Arbeitsrecht -

Schutz behinderter, aber nicht schwerbehinderter Menschen

BAG, Urt. v. 27. 01.2011 - 8 AZR 580/09

Grundsätzlich können sich alle Menschen mit Behinderung auf das AGG berufen, sofern sie eine Verletzung des Rechts auf Gleichbehandlung nach diesem Gesetz nachweisen können. Auf die Schutzvorschriften für schwerbehinderte Menschen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB IX) können sich dagegen nur Menschen mit einem Grad der Behinderung (GdB) von wenigstens 50 oder diesen durch ein förmliches Verfahren gleichgestellte Menschen berufen.{DB:tt_content:2566:bodytext}

Darum geht es:

Für die Klägerin, die u.a. eine Ausbildung zur Gesundheitskauffrau absolviert hat, ist ein GdB von 40 festgestellt worden. Ihrem Antrag auf Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschen war nicht entsprochen worden. Die Klägerin bewarb sich bei der Beklagten für die Stelle einer Sekretärin des Chefarztes und wies dabei ausdrücklich auf den bei ihr vorliegenden GdB von 40 hin. Die Beklagte besetzte die Stelle mit einer anderen Bewerberin, ohne die Bestimmungen des SGB IX zum Schutz von schwerbehinderten Menschen beachtet oder die Klägerin zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen zu haben. Die Klägerin sieht sich als Behinderte benachteiligt und verlangt von der Beklagten eine Entschädigung. Zwar habe sie keinen GdB von 50 und sei auch nicht gleichgestellt worden, letzteres sei ihr aber für den Bedarfsfall zugesichert worden. Die Beklagte habe bei der Stellenbesetzung mehrfach das SGB IX verletzt, was die Vermutung auslöse, dass bei der Ablehnung der Klägerin ihre Behinderung eine Rolle gespielt habe. Diese Vermutung habe die Beklagte nicht entkräften können.

Wesentliche Entscheidungsgründe:

Die Klage blieb in allen drei Instanzen ohne Erfolg. Die Beklagte musste die Klägerin nicht nach den Vorschriften des SGB IX behandeln, da die Klägerin dafür die persönlichen Voraussetzungen nicht erfüllt. Sie fällt nicht unter den Anwendungsbereich der Schutzvorschriften des SGB IX. Deshalb kann sich die Klägerin auch nicht auf sonstige Verletzungen der Vorschriften des SGB IX berufen. Auch dafür müsste sie schwerbehindert oder den schwerbehinderten Menschen gleichgestellt sein. Allerdings stehen seit August 2006 alle behinderten Menschen unter dem Schutz des AGG. Die Klägerin hat sich jedoch ausschließlich auf die Verletzung von Vorschriften des SGB IX berufen und keine Tatsachen vorgetragen, die die Vermutung für eine Benachteiligung im Sinne des AGG auslösen. Nachdem mit dem AGG die Rahmenrichtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000 in deutsches Recht umgesetzt ist, kommt die zwischenzeitlich notwendige entsprechende Anwendung der Regeln des SGB IX auf nicht schwerbehinderte Menschen nicht länger in Betracht.

Quelle: BAG - Pressemitteilung vom 27.01.11