Arbeitsrecht -

Überwachung von Arbeitnehmern

Der Beitrag von Rechtsanwalt Arno Schrader weist auf die Grenzen der Mitarbeiterüberwachung hin.

Nach dem Beschluss des BAG sind Arbeitgeber und Betriebsrat grundsätzlich befugt, eine Videoüberwachung im Betrieb einzuführen. Da allerdings in die Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer eingegriffen wird, muss der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt werden.{DB:tt_content:2566:bodytext}

Bleiben wir also zunächst bei der Videoüberwachung:

Die Bundesarbeitsrichter mussten über die Rechtmäßigkeit einer Videoüberwachungsmaßnahme entscheiden. In einem Briefverteilungszentrum beklagten innerhalb weniger Monate viele Kunden den Verlust von Sendungen. Der Arbeitgeber wollte deshalb eine Videoüberwachungsanlage im Arbeitsbereich der „Handsortierung“ installieren, um die Mitarbeiter zu überwachen. In den Postverteilzentren werden die Briefe automatisch sortiert. Die Adressen werden von Lesegeräte gescannt. Unleserliche Anschriften oder Briefe mit unvollständigen Anschriften landen in der Handverteilung. Nur hier kann Post also abhanden gekommen sein.

Der Betriebsrat hielt die Installation einer Videoüberwachungsanlage allerdings nicht für notwendig. Die darauf hin eingeschaltete Einigungsstelle beschloss dann aber eine Betriebsvereinbarung zu diesem Thema.

Danach war die Videoüberwachung ausschließlich zulässig, wenn sie zum Zweck der Aufklärung von Straftaten sowie der Vorbeugung vor weiteren Straftaten festgelegt wurde. Sie wurde zudem räumlich beschränkt auf den Bereich des Betriebs, in dem die Briefe abhanden gekommen waren. Darüber hinaus sollte die Videoanlage im sog. 2-Schlüssel-Verfahren betrieben werden. Die Inbetriebnahme und Auswertung der Aufzeichnungen sollte nur durch den Betriebsrat und den Arbeitgeber gemeinsam erfolgen.

Allerdings findet sich unter anderem auch folgender Passus in der Vereinbarung: „Hat die Videoaufzeichnung des überwachten Bereichs [...] zu keiner Überführung des Täters oder der Täterin geführt, kann die Videoaufzeichnung auf weitere Bereiche oder ggf. das gesamte Briefzentrum erstreckt werden, wobei die Überwachung mit Aufzeichnung insgesamt 4 Wochen nicht überschreiten darf. Eine darüber hinaus gehende Videoüberwachung im Aufzeichnungsmodus aufgrund des auslösenden Vorfalls ist nur mit Zustimmung des BR zulässig.“

Gegen diese von der Einigungsstelle beschlossen Betriebsvereinbarung ging der Betriebsrat gerichtlich vor. Erst vor dem BAG hatte er teilweise Erfolg.


Die Entscheidung des BAG vom 26.08.2008 - 1 ABR 16/07

Das BAG hielt die Betriebsvereinbarung überwiegend für rechtmäßig. Grundsätzlich seien Arbeitgeber und Betriebsrat befugt, eine betriebliche Videoüberwachung einzuführen. Da eine Videoüberwachung aber stets in das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer eingreife, müsse sich die Betriebsvereinbarung am Prinzip der Verhältnismäßigkeit messen lassen. Das setze voraus, dass die Vereinbarung geeignet, erforderlich und angemessen sei.

Hier können Sie den Beschluss des BAG vom 26.08.2008 im Volltext herunterladen.


Verhältnismäßigkeit

Nach dem BAG war die Videoüberwachung sowohl geeignet als auch erforderlich. Das Merkmal der Angemessenheit wurde allerdings verneint. Die Angemessenheit richte sich vor allem nach der Intensität des Eingriffs. Die Regelungen der Betriebsvereinbarung hielten dieser Anforderung weitestgehend Stand. Denn eine Videoüberwachung sollte nur bei einem konkreten Verdacht möglich sein. Sie war zudem räumlich und zeitlich beschränkt worden und die Mitwirkungspflicht des Betriebsrats war gesichert worden.


Aber:

Die Betriebsvereinbarung enthielt darüber hinaus eine weiter gehende Regelung: Überwachungsmaßnahmen können danach ausgedehnt werden, wenn die eingeschränkte Überwachung erfolglos sein sollte. Diese Regelung ist unwirksam. Denn dadurch würde eine Vielzahl von unschuldigen Arbeitnehmern ohne einen konkreten Verdacht in die Überwachungsmaßnahme einbezogen, ohne dass es hierzu einen Anlass gegeben hätte.


