Arbeitsrecht -

Treuwidrige Berufung auf die Schriftform

Hess. LAG, Urt. v. 26.02.2013 - 13 Sa 845/12

Die Berufung auf das Schriftformerfordernis bei Kündigungen und Aufhebungsverträgen kann treuwidrig sein.{DB:tt_content:2566:bodytext}

Darum geht es

Eine Arbeitnehmerin wollte im Jahr 2007 zu einem Schwesterunternehmen der Arbeitgeberin in der Schweiz wechseln. Dies teilte sie ihrer Arbeitgeberin, die antwortete: "... Der Form halber kurz: Ihr Anstellungsverhältnis mit der ... endet zum 30. Juni 2007. ..." Daraufhin unterzeichnete die Arbeitnehmerin mit dem Schwesterunternehmen einen Arbeitsvertrag. Die ursprüngliche Arbeitgeberin verzichtete auf die Einhaltung einer Kündigungsfrist.

Das Schwesterunternehmen kündigte sodann vier Jahre später das Arbeitsverhältnis mit der Arbeitnehmerin. Gemäß den arbeitsrechtlichen Vorschriften der Schweiz erhielt sie eine Entschädigung in Höhe von etwa 25.000 Schweizer Franken. Gleichzeitig verlangte sie die Weiterbeschäftigung bei der ursprünglichen Arbeitgeberin in Deutschland. Sie klagte auf Feststellung des Bestehens ihres Arbeitsverhältnisses und auf Weiterbeschäftigung an ihrem alten Arbeitsplatz. Die Begründung dafür: Das Arbeitsverhältnis mit der ursprünglichen Arbeitgeberin bestünde fort und ein schriftlicher Aufhebungsvertrag würde nicht bestehen. Eine angebotene Weiterbeschäftigung lehnte sie nach dem Obsiegen in erster Instanz ab. Derweil begann sie ein weiteres Arbeitsverhältnis mit einem dritten Unternehmen.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Zunächst stellt das Hessische LAG fest, dass das Klagerecht der Arbeitnehmerin nicht verjährt ist. Aus rechtsstaatlichen Gründen muss hierfür ein strenger Maßstab angelegt werden.

Trotzdem hat es die Klage für unbegründet erachtet. Zwar ist das Arbeitsverhältnis nicht formgerecht beendet worden, da nach § 623 BGB die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses durch Kündigung oder Auflösungsvertrag der Schriftform bedarf. Das vorbezeichnete Schreiben der Arbeitgeberin stellt keine Kündigung dar, da der Wille, das Arbeitsverhältnis durch das Schreiben zu beenden, nicht erkennbar ist. Auch einen Aufhebungsvertrag gab es unstreitig nicht.

Das Landesarbeitsgericht hat sich aber auf den Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB berufen. Danach war es der Arbeitnehmerin aufgrund widersprüchlichen Verhaltens (venire contra factum proprium) verwehrt, sich auf den Formmangel zu berufen. Dies war der Fall, da zum einen die ehemalige Arbeitgeberin einen besonderen Grund hatte, trotz des Formmangels auf die Gültigkeit der Erklärung zu vertrauen und die Arbeitnehmerin sich zum anderen mit ihrer Berufung auf den Formmangel zu ihrem vorhergehenden Verhalten in Widerspruch gesetzt hat.

Durch eben dieses hatte sie einen besonderen Vertrauenstatbestand geschaffen.

Eine Kündigungsfrist hat die Arbeitnehmerin damals nicht beachtet und auch nicht beachten müssen. Die Arbeitgeberin hat ihr den Weg geebnet, sodass die Arbeitnehmerin von einem Tag auf den anderen ihre Arbeit bei dem Schwesterunternehmen aufnehmen konnte.

Die Arbeitnehmerin hat auch keinen Widerspruch gegen das Schreiben der ursprünglichen Arbeitgeberin erhoben, in dem diese den Zeitpunkt des Endes des Arbeitsverhältnisses feststellte. Ferner ließ sie sich ein Zeugnis ausstellen, in dem ihr Weggang bedauert wurde. Auch hat sie sich von der Arbeitgeberin in der Schweiz eine Entschädigung zahlen lassen und dort zu einem anderen Arbeitgeber gewechselt.

Zudem schlug sie das Angebot der jetzt beklagten ursprünglichen Arbeitgeberin aus, sie nach der erstinstanzlichen Verurteilung vorläufig weiter zu beschäftigen. Dies alles hat das Landesarbeitsgericht davon ausgehen lassen, dass die Arbeitnehmerin selbst nie an einen Fortbestand des Arbeitsverhältnisses geglaubt hatte. Die Arbeitgeberin konnte darauf vertrauen, dass auch die Arbeitnehmerin das Arbeitsverhältnis als beendet ansah und es nicht mehr aufnehmen wollte. Deshalb lag ein Verstoß gegen das Gebot des § 242 BGB (Grundsatz von Treu und Glauben) vor, gemäß dem sich die Arbeitnehmerin nicht auf die Formungültigkeit berufen durfte.

Folgerungen aus der Entscheidung

Wieder einmal hat also ein Gericht das Gesetz berichtigt und zu Recht gerückt. Denn natürlich gibt es eine klare gesetzliche Anweisung, nach der Kündigungen und Aufhebungsverträge der Schriftform bedürfen. Und eine schriftliche Kündigung lag gerade nicht vor. Der von der Arbeitgeberin verwendete Satz, dass das Arbeitsverhältnis mit einem bestimmten Datum endet, genügte den Anforderungen einer schriftlichen Kündigung nicht.

Praxishinweis

In der Praxis dürfte dieses Urteil eine große Ausnahme darstellen, denn grundsätzlich ist die Schriftform zu wahren. Eine Kündigung und ein Aufhebungsvertrag müssen schriftlich erfolgen, insbesondere mit einer Unterschrift versehen sein. Dass es jedoch auch anders laufen kann, zeigt dieses Urteil auf.

Trotzdem ist eine solche Situation für Arbeitgeber natürlich riskant, insbesondere wenn ein Arbeitnehmer unter Umständen wieder eingestellt werden muss. Arbeitgebern ist dringend zu raten, in vergleichbaren Fällen eine ordnungsgemäße Kündigung auszusprechen, die zudem beweissicher zugestellt wird. Wäre die ursprüngliche Arbeitgeberin so verfahren, hätte sich die Arbeitnehmerin mit großer Wahrscheinlichkeit nicht gegen eine Beendigung des ursprünglichen Arbeitsverhältnisses gewehrt.

Eine Kündigung sollte also immer auch als solche bezeichnet werden - auch das bleibt als Konsequenz aus diesem Urteil zu ziehen.

Quelle: RA Arno Schrader - vom 01.07.13