Arbeitsrecht -

Diskriminierung aufgrund des Alters

BAG, Urt. v. 23.08.2012 - 8 AZR 285/11 

Ein Entschädigungsanspruch wegen einer Benachteiligung aufgrund des Alters kann auch dann bestehen, wenn die Stelle überhaupt nicht besetzt wird. {DB:tt_content:2566:bodytext}

Darum geht es:

Eine Arbeitgeberin wollte im Jahr 2009 zwei Mitarbeiter im Alter zwischen 25 und 35 Jahren einstellen. Einer der Bewerber auf die Stelle war 1956 geboren. Er war somit „viel zu alt". Zum Vorstellungsgespräch wurde er nicht eingeladen. Gespräche wurden zwar durchgeführt, die Arbeitgeberin stellte letztendlich jedoch keinen der Bewerber ein. Der Arbeitnehmer machte nun geltend, dass er wegen seines Alters unzulässig benachteiligt worden sei. Er verlangte eine Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Nachdem sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen hatten, konnte der Arbeitnehmer vor dem BAG einen Teilerfolg erringen.

Wesentliche Entscheidungsgründe:

Das Landesarbeitsgericht hatte die Entschädigungsklage des Bewerbers mit der Begründung abgelehnt, dass die Arbeitgeberin keinen anderen Bewerber eingestellt hatte. Insoweit konnte das Landesarbeitsgericht keinen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG feststellen. Das BAG war anderer Ansicht. Nur weil die Arbeitgeberin keinen anderen Mitarbeiter eingestellt hatte, entfällt ein Entschädigungsanspruch nicht. Daher wird das Landesarbeitsgericht nun prüfen müssen, ob

  • der Arbeitnehmer für die Stelle objektiv geeignet war und
  • eine Einstellung wegen seines Alters nicht erfolgte.

Folgerungen aus der Entscheidung:

Das AGG entwickelt sich zu einem scharfen Schwert. Nach seinem Inkrafttreten im Jahr 2006 mussten Arbeitgeber immer wieder Erfahrungen machen, mit denen sie wohl zunächst nicht gerechnet hatten. Es wird häufig vergessen, dass das AGG nicht nur Diskriminierungen wegen des Geschlechts und des Alters sanktioniert: Diskriminierungen wegen der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung und der sexuellen Identität sind ebenso verboten. Die Differenzierungsmerkmale „Rasse" und „ethnische Herkunft" bilden dabei ein einheitliches Benachteiligungsmerkmal. Sie bezwecken einen umfassenden Schutz vor Benachteiligungen durch Rassismus und Fremdenfeindlichkeiten und sind weit zu verstehen. Um einem Missverständnis entgegen zu treten: Schon nach den Überlegungen des Gesetzgebers existieren nicht verschiedene Rassen, es gibt nur eine menschliche Rasse. Immer wieder hat an dieser Stelle der Gesetzestext zu nachvollziehbaren Irritationen geführt.

Damit Arbeitnehmer ihre Rechte kennen, ist der Arbeitgeber verpflichtet, das AGG auszuhängen, auf die Klagefrist hinzuweisen und Informationen über die Behandlung von Beschwerden zu geben.

Natürlich können Benachteiligungen auch sachlich gerechtfertigt sein, z.B. wenn bestehende Benachteiligungen abgebaut werden sollen.

Im entschiedenen Fall wurde gegen § 11 AGG verstoßen, denn ein Arbeitsplatz darf nicht unter Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ausgeschrieben werden. Hier muss es schon wundern, dass es noch immer Arbeitgeber gibt, denen solche Verstöße geschehen.

Arbeitgeber sind außerdem nach § 81 SGB IX verpflichtet zu prüfen, ob freie Arbeitsplätze

  • mit schwerbehinderten Menschen,
  • insbesondere mit bei der Agentur für Arbeit arbeitslos oder arbeitssuchend gemeldeten schwerbehinderten Menschen besetzt werden können.

Wird dies vergessen, kann das ein Indiz dafür sein, dass ein abgelehnter schwerbehinderter Bewerber wegen seiner Behinderung benachteiligt wurde. So war es auch in dem Urteil des BAG vom 13.10.2011 (8 AZR 608/10) geschehen.

Klar ist aber auch, dass eine Benachteiligung im Sinne des Gesetzes nur dann vorliegen kann, wenn eine Diskriminierung überhaupt möglich ist. Deshalb muss das Landesarbeitsgericht im vorliegenden Fall untersuchen, ob der Arbeitnehmer für die Stelle überhaupt geeignet war.

Des Weiteren hat das Landesarbeitsgericht zu prüfen, ob die Einstellung tatsächlich wegen des Alters unterblieben ist. Dabei dürfte den Arbeitgeber die Beweislast treffen. Eine Diskriminierung dürfte indiziert sein, allerdings wird der Arbeitgeber im vorliegenden Fall eine große Chance haben, die Indizwirkung zu widerlegen, da die Stelle tatsächlich nicht besetzt wurde. Wenn er in diesem Fall nachvollziehbare objektive Gründe darlegen kann, weshalb das der Fall war, wird die Entschädigungsklage keine Aussicht auf Erfolg haben.

Praxishinweis:

Das BAG hat richtigerweise darauf hingewiesen, dass allein die Nichtbesetzung der Stelle einem Entschädigungsanspruch nicht entgegensteht, denn damit könnte sich der Arbeitgeber dem gesetzlich geforderten Entschädigungsanspruch zu leicht entziehen. Der Arbeitgeber wird nun konkret anhand objektiv messbarer und nachvollziehbarer Gründe darlegen müssen, weshalb die Stelle nicht neu besetzt wurde.

Genau an dieser Stelle wird für den Rechtsberater deutlich, dass eine umfassende Dokumentation von diskriminierungsfreien Bewerbungsverfahren unerlässlich ist. Das kann und muss der wohl gemeinte Rat an jeden Arbeitgeber sein.

Quelle: RA Arno Schrader - vom 23.10.12