Fazit Videoüberwachung

An öffentlich nicht zugänglichen Orten wie dem Betrieb bedarf es einer umfassenden Verhältnismäßigkeitsprüfung. Die offene Überwachung muss geeignet, erforderlich und angemessen sein.

Die offene Videoüberwachung an öffentlich zugänglichen Orten ist stets bei der Sicherung berechtigter Interessen möglich. Das dürfte beispielsweise bei der Diebstahlsüberwachung in einem Warenhaus der Fall sein. Dabei ist es dann auch unschädlich, ob Arbeitnehmer gefilmt werden oder nicht.

Die heimliche und verdeckte Videoüberwachung dagegen ist in der Regel nur bei einem konkreten Verdacht strafbarer Handlungen möglich.


Internet- und E-Mail-Überwachung

Eine weitere Möglichkeit der Überwachung, die in der Praxis durchaus häufiger vorgenommen wird, ist die Kontrolle des E-Mail-Verkehrs und der Internetnutzung.

Falls die Privatnutzung von Computern am Arbeitsplatz verboten bzw. eingeschränkt ist, darf dies stichprobenartig überprüft werden. Die Untersagung der Privatnutzung durch den Arbeitgeber ist rechtlich nicht zu beanstanden.

Eine geschäftliche E-Mail kann dann vom Arbeitgeber überprüft werden, wenn sie wie ein Geschäftsbrief zu behandeln ist. Auch Geschäftsbriefe können nämlich jederzeit vom Arbeitgeber eingesehen werden.

Ist die private und die geschäftliche Nutzung von Internet und E-Mail erlaubt, scheidet eine Erhebung der Verbindungsdaten nach dem TKG bereits aus. Etwas anderes dürfte nur dann gelten, wenn eine verbrauchsabhängige Kostenbeteiligung der Arbeitnehmer für den Privatanteil vereinbart wurde. Eine inhaltliche Kontrolle darf jedoch nicht stattfinden.


Telefon

Gleiches gilt für Telefonate. Auch hier ist eine inhaltliche Kontrolle stets unzulässig. Sie stellt einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers dar. Weiterhin wird das Fernmeldegeheimnis bei einer Kontrolle verletzt. Die Speicherung der Verbindungsdaten wird bei Telefonaten jedoch erlaubt sein. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Arbeitnehmer sich anteilig an den Kosten zu beteiligen hat oder wenn ein eingeschränktes Verbot der Privatnutzung überwacht werden soll.


Persönliche Kontrollen am Arbeitsplatz

Solche persönliche Kontrollen oder auch individuelle Taschenkontrollen sind nur zur Aufklärung eines Diebstahls oder anderer Straftaten möglich. Es muss ein konkreter Verdacht vorliegen. Stets ist es erforderlich, dass der betroffene Mitarbeiter den Kontrollen zustimmt. Weigert er sich, muss der Arbeitgeber die Polizei zu Hilfe rufen.


Alkoholkontrollen

Auch Alkoholkontrollen durch den Arbeitgeber sind nur mit Zustimmung des Mitarbeiters möglich.


Einführung von Zeiterfassungssystemen

Der Arbeitgeber darf jederzeit ein Zeitverfassungssystem installieren. Dieses dient der Kontrolle, ob die Arbeitnehmer die Arbeitszeit tatsächlich erfüllen.


Einschaltung von Detektiven

Auch darf ein Arbeitgeber zur Aufklärung, ob beispielsweise ein Mitarbeiter zu Recht krank feiert oder in unerlaubter Weise einer Konkurrenztätigkeit nachgeht, stets einen privaten Detektivdienst engagieren. Eine solche Kontrolle ist aber nur zulässig, wenn ein begründeter konkreter Verdacht besteht.


So ist der Betriebsrat zu beteiligen

Die Mitarbeiterüberwachung kann verschiedene Tatbestände des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) berühren. Insbesondere sind die Fragen der

  • Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer (§ 87 Abs. 1 Nr. 1) und
  • die Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten und die Leistung des Arbeitnehmers zu überwachen, zu nennen (§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG).

Weiterhin ist es Aufgabe des Betriebsrats nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG darüber zu wachen, dass die geltenden Gesetze eingehalten werden. Dies gilt natürlich auch für das Bundesdatenschutzgesetz und die Telekommunikationsgesetze.

