Arbeitsrecht -

Eintrittspflicht von Rechtsschutzversicherern

Der Beitrag von Rechtsanwalt Arno Schrader weist auf das neue BGH-Urteil zur Eintrittspflicht von Rechtsschutzversicherungen hin. Nach der Entscheidung des BGH kann ein Anspruch auf eine Deckungsschutzzusage bereits bei einer Kündigungsandrohung vorliegen. Auch gibt er im Anschluss Hinweise zu einer Gebührenoptimierung im Arbeitsrecht. Am Ende des Beitrags finden Sie eine praktische Checkliste für Ihre Handakte.

Nach dem Urteil des BGH können Rechtsschutzversicherungen bereits bei einer Kündigungsandrohung durch den Arbeitgeber eintrittspflichtig sein. Die Annahme eines Rechtsschutzfalls erfordert lediglich ein Vorbringen des Versicherungsnehmers mit objektivem Tatsachenkern, mit dem er den Vorwurf eines Rechtsverstoßes aufstellt und auf den er seine Interessenverfolgung stützt.{DB:tt_content:2566:bodytext}

Der Sachverhalt

Ein Arbeitnehmer war rechtsschutzversichert. Die Versicherung umfasste auch die „Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus Arbeitsverhältnissen“.

Sein Arbeitgeber hatte ihm mitgeteilt, dass aufgrund eines "Restrukturierungsprogramms" und "der damit verbundenen Stellenreduzierung" beabsichtigt sei, ihm zu kündigen. Diese Kündigungkönne er nur umgehen, indem er einen ihm angebotenen Aufhebungsvertrag annehme.

Die vom Kläger daraufhin beauftragten Rechtsanwälte wandten sich gegen das Vorgehen des Arbeitgebers. Eine Kostenübernahme für diese Tätigkeit lehnte die Rechtsschutzversicherung allerdings ab.


Die Klage
Nun verlangt der Arbeitnehmer von seinem Rechtsschutzversicherer die Erstattung der Rechtsanwaltsgebühren. Wie stets in solchen Fällen, meinte die Versicherung, dass noch kein Versicherungsfall eingetreten sei. Es mangele an einem Rechtsverstoß.
Auch die Vorinstanzen gaben dem Arbeitnehmer Recht
Bereits das Amts- und Landgericht waren anderer Ansicht. Danach liegt schon in der Kündigungsandrohung selbst ein Rechtsverstoß. Die Rechtsposition des Klägers sei bereits mit der Kündigungsandrohung beeinträchtigt. Eine weitere Pflichtverletzung sah das Landgericht darin, dass der Arbeitgeber dem Kläger trotz Aufforderung die Sozialauswahl nicht dargelegt habe und ihn damit nicht in die Lage versetzt habe, eine sachgerechte Entscheidung treffen zu können.


Der BGH
Die Richter des BGH stellten sich auf die Seite des Arbeitnehmers. Sie urteilten, dass für die Annahme eines Rechtsschutzfalles i. S. von § 14 Abs. 3 Satz 1 ARB 75 bzw. § 4 (1) c) ARB 94/2000/2008 ein Vorbringen des Versicherungsnehmers mit objektivem Tatsachenkern, mit dem er den Vorwurf eines Rechtsverstoßes aufstellt und auf den er seine Interessenverfolgung stützt, ausreiche. Dies sei eine seit langem gefestigte und nicht umstrittene Rechtsprechung.

Diese Grundsätze gelten auch für die Androhung einer Kündigung des Arbeitsgebers.
„Damit kommt es auf Differenzierungen wie sie in Instanzrechtsprechung und Schrifttum vorgenommen werden etwa zwischen Kündigungsandrohung und Kündigungsausspruch, verhaltens- und betriebsbedingten Kündigungen und eingetretenen oder noch bevorstehenden Beeinträchtigungen der Rechtsposition des Versicherungsnehmers nicht an. Ebenso wenig gibt es eine besondere Fallgruppe für Kündigungen von Vertragsverhältnissen oder gar speziell für betriebsbedingte Kündigungen von Arbeitsverhältnissen.

Der Kläger hatte ein tatsächliches Geschehen aufgezeigt, mit dem er den Vorwurf eines Rechtsverstoßes durch seine Arbeitgeberin verbunden hatte: Sie habe ihm einen Aufhebungsvertrag angeboten, im Falle der Nichtannahme eine betriebsbedingte Kündigung angedroht, später mitgeteilt, dass er von der geplanten Stellenreduzierung betroffen sei, Angaben zur Sozialauswahl verweigert und dann zugleich ein befristetes Angebot auf Abschluss eines Aufhebungsvertrages unterbreitet.
An der Ernsthaftigkeit, das Arbeitsverhältnis auf diese Weise auf jeden Fall beenden und nicht etwa nur vorbereitende Gespräche über Möglichkeiten von betrieblich bedingten Stellenreduzierungen und deren etwaigen Umsetzungen führen zu wollen, bestand nach diesen Behauptungen kein Zweifel. Auf diese vom Kläger behaupteten Tatsachen hatte er den Vorwurf gegründet, die Arbeitgeberin habe ihre Fürsorgepflicht verletzt und damit eine Vertragsverletzung begangen, sie habe eine Kündigung ohne Auskunft über die Sozialauswahl in Aussicht gestellt, die weil sozial ungerechtfertigt rechtswidrig wäre. Schon mit diesem vom Kläger behaupteten Verhalten begann sich die vom Rechtsschutzversicherer übernommene Gefahr zu verwirklichen; der Rechtsschutzfall war damit eingetreten.“

