Arbeitsrecht -

Nichtraucherschutz am Arbeitsplatz

Besteht ein Anspruch des Arbeitnehmers auf einen (tabak)rauchfreien Arbeitsplatz unter Aspekten des Nichtraucherschutzes?

Die Beantwortung der Frage setzt in einem ersten Schritt die Klärung der Begriffe „Arbeitsplatz“ und „rauchfrei“ voraus.{DB:tt_content:2566:bodytext}

1. Begriffserklärung

Der Begriff „Arbeitsplatz“ bezeichnet den Bereich, den der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer als Arbeitsort zuweist und an dem er sich aufhalten muss, um die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen (BAG, Urt. vom 17.02.1998 – 9 AZR 84/97, DRsp-Nr. 1998/18621; BAG, Urt. vom 19.05.2009 – 9 AZR 241/08, DRsp-Nr. 2009/14649). Nach Auffassung des BAG entspricht diese richterrechtliche Definition dem der Begriff des Arbeitsplatzes in § 2 Abs.2 ArbStättV:

„Arbeitsplätze sind Bereiche von Arbeitsstätten, in denen sich Beschäftigte bei der von ihnen auszuübenden Tätigkeit regelmäßig über einen längeren Zeitraum oder im Verlauf der täglichen Arbeitszeit nicht nur kurzfristig aufhalten müssen.“

Arbeitsplätze sind danach Bereiche von Arbeitsstätten, in denen sich Beschäftigte bei der von ihnen auszuübenden Tätigkeit regelmäßig über einen längeren Zeitraum oder im Verlauf der täglichen Arbeitszeit nicht nur kurzfristig aufhalten müssen (BAG, Urt. vom 17.02.1998 – 9 AZR 84/97, DRsp-Nr. 1998/18621; BAG, Urt. vom 19.05.2009 – 9 AZR 241/08, DRsp-Nr. 2009/14649).

Der Begriff „rauchfrei“ ist in diesem Zusammenhang als „tabakrauchfrei“ zu verstehen. Der Begriff „(tabak)rauchfrei“ ist nach der gebotenen Auslegung im allgemeinen Sprachgebrauch nicht als eine absolut schadstofffreie Raumluft zu verstehen. Vielmehr ist die Atemluft nach allgemeinem Verständnis dann tabakrauchfrei, wenn am Arbeitsplatz des Beschäftigten nach dem Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen kein Tabakrauch wahrzunehmen, also nicht zu sehen, nicht zu schmecken und nicht zu riechen ist (BAG, Urt. vom 17.02.1998 – 9 AZR84/97, DRsp-Nr. 1998/18621; BAG, Urt. vom 19.05.2009 – 9 AZR 241/08, DRsp-Nr. 2009/14649).


2. Die Anspruchsgrundlage

Der Anspruch auf Zuweisung eines tabakrauchfreien Arbeitsplatzes im Sinne der vorstehenden Definitionen ergibt sich aus §§ 611, 613, 242 BGB i.V.m. Art.1, 2 GG sowie § 618 Abs.1 BGB, § 5 Abs.1 ArbStättV).

Nach § 618 Abs.1 BGB hat der Arbeitgeber u.a. Arbeitsräume so einzurichten und zu unterhalten und Dienstleistungen zu regeln, dass die Arbeitnehmer bei Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung so weit Gesundheitsgefahren geschützt ist, als die Natur der Dienstleistung es gestattet. Die Verpflichtung des Arbeitgebers betrifft auch die Beschaffenheit der Atemluft in Arbeitsräumen und an Arbeitsplätzen, wenn dort geraucht wird. Insoweit kommt es noch nicht einmal darauf an, dass der Arbeitgeber die Belastung mit Tabakrauch selbst verursacht (BAG, Urt. vom 17.02.1 998 – 9 AZR84/97, DRsp-Nr. 1998/18621; BAG, Urt. vom 19.05.2009 – 9 AZR 241/08, DRsp-Nr. 2009/14649).

