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Arbeitsrecht -

Arbeitsvertrag muss nicht übersetzt werden

LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 02.02.2012 - 11 Sa 569/11

Der Arbeitsvertrag eines Arbeitnehmers, der nicht der deutschen Sprache mächtig ist, muss nicht vom Arbeitgeber in dessen Muttersprache übersetzt werden. In einem solchen Arbeitsvertrag enthaltene wirksame Ausschlussklauseln gelten auch im Fall der Nichtübersetzung.{DB:tt_content:2566:bodytext}

Darum geht es

Ein Arbeitnehmer war der deutschen Sprache nicht mächtig. Die Arbeitsvertragsverhandlungen wurden in portugiesischer Sprache geführt. Sodann wurde dem Arbeitnehmer ein Formulararbeitsvertrag in deutscher Sprache vorgelegt. Diesen unterzeichnete er. Eine Übersetzung wurde weder vom Arbeitnehmer gefordert noch vom Arbeitgeber gefertigt.

In dem Vertrag fand sich folgender Passus:

㤠12 Ausschlussfristen
Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden.
Lehnt die Gegenpartei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb eines Monats nach der Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird."

Im April 2011 machte der Arbeitnehmer außergerichtlich Ansprüche auf Arbeitsvergütung und Reisekostenpauschalen geltend. Im Mai 2011 erhob er Zahlungsklage und verlangte

  • für den Monat Dezember 2010 eine Arbeitsvergütung in Höhe von 900 € brutto und 
  • die Zahlung von Fahrtkostenpauschalen in einer Gesamthöhe von 3.870 € netto aus dem Zeitraum März 2010 bis September 2010.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Das LAG wies die Klage ab. Es beschäftigte sich insbesondere mit der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB. Anhand der geltenden Rechtsprechung des BAG (Urt. v. 28.09.2005 - 5 AZR 52/05) ist eine Frist für die schriftliche Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis von weniger als drei Monaten unangemessen kurz. Insoweit war der erste Teil der Klausel (noch) rechtmäßig. Der zweite Teil der Klausel, in dem der Arbeitnehmer innerhalb von zwei Monaten nach Ablehnung oder Ablauf der Erklärungsfrist von einem Monat vor die Gerichte ziehen muss, war dementsprechend nicht mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung in Einklang zu bringen.

Das LAG prüfte sodann mittels des „blue-pencil-tests", ob durch Streichung des unwirksamen Teils die Klausel teilbar ist. Ist die verbleibende Regelung weiterhin verständlich, bleibt sie bestehen. Maßgeblich ist insoweit, ob mehrere sachliche Regelungen enthalten sind und ob der unzulässige Teil sprachlich eindeutig abtrennbar ist. Beides bejahte das LAG und nahm dabei insbesondere darauf Bezug, dass die Regelungen der beiden Geltendmachungsstufen in getrennten Absätzen aufgeführt waren. Dementsprechend stellte das Gericht also zusammenfassend fest, dass der erste Teil der Ausschlussfrist rechtmäßig war, der zweite jedoch nicht.

Auch eine Übersetzung des Arbeitsvertrags in die portugiesische Sprache hielt das LAG nicht für erforderlich. Insbesondere besteht keine allgemeine Pflicht des Arbeitgebers, den Arbeitsvertrag unaufgefordert in die Muttersprache zu übersetzen. Eine generelle Übersetzungspflicht für Schriftstücke, die von fremdsprachigen Arbeitnehmern unterzeichnet werden sollen, ist dem geltenden Recht nicht zu entnehmen. Dabei verweist es auf die eigene Rechtsprechung (LAG Hessen, Urt. v. 01.04.2003 - 13 Sa 1240/02). Nur ausnahmsweise kann eine besondere Aufklärungs- und Warnpflicht nach Treu und Glauben bestehen, wenn besondere Umstände des Einzelfalls vorliegen, der künftige Vertragspartner nicht hinreichend unterrichtet ist und die Verhältnisse nicht durchschaut. Im vorliegenden Fall hatte der schriftliche Vertrag eine Warnfunktion und der Arbeitnehmer hätte ihn sich letztendlich auch selbst übersetzen lassen können.

Folgerungen aus der Entscheidung

Unter Berücksichtigung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbeziehungen wird wieder einmal klar, dass es nur eine Schlussfolgerung aus dem Urteil geben kann: Jede Klausel sollte in einem eigenen Absatz stehen.

Das LAG hat eine Übersetzung des Arbeitsvertrags für nicht erforderlich angesehen. Eine entsprechende Verpflichtung hätte es auch lediglich aus § 242 BGB entnehmen können. Denn an anderer Stelle sieht das Gesetzeswerk keine Verpflichtung zu einer Übersetzung vor. Für eine Verpflichtung aus den Grundsätzen von Treu und Glauben muss jedoch mehr hinzukommen, als lediglich das Nichtverstehen der deutschen Sprache.

Praxishinweis

Rechtsberater sollten sich stets die Frage stellen, wann die Grenze zu einer Verpflichtung aus Treu und Glauben nach § 242 BGB überschritten wird. Wenn ein Arbeitnehmer die Verhältnisse nicht durchschaut und eben nicht hinreichend unterrichtet ist, kann tatsächlich eine Übersetzungspflicht bestehen. Sofern sich in Arbeitsverträgen Sicherheitshinweise und Verpflichtungen zur Einhaltung von Arbeitnehmerschutzgesetzen befinden, spricht sogar alles dafür, dass eine Übersetzung - jedenfalls dieser Abschnitte - erforderlich ist.

Will der Arbeitgeber auf Nummer sicher gehen, kann ihm nur angeraten werden, eine Vertragsübersetzung beizufügen. Das gilt insbesondere für Klauseln, die vielleicht noch ein wesentlich größeres Gewicht in der Praxis haben als die hier streitgegenständliche Ausschlussklausel. Dabei ist insbesondere an die Befristung eines Arbeitsvertrags zu denken.

Quelle: RA Arno Schrader - vom 30.04.12