Eine verhaltsbedingte Kündigung wegen privater Nutzung des Internet setzt eine Abmahnung und die Darlegung „weitergehender Pflichtverletzungen“ voraus.
{DB:tt_content:2566:bodytext}LAG Mainz, Urt. v. 26.02.2010 — 6 Sa 682/09
Darum geht es
Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer arbeitgeberseitigen ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung wegen privater Internetnutzung.
Zur Durchführung seiner Arbeit steht dem Kläger ein Computer mit Zugang zum Internet zur Verfügung. Am 04.08.2004 unterschrieb der Kläger eine Mitarbeitererklärung Internet/PC-Nutzung, die folgende Regelung enthält:
Der Zugang zum Internet und E-Mail ist nur zu dienstlichen Zwecken gestattet. Jeder darüber hinausgehende Gebrauch – insbesondere zu privaten Zwecken – ist ausdrücklich verboten. Verstöße gegen diese Anweisung werden ohne Ausnahme mit arbeitsrechtlichen Mitteln sanktioniert und führen – insbesondere bei Nutzung von kriminellen, pornographischen, rechts- oder linksradikalen Inhalten – zur außerordentlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Der Vorgesetzte des Klägers erlaubte diesem im September 2008 zumindest einmal von seinem Arbeitsplatz aus privat ins Internet zu gehen, um den Kontostand bei der S-Bank abzufragen.
Mit Schreiben vom 27.02.2009 sprach die Beklagte dem Kläger gegenüber eine Kündigung zum 31.08.2009 aus. Hiergegen hat sich der Kläger erfolgreich mit seiner am 03.03.2009 erhobenen Klage gewandt. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten blieb ohne Erfolg.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Weitergehende Pflichtverletzung erforderlich
Nach der Rechtsprechung des BAG im Urteil vom 27.04.2006 — 2 AZR 386/05 greift das Abstellen allein auf die Missachtung des Verbots der privaten Internetnutzung als Pflichtverletzung zu kurz. Es muss zu weitergehenden Pflichtverletzungen kommen, wie ein unbefugter Download, die Verursachung zusätzlicher Kosten und Verletzungen der Arbeitspflicht. Eine solche weitergehende Pflichtverletzung hat die Beklagte nicht dargetan.
Keine Arbeitspflichtverletzung während der Pausenzeit
Während der Pausenzeiten ist eine Arbeitspflichtverletzung nicht möglich. Zumindest bei den Zugriffen zwischen 11:30 und 14:00 könnte es sich um solche während der Mittagspause gehandelt haben.
Arbeitgeber muss zur Verweildauer im Internet vortragen
Bei den übrigen Zugriffen während der Arbeitszeit fehlt es an einem Vortrag dazu, wie lange der Kläger im Internet verweilt habe. Die Darstellung der Verweildauer im Internet ist zur Feststellung einer erhebliche Beeinträchtigung der arbeitsvertraglich geschuldeten Leistung entsprechend der Rechtsprechung des BAG (Urt. v. 07.05.2005 — 2 AZR 581/04) zur Sozialgemäßheit der ausgesprochenen Kündigung erforderlich
Abmahnung erforderlich
Schließlich fehlt es auch an einer Abmahnung.
Zweck einer verhaltensbedingten Kündigung ist nicht die Sanktionierung einer bereits begangenen Vertragspflichtverletzung, sondern die Vermeidung des Risikos weiterer erheblicher Pflichtverletzungen. Insofern bedarf es der negativen Prognose, dass aus der konkreten Vertragspflichtverletzung geschlossen werden kann, der Arbeitnehmer werde auch künftig den Arbeitsvertrag nach einer Kündigungsandrohung erneut in gleicher oder ähnlicher Weise verletzen. Eine Abmahnung dient der Objektivierbarkeit dieser Prognose: Liegt eine ordnungsgemäße Abmahnung vor und verletzt der Arbeitnehmer erneut seine vertragliche Verpflichtungen, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, es werde auch zukünftig zu weiteren Vertragsstörungen kommen (vgl. BAG, Urt. v. 13.12.2007 — 2 AZR 818/06).
Entbehrlich ist die Abmahnung analog § 323 Abs. 2 BGB nur dann, wenn im Einzelfall aufgrund besonderer Umstände erkennbar ist, dass der Arbeitnehmer nicht gewillt ist, sich vertragsgerecht zu verhalten. Nur besonders schwere Vorwürfe bedürfen keiner Abmahnung, weil hier der Arbeitnehmer von vorneherein nicht mit einer Billigung seines Verhaltens rechnen kann (vgl. ErfK/Müller/Glöge 230 BGB § 626 Rz. 28, 29).
Vorliegend konnte jedoch keine exzessive Nutzung des Internet durch den Arbeitnehmer festgestellt wurde. Die Kontostandsabfrage bei der S-Bank betrug nach dem Vortrag des Klägers allenfalls 20 Sekunden. Die vom Kläger unterzeichnete Erklärung vom 04.08.2004 selbst sieht eine Sanktionierung mit arbeitsrechtlichen Mitteln vor. Arbeitsrechtliches Mittel ist aber die Abmahnung.
Quelle: Redaktion Recht - Beitrag vom 21.04.10