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Arbeitsrecht -

Arbeitszeitbetrug rechtfertigt eine fristlose Kündigung

LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 15.11.2012 - 10 Sa 270/12

Ein vorsätzlicher Arbeitszeitbetrug zerstört das Vertrauen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber unwiederbringlich und rechtfertigt eine außerordentliche fristlose Kündigung.{DB:tt_content:2566:bodytext}

Darum geht es

Eine Arbeitnehmerin war in einem Museum als Kassenkraft beschäftigt. Ihre Arbeitszeit erfasste sie durch eine handschriftliche Selbstaufzeichnung für den jeweiligen Monat in sogenannten Zeitsummenkarten. Am Samstag, den 06.08.2011, fand sich auf der Zeitsummenkarte ein Eintrag von sechs Stunden, obwohl die Arbeitnehmerin unstreitig nicht gearbeitet hatte.

Die Arbeitgeberin kündigte das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos wegen eines Arbeitszeitbetrugs. Die Arbeitnehmerin war damit nicht einverstanden und zog vor das Arbeitsgericht. Sie verteidigte sich gegen die Fehleintragungen folgendermaßen:

  • Sie bestritt mit Nichtwissen, dass die falsche Eintragung von ihr selbst stamme, sie wisse nicht, wie es zu der Eintragung gekommen sei.
  • Es habe ein Mobbing gegen sie stattgefunden und andere Mitarbeiter hätten gezielt in Schädigungsabsicht gegen sie gehandelt.
  • Wegen der Mobbingproblematik hätte auch eine nachträgliche Manipulation der Zeitsummenkarte erfolgen können.
  • Es sei eine psychische Destabilisierung bei ihr hervorgerufen worden mit der Folge, dass ihr Fehler unterlaufen seien.
  • Eine vorsätzliche Begehung sei nicht hinreichend nachgewiesen worden.
  • Die Karte war auch dem Zugriffsbereich des Arbeitgebers ausgesetzt.
  • Eine Abmahnung hätte als milderes Mittel genügt.

Die Arbeitgeberin war anderer Meinung. Sie war der Auffassung, dass kein vernünftiger Zweifel daran besteht, dass die falsche Eintragung von der Arbeitnehmerin selbst stamme. Der Vertrauensverlust wiege schwerer als das Bestandsschutzinteresse der Arbeitnehmerin.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Das LAG Rheinland-Pfalz hat festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung beendet wurde. Es lag ein wichtiger Grund i.S.d. § 626 BGB vor. Der vorsätzliche Missbrauch einer Stempeluhr oder das vorsätzliche falsche Ausstellen entsprechender Zeitsummenkarten können geeignet sein, einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darzustellen. Letztendlich kommt es auf die Schwere des Vertrauensbruchs an. Überträgt ein Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern die Aufgabe, den Nachweis über die geleistete Arbeitszeit selbst zu führen und füllt dann ein Arbeitnehmer wissentlich und vorsätzlich diesen Arbeitszeitnachweis falsch aus, ist dies ein schwerer Vertrauensbruch, der das notwendige Vertrauen für eine weitere Zusammenarbeit unwiederbringlich zerstört.

Die Arbeitnehmerin war, so das Gericht, dazu verpflichtet, ihre tatsächliche Arbeitszeit gewissenhaft zu dokumentieren. Sie hat dadurch einen Vertrauensvorschuss von ihrer Arbeitgeberin erhalten. Insoweit gehörte es zu ihren Pflichten, nicht nur korrekt, sondern auch zeitnah Eintragungen vorzunehmen. Mit zunehmendem Zeitablauf nimmt das menschliche Erinnerungsvermögen ab. Insoweit versteht es sich von selbst, dass es keiner Anweisung der Arbeitgeberin zu einer zeitnahen Eintragung bedurfte. Bei einer verspäteten Eintragung hat die Arbeitnehmerin sogar stets billigend in Kauf genommen, falsche Angaben zu machen.

Eine vorherige Abmahnung war nicht erforderlich. Eine Hinnahme des Fehlverhaltens war offensichtlich ausgeschlossen. Die pauschale Behauptung, dass die Arbeitnehmerin mit Nichtwissen bestreite, dass die falsche Eintragung von ihr selbst stamme, war nach § 138 ZPO unbeachtlich.

Die weiteren Argumente der Arbeitnehmerin, mit denen sie ihr Verhalten mit fehlenden Anweisungen, Erinnerungslücken, Manipulationsmöglichkeiten und Mobbing zu erklären versuchte, befand das Gericht für untauglich.

Folgerungen aus der Entscheidung

Nach § 626 Abs. 1 BGB kann ein Dienstverhältnis aus wichtigem Grund gekündigt werden. Anerkannt ist, dass die Rechtsprechung absolute Kündigungsgründe nicht kennt. Gerade kleinere Vermögensdelikte können bei einer langjährigen Betriebszugehörigkeit gegen die Rechtmäßigkeit einer Kündigung sprechen. Das dürfte auch beim Arbeitszeitbetrug gelten. Von geringfügigen Fehleintragungen war hier jedoch nicht die Rede. Es ging immerhin um sechs falsch eingetragene Stunden.

In der Praxis lässt sich eine rote Linie bei den Urteilen der Arbeitsgerichtsbarkeit erkennen: Bei Arbeitszeitbetrug und Tätlichkeiten am Arbeitsplatz kennen die Arbeitsgerichte keine Gnade. Kündigungen sind in aller Regel rechtswirksam - aus gutem Grund.

Praxishinweis

In seiner Begründung ist das Urteil nachvollziehbar und korrekt. Allerdings gibt dem Leser des Urteils ein Argument zu denken: Die Stempelkarte oblag dem Zugriff des Arbeitgebers und offensichtlich hätten auch andere Arbeitnehmer Eintragungen vornehmen können. Dies ist natürlich eine besonders missliche Situation und lädt zu Manipulationen ein. Unterstellt, es hätte tatsächlich eine andere Person die Eintragungen vorgenommen, mit dem Ziel, die ohnehin dem Mobbing ausgesetzte Arbeitnehmerin loszuwerden, würde dies dazu führen, dass das Urteil falsch wäre. In der Praxis kann also Arbeitnehmern nur geraten werden,

  • bei handschriftlich zu führenden Zeiterfassungen Streichungen an den Tagen vorzunehmen, an denen nicht gearbeitet wurde, und
  • die Karten vor der Abgabe ins Personalbüro noch einmal zuüberprüfen.

Das Urteil zeigt außerdem deutlich auf, dass diese Form der Zeiterfassung in einem Betrieb ausgedient hat. Es gibt moderne Möglichkeiten der elektronischen Zeiterfassung, die eine Manipulation weitestgehend ausschließen.

Quelle: RA Arno Schrader - vom 09.04.13