Arbeitsvertragliche Ausschlussfristen, nach denen Ansprüche innerhalb einer bestimmten Frist geltend gemacht werden müssen, sind während vorgerichtlicher Vergleichsverhandlungen nach § 203 Satz 1 BGB gehemmt. Satz 2, wonach die Verjährung frühestens drei Monate nach dem Ende der Hemmung eintritt, gilt für arbeitsvertragliche Ausschlussfristen nicht. Das hat das BAG entschieden.
Sachverhalt
Ein technischer Sachbearbeiter war vom 01.01.2014 bis zum 31.07.2015 beschäftigt. Sein Arbeitsvertrag enthält eine zweistufige Ausschlussklausel:
„Ansprüche beider Parteien aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten ab Fälligkeit schriftlich gegenüber der Gegenseite geltend gemacht werden. Entscheidend ist der Zugang des Schreibens. Nach Ablauf der Frist kann der Anspruch nicht mehr geltend gemacht werden. Lehnt die Gegenseite den Anspruch ab oder äußert sie sich nicht innerhalb von zwei Wochen ab Zugang der Geltendmachung, so ist der Anspruch innerhalb von weiteren drei Monaten ab Zugang der Ablehnung bzw. Ablauf der Zweiwochenfrist bei Gericht anhängig zu machen. Anderenfalls ist der Anspruch verfallen und kann nicht mehr geltend gemacht werden.“
Nach seinem Ausscheiden forderte der Arbeitnehmer mit Schreiben vom 14.09.2015 insgesamt ca. 11.200 € brutto als Abgeltung von 32 Urlaubstagen sowie Vergütung von 182,25 Überstunden, die sich bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf seinem Arbeitszeitkonto angesammelt hätten.
Der Arbeitgeber lehnte mit Schreiben vom 28.09.2015 die Ansprüche ab und wies darauf hin, er strebe eine einvernehmliche Lösung an. In der Folgezeit führten die Parteien bis zum 25.11.2015 erfolglose Vergleichsverhandlungen. Am 21.01.2016 machte der Arbeitnehmer seine Ansprüche im Klagewege geltend.
Das ArbG Nürnberg hat die Klage mit Teilurteil vom 09.10.2016 und Urteil vom 09.02.2017 (11 Ca 340/16) abgewiesen. Das LAG Nürnberg hat die dagegen gerichtete Berufung des Klägers mit Urteil vom 09.05.2017 (7 Sa 560/16) zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Das BAG hat das Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Wesentliche Aussagen der Entscheidung
Der Kläger hat die dreimonatige Ausschlussfrist zur gerichtlichen Geltendmachung seiner Ansprüche gewahrt. Verlangt eine arbeitsvertragliche Regelung über Ausschlussfristen, dass ein Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis zur Vermeidung seines Verfalls innerhalb einer bestimmten Frist gerichtlich geltend gemacht werden muss, ist die Ausschlussfrist in entsprechender Anwendung des § 203 Satz 1 BGB gehemmt, solange die Parteien vorgerichtliche Vergleichsverhandlungen führen.
Der Zeitraum, während dessen die Vergleichsverhandlungen andauern, wird entsprechend § 209 BGB in die Ausschlussfrist nicht eingerechnet.
§ 203 Satz 2 BGB, der bestimmt, dass die Verjährung frühestens drei Monate nach dem Ende der Hemmung eintritt, findet auf arbeitsvertragliche Ausschlussfristen keine entsprechende Anwendung.
Ob die streitgegenständliche Verfallklausel insgesamt unwirksam ist, weil sie den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn nicht ausdrücklich aus ihrem Anwendungsbereich ausnimmt, muss nicht entschieden werden. Mangels Feststellungen des LAG zum Arbeitszeitkonto und dessen Saldo sowie den noch offenen Urlaubstagen konnte der Senat in der Sache nicht selbst entscheiden. Sie wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LAG zurückverwiesen.
Folgerungen aus der Entscheidung
Das Berufungsgericht hatte noch apodiktisch festgestellt: „Die Ausschlussfrist war durch die Vergleichsverhandlungen nicht gemäß § 203 BGB gehemmt. Auf Ausschlussfristen findet § 203 BGB keine Anwendung.“
Das BAG hat die Rechtslage weiterentwickelt und bejaht die analoge Anwendung der verjährungsrechtlichen Vorschrift des § 203 Satz 1 BGB auf arbeitsvertragliche Verfallfristen, die die gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen fordern. Die Rechtsprechung entfaltet also in der Praxis nur für zweistufige Verfallklauseln Wirkung. Diese Wirkung ist auf die zweite Stufe beschränkt.
Praxishinweis
Im Übrigen bleibt es bei der bisherigen Rechtsprechung. Danach kann ein Anspruchsgegner dem Ablauf einer tariflichen Ausschlussfrist mit dem Einwand der unzulässigen Rechtsausübung begegnen (vgl. BAG, Urt. v. 10.03.2005 – 6 AZR 217/04).
Bedauerlich ist die Tatsache, dass das BAG die Fragestellung der Wirksamkeit der zweistufigen Ausschlussklausel AGB-rechtlichen Gesichtspunkten dahinstehen lässt. Der Fall hätte sich angeboten. Es handelt sich um eine „Altklausel“, die vor Inkrafttreten des MiLoG am 16.08.2014 geschlossen wurde und sich nach dem Wortlaut auf gesetzliche Mindestlohnansprüche erstreckt.
Anders als das Berufungsgericht hat das BAG nämlich im Urteil vom 24.08.2016 (5 AZR 703/15) entschieden, dass eine arbeitsvertragliche Verfallklausel, die auch den Anspruch auf das Mindestentgelt nach § 2 PflegeArbbV erfasst, wegen Verstoßes gegen § 9 Satz 3 i.V.m. § 13 AEntG insoweit nach § 134 BGB unwirksam ist.
Unabhängig von der Möglichkeit einer geltungserhaltenden Reduktion der Klausel hat das BAG aber erkannt, dass „der Aufrechterhaltung der streitgegenständlichen Verfallklausel für Ansprüche, die nicht solche auf das Mindestentgelt nach § 2 PflegeArbbV sind, (…) das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB entgegen(steht)“.
So bleibt die Frage der Rechtswirksamkeit arbeitsvertraglicher Ausschlussfristen, die sich auf gesetzliche Mindestlohnansprüche erstrecken, weiter unbeantwortet. Insoweit bleibt die Rechtsunsicherheit bestehen.
BAG, Urt. v. 20.06.2018 - 5 AZR 262/17
Quelle: Rechtsanwalt und FA für Arbeitsrecht Dr. Martin Kolmhuber