BGH, Urteil vom 19. November 2008, Az. IV ZR 305/07

Vorinstanzen
Amtsgericht Hannover, Urteil vom 15. Mai 2007, Az. 544 C 16386/06
Landgericht Hannover, Urteil vom 17. Oktober 2007, Az. 6 S 43/07

Das RVG

Mir geht es vermutlich wie vielen anderen Rechtsanwaltskollegen auch: Eine RVG-Schulung besuche ich bei weitem nicht jedes Jahr, und ich verlasse mich großzügig auf meine bisherigen Kenntnisse sowie auf meine Mitarbeiter/innen.

Gedanken zur Gebührenoptimierung

Gerade deshalb möchte ich einige RVG-Probleme nach Kenntnisnahme des BGH-Urteils nochmals darstellen.

Belehrung über den Gegenstandswert auch in Arbeitsrechtssachen

Zunächst sollte der Anwalt niemals § 49 b BRAO übersehen. Danach hat er den Mandanten vor Erteilung des Mandats darüber zu belehren, dass sich die Anwaltsgebühren nach dem Gegenstandswert richten.

In der Praxis ist dies oft nur schwer möglich und in vielen Fällen würden die Mandanten nur mit dem Kopf schütteln.

Aber: Ein Unterlassen der Belehrung kann berufsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Eins ist allerdings noch gravierender: Der Rechtsanwalt kann seinen Vergütungsanspruch verlieren. Er könnte sich schadensersatzpflichtig gemacht haben. Diesen Sekundäranspruch kann der Mandant dem Honoraranspruch gegenüberstellen. Eine entsprechende Entscheidung des BGH gibt es schon.

Tipp
Deshalb sollte sich jeder Rechtsanwalt vor Erteilung der Vollmacht auf einem gesonderten Vordruck seinen Hinweis bestätigen lassen, soweit das noch nicht geschieht.

Vergütungsvereinbarungen

Wenn aber bereits ein Hinweis über die Berechnungsgrundlage der Gebühren erforderlich ist, sollte der Anwalt auch stets über eine Vergütungsvereinbarung nachdenken. Immerhin spricht er bereits ohnehin mit seinem Mandanten über Zahlen und Honorare.

Selbst wenn eine „große Lösung“ in der Praxis häufig ausscheidet, könnte auch nur eine Vereinbarung über gesteigerten Auslagenersatz oder erhöhte Gebühren bei mehreren Terminswahrnehmungen vereinbart werden.

Außergerichtliche Tätigkeit in Kündigungsschutzsachen

Nun noch einmal zurück speziell zum Arbeitsrecht. Immer wieder ist umstritten, ob Rechtsschutzversicherer in einer Kündigungsschutzsache auch eine außergerichtliche Kostenübernahme bestätigen müssen.

Konkret zu dieser Frage fehlt leider noch immer eine höchstrichterliche Rechtsprechung.

Beispielsfall
Ein Mandant kommt zu Ihnen mit einer Kündigung seines Arbeitgebers. Sie schreiben den Arbeitgeber an, der daraufhin seine Kündigung zurückzieht. Warum sollte die Versicherung nicht zahlen müssen?

Glücklicherweise gibt es wenigstens Urteile zu diesem Thema, die meine Auffassung bestätigen. Und nach dem o.g. BGH-Urteil müsste diese Diskussion eigentlich aufhören. Schließlich reicht bereits eine Kündigungsandrohung für eine Einstandspflicht aus.

Anrechnung der Geschäftsgebühr bei Prozesskostenhilfe

Eine große Sorge vieler Rechtsanwälte war es, dass die außergerichtliche Geschäftsgebühr auch in PKH-Fällen auf die spätere Verfahrensgebühr angerechnet wird. Dies deshalb, da in diesen Fällen in der Praxis die Zahlung der Geschäftsgebühr mangels Zahlungsfähigkeit des Mandanten häufig entfällt. Folge wäre damit auch noch das Entfallen der halben Verfahrensgebühr.

Die meisten Gerichte jedoch, bis hin zum OLG Stuttgart, verweigern eine Anrechnung. Richtiger Grund: Nach Beiordnung des Anwalts kann dieser gegen den eigenen Mandanten keine Vergütungsansprüche mehr geltend machen.

