Den Absender einer E-Mail trifft nach § 130 BGB die volle Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die E-Mail dem Empfänger zugegangen ist. Ihm kommt keine Beweiserleichterung zu Gute, wenn er nach dem Versenden keine Meldung über die Unzustellbarkeit erhält. Das hat das LAG Köln entschieden. Streitig war die Rückzahlungsverpflichtung aus einem Darlehen im Zusammenhang mit einer Fortbildung.
Darum geht es
In dem Rechtsstreit stritten die Parteien um die Verpflichtung des Klägers, ein ihm zur Finanzierung einer Fortbildung gewährtes Darlehen an die Beklagte zurückzuzahlen.
In dem Darlehensvertrag war geregelt, dass die Beklagte auf die Rückzahlung des Darlehens verzichtet, wenn sie aus betrieblichen Gründen dem Kläger nicht innerhalb von fünf Jahren nach Beendigung der Fortbildung die Übernahme in ein Arbeitsverhältnis anbietet.
Die Beklagte ist eine Fluggesellschaft und betreibt ein Unternehmen u.a. zur Ausbildung von Piloten. Die Kosten der Ausbildung übernimmt konzernintern die Beklagte, wobei die angehenden Piloten teilweise kostenmäßig beteiligt werden. Der Kläger ist Pilot und absolvierte seine Ausbildung innerhalb des Konzerns der Beklagten.
Ob der Kläger eine E-Mail der Beklagten mit einem Beschäftigungsangebot als Anlage am letzten Tag der Frist erhalten hat, war streitig.
Die Beklage verwies auf ihr Postausgangs- und Posteingangskonto, wonach die E-Mail verschickt worden sei und sie daraufhin keine Meldung der Unzustellbarkeit bekommen habe. Laut Kläger ging eine solche E-Mail erst drei Tage später bei ihm ein.
In dem hieraufhin vereinbarten Arbeitsverhältnis begann die Beklagte, vom Gehalt des Klägers monatlich jeweils 500 € als Darlehensrückzahlung einzubehalten. Sie war der Ansicht, dass dem Kläger rechtzeitig ein Arbeitsplatz aufgrund der E-Mail angeboten worden sei.
Die Bedingung für den Verzicht auf die Rückzahlung sei nicht eingetreten. Sie könne sich hinsichtlich des fristgerechten Zugangs der E-Mail auf den Beweis des ersten Anscheins berufen.
Das Arbeitsgericht hat der Lohnzahlungsklage stattgegeben (Arbeitsgericht Köln, Urt. v. 18.03.2021 - 6 Ca 5660/20).
Wesentliche Entscheidungsgründe
Die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht Köln zurückgewiesen.
Der Zugang einer E-Mail sei vom Versender darzulegen und zu beweisen. Die Absendung der E-Mail begründe keinen Anscheinsbeweis für den Zugang beim Empfänger. Ob nach dem Versenden einer E-Mail die Nachricht auf dem Empfängerserver eingeht, sei nicht gewiss.
Wie auch bei einfacher Post sei es technisch möglich, dass die Nachricht nicht ankommt. Dieses Risiko könne nicht dem Empfänger aufgebürdet werden. Denn der Versender wähle die Art der Übermittlung der Willenserklärung und trage damit das Risiko, dass die Nachricht nicht ankommt.
Um sicherzustellen, dass eine E-Mail den Adressaten erreicht hat, habe der Versender über die Optionsverwaltung eines E-Mail-Programms die Möglichkeit, eine Lesebestätigung anzufordern.
Das LAG Köln widerspricht damit einer teilweise vertretenen Auffassung, dass dem Absender ein „Beweis des ersten Anscheins“ für den Eingang einer E-Mail zur Seite stehe, soweit keine Rücksendung als unzustellbar eingegangen ist.
Das LAG Köln ist der Aufassung, dass die Beklagte den Zugang der E-Mail nebst Anlagen nicht dargelegt hat. Die Beklagte habe lediglich die routinemäßigen Abläufe beschrieben und behauptet, dass eine E-Mail versendet worden sein soll. Dies sei gemäß ihrer Darlegungs- und Beweislast nicht ausreichend.
LAG Köln, Urt. v. 11.01.2022 - 4 Sa 315/21
Quelle: LAG Köln, Pressemitteilung v. 21.02.2022