Arbeitsrecht -

Auslegung einer vertraglichen Bezugnahmeklausel

BAG, Urt. v. 19.05.2010 - 4 AZR 796/08

Eine arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel, die auf den „Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) in der jeweils gültigen Fassung“ und die dazu geschlossenen Zusatzverträge verweist, kann im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung dahingehend ausgelegt werden, dass auch die den BAT ersetzenden Tarifverträge für das Arbeitsverhältnis maßgebend sind.{DB:tt_content:2566:bodytext}

Nach dem Zweck der Bezugnahmeklausel ist von den verschiedenen Nachfolgetarifverträgen des BAT in der Regel derjenige anzuwenden, der typischerweise gelten würde, wenn die Tätigkeit innerhalb des öffentlichen Dienstes erbracht würde.

Darum geht es:

Der Kläger ist bei der nicht tarifgebundenen Beklagten beschäftigt. Die Parteien haben für den Inhalt ihres Arbeitsverhältnisses im Wesentlichen auf die Bestimmungen des jeweils gültigen BAT in Bezug genommen, nicht aber auch auf die diesen ersetzenden Tarifverträge. Die Beklagte wendet auch nach dem Inkrafttreten des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) am 01.11.2006 weiterhin die Bestimmungen des BAT und der ihn ergänzenden Tarifverträge an.

Der Kläger will daher festgestellt wissen, dass vielmehr die tariflichen Regelungen des TV-L (ersetzt den BAT) und dessen Zusatztarifverträge für sein Arbeitsverhältnis maßgebend sind.

Die Klage war vor dem Vierten Senat des Bundesarbeitsgerichts, ebenso wie in den Vorinstanzen, erfolgreich.

Wesentliche Entscheidungsgründe:

Die lediglich zeitdynamisch ausgestaltete Bezugnahmeklausel selbst erfasste dem Wortlaut nach nicht die Nachfolgetarifverträge des BAT, da es sich bei diesen nicht um eine gültige Fassung des BAT handelt.

Die Bezugnahmeregelung ergab allerdings den Willen der Parteien, sich dynamisch an der Tarifentwicklung des öffentlichen Dienstes auszurichten. Da der BAT mit dem Inkrafttreten u.a. des TV-L seine Dynamik verloren hat, ist die vertragliche Bezugnahmeregelung lückenhaft geworden.

Wie bereits der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts für eine Inbezugnahme der Vergütungsregelungen des BAT entschieden hat (16.12.2009 - 5 AZR 888/08, würde eine statische Weitergeltung des BAT mit dem tariflichen Normenbestand aus dem Jahre 2003 nach dem Sinn und Zweck der Bezugnahmeklausel nicht den Interessen der Parteien entsprechen.

Ergänzende Vertragsauslegung

Die Bezugnahmeklausel war im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung dahin zu ergänzen, dass auch die Geltung der dem BAT nachfolgenden Tarifregelungen vom mutmaßlichen Willen der Arbeitsvertragsparteien mitumfasst war.

Da es für die in Hamburg ansässige Arbeitgeberin an erkennbaren Hinweisen fehlte, sich am Tarifrecht des Bundes oder an dem der Kommunen zu orientieren, war die lückenhafte Vertragsregelung dahin zu schließen, dass die Parteien redlicherweise die Bezugnahme des TV-L, sowie der hierzu geschlossenen weiteren Tarifverträge vereinbart hätten.

Quelle: BAG - Pressemitteilung vom 19.05.10