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Arbeitsrecht -

Befristung der Vertretung eines erkrankten Arbeitnehmers

LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 05.07.2012 - 11 Sa 26/12

Solange der vertretene Arbeitnehmer nicht verbindlich erklärt, dass er die Arbeit nicht wieder aufnehmen wird, darf der Arbeitgeber mit dessen Rückkehr an den Arbeitsplatz rechnen.{DB:tt_content:2566:bodytext}

Darum geht es

Die Arbeitnehmerin ist seit dem 01.08.2008 in Teilzeit bei der Arbeitgeberin beschäftigt. Seit Arbeitsbeginn haben die Parteien zehn befristete Arbeitsverträge vereinbart. Der letzte befristete Vertrag, datiert vom 22.12.2010, beinhaltet eine Befristung ab dem 01.01.2011 "für die Zeit der Vertretung der erkrankten Arbeitnehmerin I., längstens bis 30.06.2011."

Zwischen der Arbeitnehmerin I. und der Arbeitgeberin besteht ein zweckbefristetes Arbeitsverhältnis, das für die Dauer des Vorliegens der Voraussetzungen für die Beschäftigung einer interkulturellen Zusatzkraft vereinbart wurde. Frau I. ist seit Mitte 2008 arbeitsunfähig erkrankt. Anfang 2008 teilte das Gesundheitsamt nach einer amtsärztlichen Untersuchung mit, dass prinzipiell mit der Wiedererlangung der Leistungsfähigkeit der Frau I. zu rechnen sei. Die Deutsche Rentenversicherung Bund teilte der Arbeitgeberin mit Schreiben vom 14.01.2009 mit, dass Frau I. von ihr Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erhält. Frau I. selbst informierte die Arbeitgeberin mit Schreiben vom 12.08.2010, dass sie in diesem Monat mit einer beruflichen Trainingsmaßnahme beginne.

Die Arbeitnehmerin vertritt die Auffassung, dass für die Befristung des letzten Änderungsvertrags kein sachlicher Grund vorgelegen habe. Angesichts der langen Erkrankungsdauer hätte der Arbeitgeberin klar sein müssen, dass Frau I. auch nach Ablauf der Befristungsdauer ihren Dienst nicht wieder aufnehmen würde. Vor diesem Hintergrund hätte einer unbefristeten Beschäftigung der Arbeitnehmerin der Vorzug vor einer Fortführung des mit Frau I. bestehenden Arbeitsvertrages eingeräumt werden müssen.

Das Arbeitsgerichts Koblenz hat die Klage der Arbeitnehmerin mit Urteil vom 26.10.2011 (6 Ca 2367/11) abgewiesen. Zum 01.11.2011 wurde Frau I. eine Erwerbsminderungsrente auf Zeit bewilligt.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Die eingelegte Berufung hat das LAG Rheinland-Pfalz zurückgewiesen. Die arbeitsgerichtliche Befristungskontrolle beschränke sich bei mehreren aufeinander folgenden Arbeitsverträgen auf den letzten befristeten Arbeitsvertrag. Im vorliegenden Fall sei deshalb ausschließlich der Arbeitsvertrag der Parteien vom 22.12.2010 auf seine sachliche Rechtfertigung hin zu überprüfen.

Das Arbeitsverhältnis der Arbeitnehmerin sei wirksam zum 30.06.2011 befristet worden. Für die Befristung habe der sachliche Grund der Vertretung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG bestanden. In den Fällen der Vertretung bestünde der sachliche Grund für die Befristung darin, dass der Arbeitgeber seinen Arbeitskräftebedarf bereits durch den Arbeitsvertrag mit dem erkrankten Arbeitnehmer abgedeckt hat und deshalb an der Arbeitskraft des Vertreters von vornherein nur ein vorübergehender, zeitlich durch die Rückkehr des Vertretenen begrenzter Bedarf bestehe. Teil des Sachgrundes sei eine Prognose des Arbeitgebers über den voraussichtlichen Wegfall des Vertretungsbedarfs durch die Rückkehr des vertretenen Mitarbeiters. Von dessen Rückkehr an den Arbeitsplatz könne grundsätzlich ausgegangen werden. Der Arbeitgeber dürfe und müsse mit dieser rechnen. Deshalb stünde auch eine wiederholte Befristung wegen der mehrfachen Verhinderung der zu vertretenden Stammkraft der Prognose des künftigen Wegfalls des Vertretungsbedarfs nicht entgegen.

Die Prognose des Vertretungsbedarfs sei nur dann unbeachtlich und der Befristungsgrund des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG damit nicht gegeben, wenn der zu vertretende Arbeitnehmer dem Arbeitgeber bereits vor dem Abschluss des befristeten Arbeitsvertrags mit der Vertretungskraft verbindlich erklärt habe, dass er die Arbeit nicht wieder aufnehmen werde. Eine längere Krankheit des vertretenen Arbeitnehmers allein erschüttere die Prognose des Arbeitgebers aber nicht. Es existiere kein allgemeiner Erfahrungssatz, dass Arbeitnehmer, die über einen längeren Zeitraum arbeitsunfähig erkrankt sind, ihre Arbeit überhaupt nicht wieder aufnehmen würden. Im vorliegenden Fall sei dem Arbeitgeber sogar von mehreren Seiten die Rückkehr der Frau I. in Aussicht gestellt worden.

Folgerungen aus der Entscheidung

Das LAG Rheinland-Pfalz kommt dem Arbeitgeber weit entgegen. Solange der vertretene Arbeitnehmer nicht verbindlich erklärt, nicht zurückzukehren, ist die Prognose eines nur vorübergehenden Vertretungsbedarfs kaum angreifbar. Vor dem Hintergrund der beiden Urteile des BAG vom 18.07.2012 (7 AZR 443/09 und 7 AZR 783/10) wird im Fall einer Kettenbefristung zur Vertretung von anderen Arbeitnehmern die Befristung des letzten Arbeitsvertrags nur im Ausnahmefall aus allgemeinen Erwägungen des Rechtsmissbrauchs als unwirksam gewertet.

Praxishinweis

Die Entscheidung verschafft dem Arbeitgeber weitgehende Rechtssicherheit. Die darin aufgestellten Grundsätze machen eine Zweckbefristung nur angreifbar, wenn der Arbeitgeber eine nicht mehr nachvollziehbare Prognose hinsichtlich des Vertretungsbedarfs stellt. Grundsätzlich darf er selbst mit der Rückkehr eines Arbeitnehmers rechnen, der lange Zeit krankheitsbedingt fehlt. Erst wenn der Arbeitgeber sicher weiß, dass er durch die Festanstellung des befristet beschäftigten Arbeitnehmers keine personellen Überkapazitäten aufbaut, weil der vertretene Arbeitnehmer nicht zurückkehrt, kann er sich nicht mehr auf den Vertretungsbedarf als Befristungsgrund berufen.

Quelle: RA Dr. Martin Kolmhuber - vom 15.10.12