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Arbeitsrecht -

Zu den Verhaltenspflichten des Arbeitnehmers während Zeiten der Arbeitsunfähigkeit

LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 05.03.2013 - 5 Sa 106/12

Ein arbeitsunfähig erkrankter Arbeitnehmer hat durch sein eigenes Verhalten dafür Sorge zu tragen, dass er die Phase der Arbeitsunfähigkeit möglichst zügig überwindet.{DB:tt_content:2566:bodytext}

Darum geht es

Der Kläger ist Abteilungsleiter Reha-Technik bei der Beklagten. Im Frühjahr 2011 führte der Kläger mit dem Alleingesellschafter der Beklagten ergebnislose Gespräche über die Übertragung der Geschäftsführerposition. Er bewarb sich in der Folgezeit für die Position des Geschäftsführers der städtischen A. gGmbH und kam am 22.08.2011 im Rahmen des Bewerbungsverfahrens der Einladung nach, sich bei der Bürgerschaft vorzustellen, worüber die Presse berichtete. An diesem Tag war der Kläger wie im gesamten Zeitraum vom 08.08. bis zum 24.08.2011 als arbeitsunfähig krankgeschrieben. Am folgenden Tag kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich und hilfsweise ordentlich.

Die Beklagte stützt die Kündigung auf unterschiedliche Vorwürfe. Der Dienstwagen sei von Familienmitgliedern des Klägers ohne Zustimmung der Beklagten auch während der beruflichen Abwesenheit des Klägers genutzt worden. Die Bewerbung des Klägers um die Position des Geschäftsführers der A. gGmbH stelle ein illoyales Verhalten dar. Zudem habe sich der Kläger im Frühjahr des Jahres 2011 ohne Aufforderung bei dem Alleingesellschafter der Beklagten um die Geschäftsführerposition beworben. Des Weiteren sei er seinen Aufgaben als leitender Angestellter nicht gewachsen und die Zusammenarbeit mit anderen Mitarbeitern gestalte sich als "äußerst schwierig". Die Kündigung des Klägers sei außerdem betriebsbedingt. Am 22.08.2011 habe die Beklagte die unternehmerische Entscheidung getroffen, u.a. den Bereich Reha-Technik direkt dem Geschäftsführer der Beklagten zu unterstellen und die Position des Klägers zu streichen.

Das ArbG Stralsund hat der Kündigungsschutzklage des Klägers mit Urteil vom 07.02.2012 - 1 Ca 307/11 stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung hat das LAG Mecklenburg-Vorpommern mit Urteil vom 05.03.2013 - 5 Sa 106/12 zurückgewiesen.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung liege nicht vor. Ein arbeitsunfähig erkrankter Arbeitnehmer habe durch sein eigenes Verhalten dafür Sorge zu tragen, dass er die Phase der Arbeitsunfähigkeit möglichst zügig überwinde. Welche Tätigkeiten einem Arbeitnehmer während der Zeit der Arbeitsunfähigkeit untersagt seien, hänge von der vorliegenden Krankheit ab. Der Kläger habe unstreitig an einer Einschränkung der Bewegungsfähigkeit seines rechten Arms gelitten, die auf einen eingeklemmten Nerv zurückzuführen war. Die Wahrnehmung des Vorstellungsgesprächs sei deshalb nicht genesungsfeindlich.

Der Kläger habe seinen Abkehrwillen gezeigt. Artikel 12 GG gewähre ihm allerdings die freie Arbeitsplatzwahl. Der Abkehrwille könne deshalb eine Kündigung nur rechtfertigen, wenn der abkehrwillige Arbeitnehmer seine Pflichten im alten Arbeitsverhältnis zugunsten seiner zukünftigen Tätigkeit vernachlässige oder der Arbeitgeber die Chance habe, für ihn eine andere Person einzustellen. Diese Voraussetzungen lägen nicht vor.

Die weiteren Pflichtverletzungen seien bereits gem. § 626 Abs. 2 BGB verfristet. Nach dieser Vorschrift kann die fristlose Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen ab Kenntnis von den die Kündigung begründenden Tatsachen erfolgen.

Auch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung sei unwirksam. Erschöpfe sich die Umsetzung des neuen Betriebskonzepts praktisch in der Kündigung eines Arbeitnehmers, seien die Organisationsentscheidung und der Kündigungsentschluss deckungsgleich. In diesem Fall müsse der Arbeitgeber seine Entscheidung hinsichtlich der organisatorischen Durchführbarkeit und zeitlichen Nachhaltigkeit verdeutlichen. Daran fehle es, wenn die Kündigung zu einer rechtswidrigen Überforderung oder Benachteiligung des im Betrieb verbleibenden Personals führen würde. Die unternehmerische Entscheidung dürfe ebenso wenig Vorwand sein, bestimmte Arbeitnehmer aus dem Betrieb zu drängen, obwohl Beschäftigungsbedarf und -möglichkeiten objektiv fortbestünden.

Die Einstellung des Klägers sei nach dem Vortrag der Beklagten zur Entlastung der Geschäftsführung erfolgt. Nach der Entlassung des Klägers werde diese bei unveränderten Umständen wieder eintreten. Wegen des engen zeitlichen Zusammenhangs der Kündigungserklärung mit dem Vorstellungsbespräch des Klägers dränge sich der Gedanke auf, der Kündigungsgrund sei nur vorgeschoben. Die Beklagte habe keine vernünftige Begründung ihrer Entscheidung anführen können,

Die Kündigung sei auch nicht wegen angeblicher Schlechtleistungen des Klägers im operativen Geschäft sozial gerechtfertigt. Sei der Arbeitgeber mit der Erledigung der Aufgaben nicht zufrieden, müsse er durch konkrete Anweisungen oder den Ausspruch von Abmahnungen eine Verhaltensänderung anstreben.

Das Angebot an den Gesellschafter der Beklagten, die Geschäftsführung zu übernehmen, möge gegenüber dem Geschäftsführer der Beklagten illoyal gewesen sein, nicht aber gegenüber der Beklagten.

Folgerungen aus der Entscheidung

Das LAG folgt bei der Anwendung des Kündigungsschutzrechts uneingeschränkt dem Bundesarbeitsgericht. Es bestätigt insbesondere die ständige Rechtsprechung zur betriebsbedingten Kündigung, bei der die unternehmerische Entscheidung zeitgleich mit dem Kündigungsentschluss getroffen wird (seit BAG, Urt. v. 17.07.1999 - 2 AZR 522/98; zuletzt BAG, Urt. vom 24.05.2012 - 2 AZR 124/11; BAG, Urt. v. 16.12. 2010 - 2 AZR 770/09).

Die Wertung der Bewerbung um die Position eines Geschäftsführers begegnet Bedenken. Der Geschäftsführer ist Organ der Beklagten. Er ist im Außenverhältnis gegenüber dem Kläger als Arbeitnehmer vertretungsbefugt. Es ist nicht nachvollziehbar, wie ein illoyales und damit pflichtwidriges Verhalten gegenüber einem Organ des Arbeitgebers kündigungsrechtlich nicht relevant sein sollte.

Praxishinweis

Professionelles Trennungsmanagement ist gegenüber der Konstruktion oder Wertung von Kündigungsgründen vorzugswürdig. Vor allem ist es häufig preiswerter als eine gerichtliche Auseinandersetzung und deren mögliche Folgen.

Quelle: RA Dr. Martin Kolmhuber - vom 03.06.13