Arbeitsrecht -

Zum Unterrichtungsanspruch des Betriebsrats aus § 80 Abs. 2 BetrVG

LAG Hessen, Beschl. v. 17.10.2011 - 16 TaBV 133/11 

Der Unterrichtungsanspruch aus § 80 Abs. 2 BetrVG besteht dann nicht, wenn ein Beteiligungsrecht des Betriebsrats offensichtlich nicht in Betracht kommt.{DB:tt_content:2566:bodytext}

Darum geht es

Der Arbeitgeber betreibt eine Kette von Möbelhäusern. Der Betriebsrat behauptet, er sei darüber informiert worden, dass der Arbeitgeber in mindestens zwei Fällen an Arbeitnehmer (Einmal-)Zahlungen wegen der Aufdeckung eines Diebstahls bzw. besonderen Arbeitseinsatzes gezahlt habe. Der Betriebsrat hat vom Arbeitgeber gefordert, ihn darüber zu informieren,

  • welche Arbeitnehmer seit Januar 2009 Einmalzahlungen erhalten haben,
  • welche Höhe diese Zahlungen hatten und
  • aus welchen Gründen diese Zahlungen erfolgten.

Er benötige diese Informationen um zu prüfen, ob ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bestehe. Nachdem der Arbeitgeber dieser Forderung nicht nachkam, stellte der Betriebsrat gerichtlich den Antrag, dem Arbeitgeber aufzugeben, die geforderten Informationen zu erteilen.

Das Arbeitsgericht Frankfurt/Main hat dem Antrag des Betriebsrats mit Beschluss vom 11.05.2011 (22 BV 743/10) stattgegeben. Die Beschwerde des Arbeitgebers hat das LAG Hessen nach Durchführung einer Beweisaufnahme durch Vernehmung der Betriebsratsvorsitzenden als Partei mit Beschluss vom 17.10.2011 (16 TaBV 133/11) zurückgewiesen.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Der Betriebsrat ist nach § 80 Abs. 2 BetrVG zur Durchführung seiner Aufgaben nach dem BetrVG rechtzeitig und umfassend vom Arbeitgeber zu unterrichten. Der Unterrichtungsanspruch soll es dem Betriebsrat ermöglichen, in eigener Verantwortung zu prüfen, ob sich Aufgaben i.S.d. BetrVG ergeben und er zu ihrer Wahrnehmung tätig werden muss. Die Grenzen des Unterrichtungsanspruchs liegen dort, wo ein Beteiligungsrecht offensichtlich nicht in Betracht kommt.

Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass der Betriebsrat Ende 2009/Anfang 2010 Kenntnis davon erlangt hat, dass der Arbeitgeber einer Kassiererin eine Einmalzahlung von 300 € leistete, weil sie einen Diebstahl meldete und ein weiterer Mitarbeiter für die Aufdeckung von Betrugsfällen 1.000 € erhielt. Ferner sind in der Vergangenheit der damals noch als Führungskraft tätigen Betriebsratsvorsitzenden für ihr Engagement 500 € gezahlt worden. Verschiedene Führungskräfte haben wiederholt zu besonderen Anlässen Einmalzahlungen erhalten. Zum anderen hat der Arbeitgeber selbst nicht behauptet, diese Zahlungen seien individuell zwischen den Arbeitsvertragsparteien ausgehandelt worden.

Regelungen über Einmalzahlungen unterfallen der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, sofern es sich um eine kollektive Regelung handelt. Die Abgrenzung zwischen kollektiven Tatbeständen und Einzelfallgestaltungen richtet sich danach, ob es um Strukturformen des Entgelts einschließlich ihrer näheren Vollzugsformen geht. Bereits die wiederholte Prämierung des Engagements im Zusammenhang mit der Aufdeckung von Vermögensdelikten stellt ein erhebliches Indiz dafür dar, dass es sich bei den Sonderzahlungen um einen kollektiven Tatbestand handelt. Ein Aufgabenbezug folgt auch aus der Überwachungspflicht des Betriebsrats nach § 80 Abs. 1 i.V.m. § 75 Abs. 1 BetrVG. Dass der Betriebsrat die Aufgabe hat, auf die Einhaltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes zu achten, kommt bei Einmalzahlungen ernsthaft in Betracht. Der Betriebsrat muss Kenntnis über die Gleichförmigkeit oder über bestimmte Gruppenbildungen bei der Gewährung der Einmalzahlungen erlangen.

Zur Wahrnehmung seines Mitbestimmungsrechts benötigt der Betriebsrat die im Antrag genannten Informationen. Diese sind erforderlich, um die vom Arbeitgeber angewandten Verteilungsgrundsätze und die Einhaltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes in Bezug auf die im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer zu überwachen.

Folgerungen aus der Entscheidung

Die Entscheidung folgt der Rechtsprechung des BAG zu § 80 Abs. 2 BetrVG. Danach erfolgt die Prüfung, ob ein Informationsanspruch des Betriebsrats gegeben ist, in einem zweistufigen Verfahren. In einem ersten Schritt ist zu prüfen, ob überhaupt eine Aufgabe des Betriebsrats gegeben ist, in einem zweiten, ob die im Einzelfall begehrte Information zur Aufgabenwahrnehmung erforderlich ist (BAG, Beschl. v. 23.03.2010 - 1 ABR 81/08). Es handelt sich um die schlichte Anwendung der vom BAG entwickelten Grundsätze auf den Einzelfall. Den Wertungen des LAG Hessen kann im Detail gefolgt werden.

Praxishinweis

Die Entscheidung zeigt deutlich, dass die Obergerichte die betriebsratsfreundliche Rechtsprechung des BAG zum Informationsanspruch aus § 80 Abs. 2 BetrVG nachvollziehen. In der Praxis kann die Information in der Regel nicht endgültig unterbleiben, sondern nur bis zur Rechtskraft eines Beschlussverfahrens zurückgehalten werden. Ob tatsächlich ein Geheimhaltungsinteresse gegeben ist, das kostenintensive Gerichtsverfahren und eine Belastung der Beziehungen zum Betriebsrat wert ist, muss der Arbeitgeber im Einzelfall entscheiden.

Quelle: Ra Dr. Martin Kolmhuber - vom 31.01.12