Arbeitsrecht -

Mindestlohn: Rechtsanwälte haben ihn bereits

Mindestlöhne für angestellte Rechtsanwälte gehören in Deutschland bereits zur Realität. Zahlen Anwälte zu wenig, sind sie schnell in der Haftungsfalle. Rechtsanwalt Arno Schrader stellt die Meinungen zu diesem Thema vor.

Vielfach wird in Deutschland über das Thema „Mindestlöhne“ diskutiert. Vergessen wird dabei, dass für angestellte Rechtsanwälte seit etwa elf Jahren eine entsprechende Regelung gilt. Die abstrakte Norm hat ein Anwaltsgerichtshof bereits konkretisiert, und der Vorstand des Deutschen Anwaltsvereins beschäftigt sich aktuell ebenso diesem Thema. Auch Ihre Meinung ist gefragt! Mehr dazu erfahren Sie am Ende dieses Beitrags.{DB:tt_content:2566:bodytext}

Der Mindestlohn ist in Deutschland für bestimmte Branchen auf den Weg gebracht worden. Dazu wurden zwei Gesetze geändert:

  • das Gesetzes über die Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen,
  • das Gesetz über zwingende Arbeitsbedingungen für grenzüberschreitend entsandte und für regelmäßig im Inland beschäftigte Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen (Arbeitnehmer-Entsendegesetz - AEntG).

So wurden die Mindestlöhne eingeführt

Für Arbeitnehmer gilt: Durch das Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG) können tarifvertragliche Mindestlöhne für alle Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen einer Branche verbindlich gemacht werden, unabhängig davon, ob der Arbeitgeber seinen Sitz im In- oder Ausland hat. Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände müssen in den Anwendungsbereich des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes aufgenommen sein. Die Aufnahme in das Gesetz wird lediglich in Branchen mit einer Tarifbindung von mindestens 50 Prozent angeboten. Dann können sie die Erstreckung der von ihnen geschlossenen Tarifverträge auf alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beantragen. Die Umsetzung erfolgt durch Rechtsverordnung oder Allgemeinverbindlicherklärung. Dies gilt gleichermaßen für grenzüberschreitend entsandte und für regelmäßig im Inland beschäftigte Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen.

Zu dem AEntG kommt das Mindestarbeitsbedingungengesetz: Der Gesetzentwurf sieht vor, dass Mindestlöhne sowie auch andere Mindestarbeitsbedingungen in Branchen mit einer Tarifbindung von unter 50 Prozent festgelegt werden können. Wichtige Ausnahme: Mindestlöhne sind nur möglich, wenn keine Tarifverträge abgeschlossen wurden.

Das gilt bei Rechtsanwälten

Bei Rechtsanwälten gilt weder das eine noch das andere Gesetz. Bisher hat der Staat - jedenfalls bislang - nicht dirigistisch eingegriffen. Es existiert allerdings u.a. ein Beschluss des Anwaltsgerichtshofs Nordrhein-Westfalen (AGH NRW) vom 02.11.2007 (BRAK-Mitteilungen 2008, 76 ff. = NJW 2008, 668).

Dabei hat er über die Rechtmäßigkeit einer Stellenanzeige entschieden, in der eine Anwaltskanzlei eine Trainee-Rechtsanwaltsstelle mit einem Gehalt angeboten hatte, welches "ein wenig über dem Referendargehalt liegt", also bei zirka 1.000 Euro. Darin sah der AGH NRW einen Verstoß gegen die berufsrechtlichen Pflichten aus § 43 Abs. 1 BRAO i. V. m. § 26 BORA. Zudem sei diese Vergütung sittenwidrig i.S.v. § 138 BGB.