Der öffentlich-rechtliche Arbeitsschutz konkretisiert den Inhalt der Organisationspflichten, die dem Arbeitgeber nach § 618 BGB im Hinblick auf die Sicherheit und das Leben der Arbeitnehmer obliegen. Den Vorschriften des technischen Arbeitsschutzes kommt eine Doppelwirkung zu, wenn ihre Schutzpflichten über § 618 Abs.1 BGB in das Arbeitsvertragsrecht transformiert werden. In diesem Fall sind die Arbeitsschutzbestimmungen neben der öffentlich- rechtlichen Pflicht zugleich unabdingbare privatrechtliche Pflicht des Arbeitgebers im Sinne eines einzuhaltenden Mindeststandards (BAG, Urt. vom 12.08.2008 – 9 AZR 1117/06, DRsp-Nr. 2008/16215; BAG, Urt. vom 19.05.2009 – 9 AZR 241/08, DRsp-Nr. 2009/14649). Für den Nichtraucherschutz ist die Vorschrift des § 5 ArbStättV erheblich:

Abs.1:
Der Arbeitgeber hat die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, damit die nicht rauchenden Beschäftigten in Arbeitsstätten wirksam vor den Gesundheitsgefahren durch Tabakrauch geschützt sind. Soweit erforderlich, hat der Arbeitgeber ein allgemeines oder auf einzelne Bereiche der Arbeitsstätte beschränktes Rauchverbot zu erlassen.

Abs.2:
In Arbeitsstätten mit Publikumsverkehr hat der Arbeitgeber Schutzmaßnahmen nach Absatz 1 nur insoweit zu treffen, als die Natur des Betriebes und die Art der Beschäftigung es zulassen.“

Die Vorschrift des § 5 Abs.1 ArbStättV hat nach der Rechtsprechung des BAG auch individualschützende Wirkung und konkretisiert deshalb über § 618 BGB die Handlungspflichten des Arbeitgebers. Es kommt also im Einzelfall auf die Zumutbarkeit der Nichtraucherschutzmaßnahmen an, die Grund und Inhalt des Anspruchs des Arbeitnehmers beschränken. Hier spielt der Grundsatz eine große Bedeutung, dass dem Arbeitgeber der erlaubte Betrieb eines Gewerbes nicht durch den Nichtraucherschutz – auch der Arbeitnehmer – faktisch untersagt werden darf. Bei rechtmäßiger Betätigung des Arbeitgebers kann der Arbeitnehmer dann keine Maßnahmen zum Schutz seiner Gesundheit verlangen. Verbleibende Beeinträchtigungen seiner Gesundheit muss der Arbeitnehmer grundsätzlich hinnehmen. Aus den Vorschriften der § 618 Abs.1 BGB i.V.m. § 5 Abs.1 ArbStättV folgert kein mittelbares Verbot gewerberechtlich und nach anderen Vorschriften erlaubter Betätigungen (BAG, Urt. vom 19.05.2009 – 9 AZR 241/08, DRsp-Nr. 2009/14649).

Von praktischer Relevanz sind Fälle des § 5 Abs.2 ArbStättV, in denen der Arbeitgeber seine Arbeitsstätte dem Publikumsverkehr öffnet, insbesondere Gaststätten, Restaurants, Spielcasinos etc.


3. Schranke der Beschränkung des Nichtraucherschutzes aus § 5 Abs.2 ArbStättV

Die Ausübung der von § 5 Abs.2 ArbStättV geschützten unternehmerischen Betätigungsfreiheit kann ihrerseits durch – wirksame – gesetzliche Verbote beschränkt sein.

Eine gesetzliche Schranke ist das Bundes- Nichtraucherschutzgesetz (BNichtrSchG) vom 20.07.2007 (BGBl. I S. 1595). Dessen sachlicher Anwendungsbereich ist beschränkt auf Einrichtungen des Bundes sowie der Verfassungsorgane des Bundes, Verkehrsmittel des öffentlichen Personenverkehrs und Personenbahnhöfen der öffentlichen Eisenbahnen.

