Arbeitnehmer, deren Kündigungsschutzklage rechtskräftig abgewiesen wurde, haben im Grundsatz keinen Anspruch auf Ersatz entgangener Verdienste und Rentenansprüche. Das gilt, selbst wenn ein Urteil des EGMR die Kündigung als Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention einstuft. Bei einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung kann dies allerdings anders zu bewerten sein.
Darum geht es
Der katholische Kläger war langjährig bei der beklagten Kirchengemeinde (Beklagte zu 1.) als Organist, Chorleiter und Dekanatskantor beschäftigt. Im Jahr 1994 trennte er sich von seiner Ehefrau und ging eine neue Partnerschaft ein, aus der ein Kind hervorging.
Nachdem die Beklagte zu 1. hiervon erfahren hatte, kündigte sie das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31. März 1998 mit der Begründung, der Kläger habe gegen den Grundsatz der Unauflöslichkeit der Ehe verstoßen und seine Loyalitätsobliegenheiten ihr gegenüber grob verletzt.
Hiergegen erhob der Kläger Kündigungsschutzklage. In diesem Verfahren trat das beklagte Bistum (Beklagter zu 2.) auf Seiten der Beklagten zu 1. als Streithelfer bei. Das durch mehrere Instanzen geführte Verfahren endete im Jahr 2000 mit einer Klageabweisung. Die hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde des Klägers nahm das Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung an.
Im Jahr 2003 erhob der Kläger beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) Individualbeschwerde gegen die Bundesrepublik Deutschland. Mit Urteil vom 23.09.2010 stellte der EGMR einen Verstoß gegen Art. 8 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention - EMRK) fest und sprach dem Kläger mit Urteil vom 28.06.2012 gemäß Art. 41 EMRK eine Entschädigung iHv. 40.000 € zu.
Eine von diesem im Jahr 2010 erhobene Restitutionsklage gegen die Entscheidung im Kündigungsschutzprozess blieb sowohl vor dem Landesarbeitsgericht als auch vor dem Bundesarbeitsgericht erfolglos. Die hiergegen eingelegte Verfassungsbeschwerde des Klägers nahm das Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung an. Eine vom Kläger im Jahr 2013 erhobene Klage auf Wiedereinstellung blieb ebenfalls in allen Instanzen erfolglos.
Im vorliegenden Verfahren begehrt der Kläger von den Beklagten die Zahlung der Vergütung, die ihm aufgrund der Kündigung zum 31.03.1998 entgangen ist, sowie einen Ausgleich entgangener Rentenansprüche als Schadenersatz.
Zur Begründung hat er im Wesentlichen geltend gemacht, im Kündigungsschutzprozess sei ein klares Fehlurteil gefällt worden, weil der geltend gemachte Kündigungsgrund von der Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse (GrO), die hier allein maßgeblich sei, offensichtlich nicht umfasst sei.
Dies sei seit deren Inkrafttreten für jedermann offensichtlich gewesen. Die Beklagten hätten durch ihr Verhalten und Vorbringen im Kündigungsschutzprozess in sittenwidriger Weise bewirkt, dass die Kündigungsschutzklage abgewiesen worden sei.
Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers hatte vor dem Achten Senat des BAG keinen Erfolg.
Steht eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses rechtskräftig fest, können Schadensersatzansprüche, die auf den Ersatz entgangenen Entgelts sowie entgangener Rentenansprüche gerichtet sind, allenfalls bei einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung iSv. § 826 BGB durch den Kündigenden in Betracht kommen.
Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, dass die Voraussetzungen des § 826 BGB nicht vorliegen, war revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
BAG, Urt. v. 19.12.2019 - 8 AZR 511/18
Quelle: BAG, Pressemitteilung v. 19.12.2019