Im Ausgangsfall verlangt eine Arbeitgeberin Schadensersatz von einer Ex-Mitarbeiterin. Die Arbeitgeberin hatte sich Zugang zu deren ebay-Konto verschafft, weil der Verdacht bestand, dass Firmeneigentum entwendet und veräußert wurde.
Darum geht es
In einem vor dem LAG Niedersachsen anhängigen Fall (Az. 8 Sa 688/23) verlangt die klagende Arbeitgeberin von einer ausgeschiedenen Arbeitnehmerin Schadenersatz in Höhe von rund 46.000 €.
Die Klägerin behauptet, die Beklagte habe unbefugt Gegenstände aus dem privaten Firmeneigentum an Dritte veräußert und sich am Erlös bereichert.
Die Klägerin stützt ihre Erkenntnisse über die Veräußerungsvorgänge auf eine ohne Wissen und Willen der Beklagten erfolgte Einsichtnahme in deren privates ebay-Konto.
Auf welche Weise die Klägerin die Kenntnis der ebay-Benutzerkennung der Beklagten und des zugehörigen Passwortes erlangt hat, ist zwischen den Parteien streitig.
Vorlage beim EuGH
Das LAG Niedersachsen hat in dieser Rechtssache beim Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) ein Vorabentscheidungsverfahren anhängig gemacht.
Der EuGH hat in seinen Urteilen vom 24.03.2022 - C-245/20 - (Autoriteit Persoonsgegevens) in Rn. 25 und vom 02.03.2023 - C-268/21 – (Norra Stockholm Bygg AB) in Rn. 26 deutlich gemacht, dass auch justizielle Tätigkeit, soweit dabei Daten verarbeitet werden, in den Geltungsbereich der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) fällt.
Mit der ersten Vorlagefrage soll Klarheit darüber geschaffen werden, ob die Regelungen des deutschen Zivilprozessrechts bestimmt genug sind - d.h., die erforderliche Regelungstiefe aufweisen -, um den Anforderungen der DSGVO zu genügen.
Des Weiteren wird der EuGH - kurz zusammengefasst - gefragt, welche der Normen der DSGVO auf gerichtliche Datenverarbeitungstätigkeit Anwendung finden und welche Rechtsgrundsätze hierbei von den Gerichten zu beachten sind.
Die Beantwortung der Fragen durch den Gerichtshof kann über die konkrete Rechtssache hinaus in allen Fällen hilfreich sein, in denen die nationalen Gerichte zu beurteilen haben, ob und unter welchen Voraussetzungen möglicherweise rechtswidrig erlangte Kenntnisse und Beweismittel, die eine Partei in den Rechtsstreit einführt, von ihnen verwertet werden können.
Das Verfahren wird von dem EUGH unter dem Aktenzeichen C-484/24 geführt.
LAG Niedersachsen - anhängiges Verfahren 8 Sa 688/23
Quelle: LAG Niedersachsen, Pressemitteilung v. 18.07.2024