Konkret mitzubestimmen hat der Betriebsrat in aller Regel u. a. bei:

  • der Einführung von Videoüberwachungsanlagen
  • technischen Einrichtungen zur Leistungskontrolle, soweit sie die Telefon-, Internet- oder E-Mail-Nutzung betreffen
  • Einführung von Alkoholverboten
  • Installation von Zeiterfassungssystemen


Fazit

Mit immer neuen technischen Errungenschaften, die im Betrieb Einzug halten, ist stets die Frage der Überwachung durch den Arbeitgeber verbunden. Die Grenzen liegen nicht nur in den Persönlichkeitsrechten der Arbeitnehmer, sondern auch in den Datenschutzgesetzen und den Telekommunikationsgesetzen. Und dies ist auch gut so.


Informationsschreiben an Mandantinnen und Mandanten

Sehr geehrte Mandantin,
sehr geehrter Mandant,

gegen viele große Unternehmen wurden in den vergangenen Monaten Bespitzelungsvorwürfe erhoben. Es zeigt aber auch, dass Arbeitgeber ein Interesse daran haben, die Zuverlässigkeit und Loyalität ihrer Mitarbeiter zu überprüfen. Mitarbeiterkontrollen sind ein äußerst heikles Thema. Klar ist: Beinahe alle Arbeitgeber wollen darüber informiert sein, was in ihrem Unternehmen geschieht. Sie wollen überprüfen, was ihre Beschäftigten während der Arbeitszeit machen und ob sie sich an die Arbeitsanweisungen halten. Und das ist auch ihr Recht und ihre Pflicht. Dabei müssen sie aber bestimmte Grenzen einhalten. Einerseits sind die Persönlichkeitsrechte der Mitarbeiter und andererseits die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats zu wahren.

Gerne prüfen wir für Sie, ob und welche Überwachungsmaßnahmen rechtlich zulässig sind. Arbeitgeber sollten nämlich vorsichtig sein: Bei Überschreiten der Grenzen sind schnell Straftatbestände verwirklicht, und es drohen Schadenersatz- und Schmerzensgeldansprüche.

Hier finden Sie einen kurzen Auszug der wichtigsten Überwachungsmaßnahmen:

 

Maßnahme des Arbeitgebers Zulässigkeit Mitwirkung des Betriebsrats
Offene Videoaufnahmen im nicht öffentlich zugänglichen Betrieb Ja, wenn der Verhältnismäßigkeits-
grundsatz gewahrt wird.
Ja
Offene Videoaufnahmen im öffentlich zugänglichen Betrieb (z.B. Warenhaus) Ja Ja, wenn dadurch das Verhalten und die Leistung eines Mitarbeiters beurteilt werden kann und soll.
Lesen von beruflichen E-Mails In der Regel: Ja Nein
Lesen von privaten E-Mails Nein Nein, da unzulässig.
Abhören von Telefonaten Nein Nein, da unzulässig.
Individuelle Taschenkontrolle Zur Aufklärung eines Diebstahls oder anderer Straftaten bei einem konkreten Verdacht. Es ist jedoch erforderlich, dass der Mitarbeiter zustimmt. Weigert er sich, muss der Arbeitgeber die Polizei einschalten. Keine. Geht es allerdings um die Aufstellung allgemeiner Grundsätze in Form einer Betriebsvereinbarung, existiert ein Mitbestimmungsrecht (§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG).
Alkoholtests Zur Aufklärung, ob ein Mitarbeiter während der Arbeitszeit Alkohol konsumiert mit Zustimmung des Mitarbeiters. Ein allgemeines Alkoholverbot im Betrieb kann nur mit Zustimmung des Betriebsrats eingeführt werden. Er hat ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, sofern es darum geht, eine grundsätzliche Regelung zum Alkoholgenuss im Betrieb im Rahmen einer Betriebsvereinbarung zu schließen.
Privatdetektiv Zur Aufklärung, ob ein Mitarbeiter krank feiert oder in unerlaubter Weise bei der Konkurrenz arbeitet. Allerdings sind solche Kontrollen nur zulässig, wenn ein begründeter Verdacht besteht. Keine. Etwas anderes gilt allerdings, wenn der Detektiv ausnahmsweise in den Betrieb eingegliedert wird. Dann bestehen die Mitbestimmungsrechte nach § 99 BetrVG.
Zeiterfassungssysteme Zur Kontrolle, ob die Mitarbeiter die Arbeitszeit erfüllen. Es besteht ein Mitbestimmungsrecht (§ 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG).

 

Bei Fragen stehen wir gerne für Sie zur Verfügung.

Freundliche Grüßen

Rechtsanwalt

Quelle: Rechtsanwalt Arno Schrader - Beitrag vom 31.10.08