Arbeitnehmer können einen Wiedereinstellungsanspruch grundsätzlich nur dann durchsetzen, wenn sie auch Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG) genießen. Dabei kommt es auf den Zeitpunkt des Kündigungszugangs an. Das hat das BAG entschieden. Ob sich in Kleinbetrieben ausnahmsweise aus § 242 BGB ein Wiedereinstellungsanspruch ergeben kann, ließ das Gericht offen.
Sachverhalt
Ein Arbeitnehmer war seit 1987 als vorexaminierter Apothekenangestellter in einer Apotheke beschäftigt. Die Apothekerin beschäftigte regelmäßig nicht mehr als zehn Arbeitnehmer. Von den zuletzt regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmern standen neben dem Apothekenangestellten nur vier Arbeitnehmer bereits vor dem 01.01.2004 in einem Arbeitsverhältnis.
Mit Schreiben vom 28.11.2013 kündigte die Apothekerin die Arbeitsverhältnisse sämtlicher Beschäftigten zum 30.06.2014. Dabei berief sie sich auf gesundheitliche Gründe, die sie zur Schließung der Apotheke zu diesem Zeitpunkt zwängen. Der Apothekenangestellte hat die Kündigung nicht angegriffen. Tatsächlich führte die Apothekerin den Betrieb über den 30.06.2014 hinaus mit verringerter Beschäftigtenzahl weiter.
Am 01.09.2014 übernahm die Erwerberin auf der Grundlage eines Kaufvertrages vom 15.07.2014 die Apotheke einschließlich des Warenlagers. In dem Kaufvertrag hatte die Erwerberin sich zudem zur Übernahme und Weiterbeschäftigung von drei Arbeitnehmern verpflichtet.
Der Angestellte hat Klage vor dem Arbeitsgericht erhoben, mit der er sowohl die Apothekerin (Bekl. zu 1.) als auch die Erwerberin (Bekl. zu 2.) auf Wiedereinstellung in Anspruch genommen hat. Das ArbG Duisburg hat die Klage mit Urteil vom 05.11.2014 (4 Ca 1607/14) abgewiesen. Der Kläger hat das Urteil mit der Berufung nur insoweit angegriffen, als dass die Klage gegen die vormalige Bekl. zu 2.) abgewiesen wurde. Das LAG Düsseldorf hat die Berufung mit Urteil vom 07.10.2015 (4 Sa 1289/14) zurückgewiesen. Das BAG hat die – zugelassene – Revision zurückgewiesen.
Wesentliche Aussagen der Entscheidung
Ein Wiedereinstellungsanspruch kann grundsätzlich nur Arbeitnehmern zustehen, die zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung Kündigungsschutz nach dem KSchG genießen. Der Kläger genoss keinen Kündigungsschutz nach dem KSchG, da es sich bei dem Betrieb der vormaligen Bekl. zu 1.) um einen Kleinbetrieb i.S.v. § 23 Abs. 1 Satz 2–4 KSchG handelte.
Ob sich in Kleinbetrieben im Einzelfall ausnahmsweise ein Wiedereinstellungsanspruch aus § 242 BGB ergeben kann, bedurfte keiner Entscheidung. Der Kläger hätte einen solchen Anspruch erfolgreich nur gegenüber der vormaligen Bekl. zu 1.) verfolgen können, die den Betrieb nach Ablauf der Kündigungsfrist des Klägers zunächst weitergeführt hatte. Seine gegen die vormalige Bekl. zu 1.) gerichtete Klage war aber rechtskräftig abgewiesen worden.
Folgerungen aus der Entscheidung
Das BAG bestätigt mit der vorliegenden Entscheidung die Herleitung des Weiterbeschäftigungsanspruchs und zieht daraus zutreffende Schlussfolgerungen. Ein Wiedereinstellungsanspruch setzt voraus, dass sich nach Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung während der Kündigungsfrist unvorhergesehen eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit ergibt.
Für die Beurteilung der Wirksamkeit einer Kündigung kommt es auf die Umstände zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung an. Die spätere tatsächliche Entwicklung bleibt unberücksichtigt. Entwickeln sich die maßgeblichen Umstände entgegen der ursprünglichen Prognose, bedarf die Beschränkung der Beurteilung allein auf den Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung eines Korrektivs. Ein geeignetes Korrektiv bildet die vertragliche Nebenpflicht zum erneuten Abschluss eines Arbeitsvertrags.
Grundlage dieses Wiedereinstellungsanspruchs ist § 611 BGB i.V.m. § 242 BGB (BAG, Urt. v. 25.10.2007 – 8 AZR 989/06; BAG, Urt. v. 15.12.2001 – 8 AZR 197/11). Dient der Wiedereinstellungsanspruch als Korrektiv einer fehlerhaften Prognose, scheidet ein solcher Anspruch im Kleinbetrieb grundsätzlich aus. Denn im Kleinbetrieb bedarf die Kündigung zu ihrer Wirksamkeit keines rechtfertigenden Grundes und damit keiner Prognose. Dann fehlt es am Substrat für eine Korrektur.
Das BAG hält sich aber die Möglichkeit offen, im Einzelfall einen Weiterbeschäftigungsanspruch auch von Arbeitnehmern zu bejahen, die in einem Kleinbetrieb i.S.d. § 23 Abs. 1 KSchG beschäftigt werden.
Praxishinweis
Im Fall der Geltendmachung eines Wiedereinstellungsanspruchs ist der Anspruchsgegner sorgfältig zu ermitteln. Im Fall eines Betriebsübergangs nach Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung wegen Betriebsstilllegung richtet sich der Wiedereinstellungsanspruch gegen den Betriebserwerber, wenn es während der Kündigungsfrist zu einem Betriebsübergang kommt oder wenn während des Laufs der Kündigungsfrist der Betriebsübergang zwar beschlossen, aber erst nach Ablauf der Kündigungsfrist vollzogen wird. Im letzteren Fall entsteht der Wiedereinstellungsanspruch während des Bestandes des Arbeitsverhältnisses und richtet sich zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs gem. § 613a Abs. 1 BGB gegen den Erwerber (vgl. BAG, Urt. v. 25.09.2008 – 8 AZR 607/07).
Im Zweifel sind sämtliche Beteiligte in Anspruch zu nehmen, im Fall eines (möglichen) Betriebsübergangs also Betriebsveräußerer und -erwerber. Im vorliegenden Fall hat die Apothekerin den Betrieb zunächst selbst über den vorgesehenen Schließungszeitpunkt hinaus fortgesetzt. Dann kann sich ein Wiedereinstellungsanspruch ausschließlich gegen den Betriebsinhaber richten. Der Kläger hätte sich die Möglichkeit erhalten, dass das BAG ausnahmsweise einen Wiedereinstellungsanspruch bejaht, wenn er seinen Anspruch gegen die Bekl. zu 1.) weiterverfolgt hätte.
BAG, Urt. v. 19.10.2017 – 8 AZR 845/15
Quelle: Rechtsanwalt und FA für Arbeitsrecht Dr. Martin Kolmhuber