Arbeitsrecht -

Kurzarbeit: Voraussetzungen, Auswirkungen und Berechnungsbeispiele

Kurzarbeit, Kurzarbeitergeld, Saison- und Transferkurzarbeitergeld waren bis vor wenigen Monaten auch für viele Arbeitsrechtler Begriffe, mit denen sie nicht täglich umgehen mussten. Das hat sich grundlegend geändert.

Dieser Beitrag stellt die Voraussetzungen sowie die Vor- und Nachteile der Kurzarbeit dar. Außerdem werden die Auswirkungen in der Praxis unter Einbeziehung der Neuregelungen durch das Konjunkturpaket II erläutert. Am Ende des Beitrags finden Sie mehrere Berechnungsbeispiele.{DB:tt_content:2566:bodytext}

Das ist Kurzarbeit

Durch die Zahlung von Kurzarbeitergeld sollen den Arbeitnehmern ihre Arbeitsplätze und den Betrieben ihre eingearbeiteten Mitarbeiter erhalten bleiben. Vor Beginn der Kurzarbeit müssen die Betriebe eine Anzeige über den voraussichtlichen Arbeitszeitausfall erstatten, es sei denn der Arbeitszeitausfall beruht auf Witterungsgründen. Nach aktuellen Angaben der Bundesagentur für Arbeit haben im Monat Februar 2009 insgesamt 19.793 Betriebe bundesweit Kurzarbeit aus konjunkturellen Gründen angezeigt. Das waren 2.423 Betriebe mehr als im Januar 2009 und 9.193 mehr Betriebe als im Januar 2008. Insgesamt werden wohl mittlerweile fast 800.000 Arbeitnehmer von Kurzarbeit betroffen sein.

Die Kurzarbeit ist in den §§ 169 ff. SGB III geregelt.


Die Betroffenen

In den Diskussionen werden die betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer leider häufig vergessen. Natürlich ist das Kurzarbeitergeld besser als arbeitslos zu sein. Trotzdem herrscht in den Familien eine große Unsicherheit.

Erst kürzlich war in meiner Beratung ein 46-jähriger Facharbeiter mit drei unterhaltspflichtigen Kindern. Er ist in einem Unternehmen angestellt, in dem noch vor einem Jahr Kurzarbeit undenkbar gewesen wäre. Dementsprechend hatte er sich auch finanziell auf die Situation eingestellt. Durch einen vor ca. fünf Jahren getätigten Hausbau liegen erhebliche finanzielle Verpflichtungen vor. Allein durch die Kurzarbeit fehlt der Familie das Geld, ihre Finanzierungsraten zurückzahlen zu können. Und die Zukunft ist ungewiss. Wie es in einigen Monaten nach Auslaufen der Kurzarbeit weitergeht, weiß noch niemand. Selbstverständlich belastet eine solche Situation die Betroffenen erheblich. Trotzdem sind zunächst alle froh, dass wenigstens Kurzarbeitergeld gezahlt wird.


Kurzarbeitergeld

Das Kurzarbeitergeld wird durch die Bundesagentur für Arbeit nur gezahlt, wenn betriebliche und persönliche Voraussetzungen vorliegen. Arbeitgeber sollten und müssen deshalb zuvor dringend intensiv mit der Arbeitsagentur zusammenarbeiten.

Die betrieblichen Voraussetzungen sind erfüllt, wenn im Betrieb mindestens ein Arbeitnehmer beschäftigt ist. Als Betrieb im Sinne des § 171 SGB III gilt auch eine Betriebsabteilung.

Die persönlichen Gründe finden Sie in § 172 SGB III. Hiernach darf das Arbeitsverhältnis insbesondere nicht gekündigt sein.

Weiterhin muss ein vorübergehender erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall (§§ 169 ff SGB III) vorliegen. Die Legaldefinition befasst sich insbesondere mit der Frage, wann ein unvermeidbarer Arbeitsausfall vorliegt. Vermeidbar ist beispielsweise ein überwiegend branchen- oder betriebsüblicher und saisonbedingter Arbeitsausfall. Die Auflösung von Arbeitszeitguthaben kann nur unter besonderen Voraussetzungen verlangt werden (§ 170 Abs. 4 S. 3 SGB III). Beschäftigt der Betrieb Leiharbeitnehmer, deren Aufgaben auch durch von Kurzarbeit bedrohten Stammmitarbeitern wahrgenommen werden können, fehlt es an der Unvermeidbarkeit.