OLG Stuttgart, Beschluss v. 15.01.2008, Az. 8 WF 5/08

Geschäftgebühr im Arbeitsrecht

Diese Gebühr nach Nr. 2.300 VV RVG war bereits Gegenstand vieler Urteile.
Trotzdem rechnen viele Rechtsanwälte in den allermeisten Fällen nur die übliche 1,3-Gebühr ab.

Die Mittelgebühr beträgt jedoch 1,5!

Wir alle kennen die Vorgehensweise der Versicherer in einfachen Verkehrsunfällen. Dort wurde in den letzten Jahren stets versucht, in „einfachen Unfallsachen“ weniger als eine 1,3-Gebühr zu zahlen. Zum Glück ist dieses Thema durch eine Vielzahl von Urteilen ausgestanden. Aber die Konsequenz muss nochmals beleuchtet werden:
Selbst in einfachen Unfallangelegenheiten ist eine 1,3-Gebühr gerechtfertigt. Dann muss doch wohl erst recht eine höhere Gebühr in komplizierten Sachen anzusetzen sein.

Die Kriterien des § 14 RVG:

  • Bedeutung
  • Umfang
  • Schwierigkeit
  • Einkommensverhältnisse
  • Haftung

Gerade im Arbeitsrecht könnte ein Anwalt häufig mehr als eine 1,3-Gebühr abrechnen.

Kündigungssachen sind stets bedeutsam. Überstundenstreitigkeiten sind umfangreich.
Mandanten mit Migrationshintergrund können häufig nur schlecht deutsch sprechen, was die Angelegenheit schon deshalb schwierig und umfangreich werden lassen kann.
Bei der Vertretung leitender Angestellter sind die Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu berücksichtigen.
Die Haftung des Anwalts wird immer größer.


Mein Tipp:
In jede Hand-Akte gehört ein Extra-Blatt, auf dem der Anwalt die Umstände notiert, die zu einer höheren Gebühr führen können.

Terminsgebühr

Wie vielfach bekannt: Für das Entstehen der Terminsgebühr reicht nach Erteilen des Klageauftrags eine Besprechung mit dem gegnerischen Rechtsanwalt. Diese muss nur auf die Erledigung oder Vermeidung des Verfahrens gerichtet sein.

Mein Tipp:
Der Rechtsanwalt sollte sich stets zwei Vollmachten ausstellen lassen: eine für die außergerichtliche und eine für die gerichtliche Vertretung. Damit ist ein unbedingter Klageauftrag häufig nachzuweisen.

Einigungsgebühr

Für das Entstehen der Einigungsgebühr reicht häufig schon ein kleiner Satz.

Beispiel:
„Ich bin mit der Kündigungsrücknahme einverstanden.“ – Schon haben Sie eine 1,5-Gebühr verdient.

Das BAG sagt dazu:
Es entsteht eine Einigungsgebühr, wenn eine Einigkeit besteht, dass der Arbeitgeber die Kündigung und der Arbeitnehmer die dagegen gerichtete Kündigungsschutzklage zurücknimmt.

BAG, Beschluss vom 29.03.2006, Az. 3 AZB 69/05

Vollstreckung: Androhung und Terminsgebühr

Zum Abschluss: Die Gebühr für eine Vollstreckungsandrohung nach Nr. 3.309 VV RVG wird auf die spätere Vollstreckungsgebühr angerechnet. Das gilt aber nicht für die Auslagenpauschale. Die 20,00 Euro bzw. 20% sind in jedem Fall zusätzlich fällig.

Tipp:
Gehen Sie doch auch einmal wieder zu einem Termin zur einer Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung durch den Gegner. Dafür erhalten Sie nach 3.310 VV RVG eine Terminsgebühr.

Erstellen Sie eine Checkliste für Ihre Hand-Akte. Damit Sie keine Gebühren vergessen


Checkliste zu § 14 RVG

1.) Vergütungsvereinbarungen mit dem Mandant abschließen

2.) Geschäftsgebühr höher als 1,3 – Prüfen Sie

  • Umfang
  • Schwierigkeit
  • Bedeutung der Angelegenheit
  • Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers
  • Haftungsrisiko

Insbesondere: fremdsprachige Mandanten, Ortstermine, viele Gespräche, Schwerverletzter, existenzbedrohende Angelegenheiten

3.) Terminsgebühr entsteht nach Prozessauftrag – Telefonate führen!
4.) Einigungsgebühr entsteht häufig. Auch bei Einverständnis mit gegnerischen Verhalten – Mitteilungen verfassen!


Erstellen Sie Tätigkeitsnachweise (sofern nicht ohnehin in EDV erfasst).

Quelle: Rechtsanwalt Arno Schrader - vom 27.02.09