Weitere Schranken stellen die Landes- Nichtraucherschutzgesetze (NRSG) dar, wobei der jeweilige Landesgesetzgeber den Vorrang des Bundesrechts nach Art. 31 GG beachten muss, wenn Regelungen des Bundes- und des Landesrechts auf denselben Sachverhalt anwendbar sind und bei ihrer Anwendung zu verschiedenen Ergebnissen führen. So wurde die Vorschrift des § 4 Abs.5 NRSG Berlin i.d.F. 16.11.2007 (mittlerweile geändert) vom BAG im Urteil vom 19.05.2009 – 9 AZR 241/08, DRsp-Nr. 2009/14649, einschränkend dahingehend ausgelegt, dass Arbeitnehmer durch ein Rauchverbot außerhalb der gesetzlich definierten Raucherräume vor den Gefahren des Passivrauchens geschützt werden müssen, um die Verfassungskonformität zu gewährleisten. Nur so wurde ein Konflikt mit den – bundesrechtlichen – Zumutbarkeitsschranken des § 5 Abs.2 ArbStättV vermieden. Die Natur des Betriebs und die Art der Beschäftigung lassen nämlich Schutzmaßnahmen für die nicht rauchenden Arbeitnehmer in Raucherräumen von Gaststätten regelmäßig nicht zu (BVerfG, Urt. vom 30.07.2008 - 1 BvR 3262/07, DRsp Nr. 2008/15009; BAG, Urt. vom 19.05.2009 – 9 AZR 241/08, DRsp-Nr. 2009/14649).

4. Ergebnis

Jedem einzelnen Arbeitnehmer steht ein Anspruch auf Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens gemäß §§ 611, 618 BGB i.V.m. Art.1, 2 GG, § 5 ArbStättV sowie wirksamen gesetzlichen Beschränkungen der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit des Arbeitgebers zu.

5. Prozessuales

Der Antrag des Arbeitnehmers im Klageverfahren kann darauf gerichtet sein, ihm

„während seiner Arbeitszeit am [Arbeitsstätte] einen tabakrauchfreien Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen.“

Das BAG hat bestätigt, dass ein solcher Antrag nicht unzulässig sei, weil für den Vollstreckungsschuldner im Fall einer stattgebenden Entscheidung nicht eindeutig erkennbar ist, was von ihm verlangt wird. Dann wäre der Antrag nicht hinreichend bestimmt i.S.d. § 253 Abs.2 Nr.2 ZPO, weil die Prüfung, welche Maßnahmen der Schuldner vorzunehmen oder zu unterlassen hat, in das Vollstreckungsverfahren verlagert würde. Das BAG geht von der hinreichenden Bestimmtheit des Klageantrags aus. Obsiegt der Kläger mit dem vorstehenden Antrag, bestehen für den Arbeitgeber mehrere Möglichkeiten, den Erfolg herbeizuführen, ohne dass ihm vom Arbeitnehmer eine von mehreren Handlungsmöglichkeiten vorgegeben werden könnte. Das gelte insbesondere für die Bereitstellung eines tabakrauchfreien Arbeitsplatzes als unvertretbarer Handlung i.S.v. § 888 Abs.1 S. 1 ZPO. In einem solchen Fall ist die weite Bezeichnung der zu erfüllenden Verpflichtung im Klageantrag unumgänglich. Es bleibt dann dem Schuldner überlassen, wie er seiner Pflicht nachkommt. Ob er die titulierte Pflicht erfüllt hat, ist im Vollstreckungsverfahren zu prüfen (BAG, Urteil vom 19.05.2009 – 9 AZR 241/08, DRsp-Nr. 2009/14649; BAG, Beschluss vom 29.04.2004 – 1 ABR 30/02, DRsp-Nr. 2004/7367).

Quelle: Dr. Martin Kolmhuber, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Köln - Urteilsbesprechung vom 07.07.09