Die Erheblichkeit für den Arbeitsausfall ist nach § 170 Abs. 1 Nr. 4 SGB III gegeben, wenn mindestens ein Drittel der in dem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer jeweils mehr als 10 Prozent ihres Bruttoentgelts einbüßen würden (Achtung: Änderungen durch Konjunkturpaket II seit dem 01.01.2009, siehe nächster Absatz). Vorübergehend ist der Arbeitsausfall dann, wenn in absehbarer Zeit (ca. 6 Monate ggf. auch bis zum Ablauf der verlängerten Bezugsdauer von 18 Monaten) wieder mit Vollarbeit gerechnet werden kann.


Das Konjunkturpaket II

Der Bundesrat hat am 20.02.2009 dem Konjunkturpaket II zugestimmt. Darin finden sich auch Erweiterungen zum Thema Kurzarbeit. Danach wird Arbeitgebern bei Kurzarbeit rückwirkend zum 01.02.2009 mindestens die Hälfte der Sozialversicherungsbeiträge erstattet. Die Neuerungen sind bis zum 31.12.2010 befristet.

Die wesentlichen Änderungen im Einzelnen:

  • Der Anspruch auf Kurzarbeitergeld setzt nicht mehr voraus, dass mindestens ein Drittel der Belegschaft von einem Entgeltausfall betroffen sein muss. Es reicht der Nachweis eines Entgeltausfalls von mehr als zehn Prozent aus.
  • Arbeitszeitkonten können bestehen bleiben.
  • Die Antragstellung und das Verfahren zum Kurzarbeitergeld werden dauerhaft vereinfacht.
  • Sozialversicherungsbeiträge werden nicht nur zu 50, sondern zu 100 Prozent erstattet, wenn Mitarbeiter während der Kurzarbeit an Qualifizierungsmaßnahmen teilnehmen.


Auswirkungen für den Arbeitgeber

Der Arbeitgeber kann die Kurzarbeit (natürlich) nicht durch sein Direktionsrecht einseitig anordnen. Er muss also Vereinbarungen im Arbeitsvertrag, in Betriebsvereinbarungen oder in einem Tarifvertrag vornehmen. Hier kommen Betriebsvereinbarungen mit dem Betriebsrat wesentliche Bedeutungen zu. Der Betriebsrat ist auch nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 Betriebsverfassungsgesetz einzubeziehen. Kurzarbeit ist mitbestimmungspflichtig.

Falsch ist allerdings die Auffassung, dass während der Kurzarbeit Kündigungen per se ausgeschlossen sind. Natürlich sind zunächst weiterhin personen- und verhaltensbedingte Kündigungen möglich. Aber auch betriebsbedingte Kündigungen sind nicht ausgeschlossen. Allerdings darf eine betriebsbedingte Kündigung nicht ausschließlich auf Gründe zurückzuführen sein, die zur Anordnung der Kurzarbeit geführt haben.


Auswirkungen für den Arbeitnehmer

Die Bundesagentur für Arbeit zahlt das Kurzarbeitergeld. Es beträgt 60 Prozent für Arbeitnehmer ohne Kinder und 67 Prozent für Arbeitnehmer mit Kindern der Nettoentgeltdifferenz. Das Nettoentgelt wird durch pauschalierte Abzüge aus dem Ist- und dem Soll-Bruttoentgelt ermittelt. Die Bundesagentur für Arbeit hat hierfür eine Tabelle entwickelt. Einen Link finden Sie am Ende des Beitrags zu Beginn der Beispiele.

Die Bezugsdauer des Kurzarbeitergeldes wird durch eine Rechtsverordnung festgelegt. Für Ansprüche auf Kurzarbeitergeld, die erstmalig in diesem Jahr entstehen, wurde sie von 6 Monaten auf 18 Monate verlängert. Die Sozialversicherung bleibt während der Bezugsdauer von Kurzarbeitergeld bestehen.

Überdies will Bundesarbeitsminister Scholz aktuell sogar nochmals das Kurzarbeitergeld auf 24 Monate verlängern. Ob dafür eine Mehrheit im Bundestag zu erreichen ist, bleibt jedoch fraglich.

Achtung: Der Verdienst aus einer Nebenbeschäftigung wird in voller Höhe auf das Ist-Entgelt angerechnet. Es erfolgen auch keine Abzüge der gesetzlichen Abgaben. Auch ist es erheblich, ob die Nebenbeschäftigung aus einer abhängigen oder unabhängigen Tätigkeit resultiert. Eine einzige Ausnahme gibt es für die Beschäftigten, die bereits vor der Kurzarbeit einer Nebentätigkeit nachgegangen sind. Hier erfolgt keine Anrechnung.