Hier der Wortlaut von § 26 BORA:

§ 26 Beschäftigung von Rechtsanwälten und anderen Mitarbeitern
(1) Rechtsanwälte dürfen nur zu angemessenen Bedingungen beschäftigt werden. Angemessen sind Bedingungen, die

a) eine unter Berücksichtigung der Kenntnisse und Erfahrungen des Beschäftigten und des Haftungsrisikos des beschäftigenden Rechtsanwalts sachgerechte Mandatsbearbeitung ermöglichen,

b) eine der Qualifikation, den Leistungen und dem Umfang der Tätigkeit des Beschäftigten und den Vorteilen des beschäftigenden Rechtsanwalts aus dieser Tätigkeit entsprechende Vergütung gewährleisten,

c) dem beschäftigten Rechtsanwalt auf Verlangen angemessene Zeit zur Fortbildung einräumen und

d) bei der Vereinbarung von Wettbewerbsverboten eine angemessene Ausgleichszahlung vorsehen.

(2) Der Rechtsanwalt darf andere Mitarbeiter und Auszubildende nicht zu unangemessenen Bedingungen beschäftigen.

 

Die Realität

Laut einer Stellenanzeige im Januar 2009, suchte die Bundesagentur für Arbeit einen Rechtsanwalt / eine Rechtsanwältin mit zwei Examen „befriedigend“ bei einer Arbeitszeit von 40 Stunden / Woche. Sie bot den Stellenbewerbern ein Gehalt von Gehalt: 1.550 Euro / Monat brutto an.

Da ein Monat durchschnittlich 4,33 Wochen hat, ergibt sich ein Stundenlohn von 8,95 Euro (1.550 Euro ./. 4,33 ./. 40 Std.). Der Deutsche Gewerkschaftsbund fordert für alle Arbeitnehmer einen Mindestlohn von 7,50 Euro und verweist darauf, dass selbst Vollzeitarbeit nicht vor Armut schützt. Nach einer Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung arbeiten 32 Prozent aller Vollzeitbeschäftigten in Deutschland im Niedriglohnbereich. Mehr als 7,7 Millionen Beschäftigte beziehen also weniger als 75 Prozent des durchschnittlichen Bruttolohns. Angestellte Rechtsanwälte werden wohl dazu gehören.

 

Der Anwaltsgerichtshof

Der AGH NRW hat als Richtmaß für das Einstiegsgehalt eines Rechtsanwalts einen Betrag in Höhe von 2.300 Euro angesetzt. Unter der Voraussetzung, dass die 40-Stunden-Woche eingehalten wird, käme der Berufseinsteiger auf 13,28 Euro pro Stunde.

 

Eine andere Sichtweise ist ebenfalls von Bedeutung.

Der Anwaltskollege Paul-Werner Beckmann aus Herford/Ostwestfalen, Mitglied des Vorstands des Deutschen Anwaltsvereins, widerspricht im AnwBl 2/2009, Seite 102, dem AGH NRW wie folgt: „... Dem ist sicherlich nicht zu folgen, weil eine solche Anfangsbezahlung wohl kaum einer durchschnittlichen Anwaltskanzlei in Deutschland möglich ist. Ein solcher Mindestlohn wäre verfehlt, weil so eine große Zahl von Berufsanfänger gar nicht erst die Chance bekommen könnte, erste Berufserfahrungen zu sammeln...“. Zudem verweist er darauf, „... dass breite Teile der Anwaltschaft keine 100.000 Euro als Jahresanfanggehalt zahlen können...“ .

Er schlägt für Berufsanfänger ohne besondere Qualifikationen und Erfahrungen ein Einstiegsgehalt von 1.800 Euro bis etwa 2.000 Euro vor. Ab dem fünften Berufsjahr sollten es mindestens 2.400 Euro sein.

 

Ihre Meinung

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Der Autor, Rechtsanwalt Arno Schrader bittet um Ihre Meinung zum Einstiegsgehalt eines „normalen“ Rechtsanwalts ohne Berufserfahrungen, Spezialisierungen, Prädikatsexamen und Doktortitel.

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suz-sekretariat(at)teleos-web.de

 

Vielen Dank für Ihr Engagement!

Ihr Arno Schrader
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Quelle: Arno Schrader, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Herford - Beitrag vom 26.02.09