Saisonkurzarbeitergeld

Die Saisonkurzarbeit ist in den §§ 175 bis 175 b SGB III geregelt. Sie bezieht sich in erster Linie auf Beschäftigte des Baugewerbes, die die Folgen der winterlichen Schlechtwetterperiode abfangen soll. Saisonkurzarbeitergeld wird in der Zeit zwischen dem 1. Dezember und dem 31. März gezahlt. Auch hierbei muss der Arbeitsausfall unvermeidbar sein und es müssen sowohl betriebliche als auch persönliche Voraussetzungen erfüllt werden. Anspruch auf Saisonkurzarbeitergeld haben Baubetriebe, die in den Geltungsbereich des Bundesrahmentarifvertrags für das Baugewerbe, das Dachhandwerk, den Gerüstbau und den Daten-Landschaftsbau fallen. Die persönlichen Voraussetzungen finden sich in § 172 SGB III.


Transferkurzarbeitergeld

Kennen Sie die „Kurzarbeit Null“? Wenn in einem Unternehmen gar nicht mehr gearbeitet wird, werden häufig Transfergesellschaften gegründet. Die Transfergesellschaften sind in § 216b SGB III definiert. Sie verfolgen den Zweck, konkret von Arbeitslosigkeit bedrohten Mitarbeitern im Rahmen einer maximal einjährigen befristeten Beschäftigung eine neue Arbeitsstelle zu vermitteln. Der Aufbau erfolgt über eine Einigung zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeber-Vertretung, meistens in einem Transfersozialplan. Das Unternehmen schließt mit dem Mitarbeiter einen Aufhebungsvertrag und zur gleichen Zeit schließt dieser Mitarbeiter einen befristeten Arbeitsvertrag mit der Transfergesellschaft. Die Beschäftigten erhalten das so genannte Transferkurzarbeitergeld, welches im Arbeitslosengeld I sehr ähnlich ist. Häufig stockt das entlassende Unternehmen die Leistungen auch auf. Die Transfergesellschaft führt Weiterbildungsmaßnahmen und Ähnliches durch. Gelingt es ihr nicht, den Arbeitnehmer zu vermitteln, erhält dieser nach Beendigung seiner „Beschäftigung“ in der Transfergesellschaft sein Arbeitslosengeld I in voller Länge und Höhe.

Berechnungsbeispiele

Das Soll-Entgelt ist das ursprüngliche Bruttoeinkommen vor der Kurzarbeit.

Das Ist-Entgelt ist das verminderte Bruttoeinkommen während der Kurzarbeit.

Das Netto-Soll-Entgelt und das Netto-Ist-Entgelt entnehmen Sie der Tabelle zur Berechnung des Kurzarbeitergeldes der Bundesagentur für Arbeit. Die für die Beispiele zu Grunde gelegte Tabelle gilt für Berechnungen ab Januar 2009.

Hier geht's zum Download: Tabelle der BfA zur Berechnung des Kurzarbeitergeldes (Kug (pdf)

1. Beispiel:

Eine Angestellte ist verheiratet, Steuerklasse III und hat 1 Kinderfreibetrag. Sie hat 3.000 € brutto verdient. Ihre Arbeitszeit reduzierten sich durch die Kurzarbeit auf die Hälfte.
Soll-Entgelt: 3.000 €
Ist-Entgelt: 1.500 €

Netto-Soll-Entgelt: 1.396,94 €
Netto-Ist-Entgelt: 793,95 €
Differenz: 602,99 €
Diese Differenz würde von der Bundesagentur für Arbeit zusätzlich zum Lohn über den Arbeitgeber an den Arbeitnehmer als Kurzarbeitergeld gezahlt.

2. Beispiel:

Ein Arbeiter ist lediglich ohne Unterhaltspflichten, also Steuerklasse I. Er hat 4.000 € brutto vor der Kurzarbeit verdient. Seine Arbeitszeit reduziert sich um 20 Prozent.

Soll-Entgelt: 4.000 €
Ist-Entgelt: 3.000 €
Netto-Soll-Entgelt: 1.334,21 €
Netto-Ist-Entgelt: 1.077,17 €
Differenz: 257,04 €
Diese Differenz würde von der Bundesagentur für Arbeit zusätzlich zum Lohn über den Arbeitgeber an den Arbeitnehmer als Kurzarbeitergeld gezahlt.

3. Beispiel:

Eine Teilzeitkraft, verheiratet, 1 Kind, Steuerklasse VI mit einem Kinderfreibetrag hat vor der Kurzarbeit 2.000 € brutto verdient. Ihre Arbeitszeit reduziert sich auf „Null“.

Soll-Entgelt: 2.000 €
Ist-Entgelt: 0 €
Netto-Soll-Entgelt: 646,99 €
Netto-Ist-Entgelt: 0 €
Differenz: 646,99 €
Auch diese Differenzen würde von der Bundesagentur für Arbeit zusätzlich zum Lohn über den Arbeitgeber an den Arbeitnehmer als Kurzarbeitergeld gezahlt.

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Quelle: Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Arno Schrader, Herford - Beitrag vom 07.05.09